Buckyballs auf Gold sind weniger exotisch als Graphen
Sowohl Messungen als auch Berechnungen zeigen gewöhnlichere elektronische Eigenschaften.
Graphen besteht aus Kohlenstoff-Atomen, die sich zu einer flachen Bienenwabenstruktur vernetzen. Das Material besitzt neben überraschend hoher mechanischer Stabilität ungewöhnliche elektronische Eigenschaften: Die Elektronen verhalten sich wie masselose Teilchen, was sich in spektrometrischen Experimenten klar nachweisen lässt. Messungen zeigen eine lineare Abhängigkeit der Energie vom Impuls, Dirac-Kegel genannt: zwei Linien, die sich kreuzen, ohne dass eine Bandlücke – also eine Energiedifferenz zwischen Elektronen im Leitungsband und solchen in den Valenzbändern – auftreten würde.
Künstliche Varianten der Graphen-Architektur sind in der Materialforschung ein aktuelles Thema. Anstelle der Kohlenstoffatome wurden Quantenpunkte aus Silizium platziert, ultrakalte Atome mit starken Laserfeldern im Bienenwabengitter festgehalten oder Kohlenmonoxid-Moleküle auf einer Kupferoberfläche Stück für Stück mit einem Rastertunnelmikroskop an Ort und Stelle geschoben, wo sie den Elektronen des Kupfers die charakteristischen Grapheneigenschaften übertragen konnten.
Eine Studie deutete kürzlich darauf hin, dass es ungleich einfacher ist, künstliches Graphen mit Hilfe von Buckyballs, also C60-Molekülen, herzustellen. Von diesen muss nur eine gleichmäßige Schicht auf Gold aufgedampft werden, damit die Goldelektronen die besonderen Grapheneigenschaften annehmen. Messungen von Photoemissionsspektren schienen eine Art Dirac-Kegel zu zeigen.
„Das wäre wirklich sehr erstaunlich“, sagt Andrei Varykhalov vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie, der eine Arbeitsgruppe für Photoemission und Rastertunnelmikroskopie leitet. „Denn das C60-Molekül ist absolut unpolar. Für uns war schwer vorstellbar, wie solche Moleküle einen starken Einfluss auf die Elektronen im Gold ausüben sollen.“ Daher starteten Varykhalov und sein Team eine Messreihe, um diese These zu überprüfen.
In kniffliger Kleinarbeit konnte das Team C60-Lagen auf Gold über einen deutlich größeren Energiebereich und für verschiedene Messparameter untersuchen. Dabei nutzten sie die winkelaufgelöste ARPES-Spektroskopie an BESSY II, die besonders präzise Messungen ermöglicht, und analysierten für einige Messungen auch den Elektronenspin.
„Wir sehen in unseren Messdaten einen parabelförmigen Zusammenhang zwischen Impuls und Energie, also ein ganz normales Verhalten. Diese Signale stammen von den Elektronen tief aus dem Gold- oder Kupfer-Substrat und nicht der Schicht, die von den Buckyballs beeinflusst werden könnte“, erklärt Maxim Krivenkov vom HZB.
Auch die linearen Messkurven aus der vorherigen Studie konnte das Team erklären. „Diese Messkurven imitieren die Dirac-Kegel lediglich, sie sind ein Artefakt, das sich auf einer Ablenkung der Photoelektronen ergibt, wenn sie das Gold verlassen und die C60-Schicht passieren“, erläutert Varykhalov. Als künstliches Graphen kann die Buckyball-Schicht auf Gold daher nicht gelten.
HZB / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Krivenkov et al.: On the problem of Dirac cones in fullerenes on gold, Nanoscale 14, 9124 (2022); DOI: 10.1039/D1NR07981F - ARPES Gruppe (A. Varykhalov) Abt. Spin und Topologie in Quantenmaterialien, Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH