18.11.2022 • Energie

Carnot-Speicher für Wind- und Sonnenstrom

Latentwärmespeicher gleicht effizient Schwankungen bei der Stromerzeugung aus.

Solarstrom bei Nacht? Windenergie ohne Wind? Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR hat zusammen mit Beteiligten aus Industrie und Forschung eine Speicher­anlage für erneuerbare Energien aufgebaut und erfolgreich getestet. Die Carnot-Batterie kann Strom in Form von Wärme speichern und daraus bei Bedarf wieder Strom erzeugen. Als Speicher­medium dienen Nitratsalze. Im industriellen Maßstab hat die Technologie das Potenzial, Schwankungen regenerativer Quellen auszu­gleichen. Damit ist sie ein weiterer Baustein für eine sichere und regelbare Versorgung mit erneuerbaren Energien.

Abb.: Der mit Nitratsalzen gefüllte Wärme­speicher ist das Herz der...
Abb.: Der mit Nitratsalzen gefüllte Wärme­speicher ist das Herz der Carnot-Batterie. (Bild: DLR)

Mangelphasen und Lastspitzen klimaneutral zu überbrücken, ist eine zentrale Heraus­forderung der Energiewende. Mit Hilfe von Speicher­systemen lassen sich Überschüsse erneuerbarer Energien nutzen, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint. Im Forschungs­projekt CHESTER – Compressed heat energy storage for energy from renewable sources – haben die Beteiligten jetzt am DLR-Standort Stuttgart eine Carnot-Batterie in Betrieb genommen. „Wir arbeiten daran die Technologie so zu optimieren, dass sie industriell und praxisgerecht einsetzbar wird“, sagt Maike Johnson, die das Projekt am Institut für Technische Thermo­dynamik betreut.

Das Herzstück der Carnot-Batterie ist ein Latent­wärmespeicher, der mit rund zwei Kubikmetern Nitratsalzen gefüllt ist. Eine Hoch­temperatur-Wärmepumpe erhitzt mit dem zu speichernden Strom das Salz auf 150 Grad Celsius. „Latent deswegen, weil das Salz beim Erwärmen schmilzt. Ein Teil der zugeführten Heizwärme steckt scheinbar verborgen, also latent, im Lösen der Bindungen der Salz­kristalle“, sagt Maike Johnson. Je nach Salz können Latentwärme­speicher dadurch rund doppelt so viel Energie aufnehmen als Wärmespeicher ohne Schmelzvorgang. Die typische Speicherzeit von Carnot-Batterien liegt bei einigen Stunden bis Tagen. Zum Entladen des Speichers überträgt ein zweiter Kreislauf die Wärme zu einer Wärmekraft­maschine, die eine Turbine mit Generator antreibt. Der so klima­neutral erzeugte Strom kann wieder ins Netz eingespeist werden.

Das Besondere an dem DLR-Wärme­speicher sind seine Wärme­übertrager. Die vom empirisch und rechnerisch designten Rohre verlaufen durch den Speicherbehälter. Sie haben zwei Kanäle für die Kältemittel – einen zum Aufladen, den anderen zum Entladen des Wärme­speichers. Dies ermöglicht den Betrieb mit unter­schiedlichen Kältemitteln, um die verschiedenen Prozess­teile des Speichersystems zu koppeln. Für einen effizienten Energie­transfer zwischen den Dampfkreisläufen und dem Salz haben die Wärmeüber­trager einen rippen­artigen Querschnitt, der einer Schneeflocke ähnelt. Dadurch ergibt sich für das Salz eine möglichst große Kontakt­oberfläche.

In den vergangenen Monaten haben die Forschenden alle Komponenten und jeden Vorgang des Speicherzyklus einzeln getestet. Das Heraus­fordernde ist, die optimalen Betriebs­parameter heraus­zufinden und einzustellen. „Für einen stabilen Wärme­übertrag zwischen Wärmepumpe und Speicher und dann zur Wärmekraft­maschine müssen alle Komponenten zeitlich und mit der passenden Leistung zusammenspielen“, sagt Maike Johnson. „Welche Mengen an Kühlmittel sind nötig? Wie schnell lässt sich das Salz aufheizen und abkühlen? Welche Leistung können wir aus dem Speicher herausholen?“

Die Wissen­schaftlerinnen und Wissen­schaftler erproben nun unterschiedliche Lastszenarien, Wärmeflüsse und Temperaturverläufe, um die Systemgrenzen auszuloten. Bei größeren Anlagen spielen vor allem Wärme­verluste und unterschiedliche Betriebs­zustände eine Rolle. Mit der Pilotanlage wird dies bereits im Forschungs­stadium untersucht. „Carnot-Batterien haben das Potenzial für einen flächen­deckenden Einsatz in einer nachhaltigen Energie­wirtschaft. Wir erwarten, dass industriefähige Systeme in rund zehn Jahren am Markt verfügbar sind. Diese sind dann für längere Speicher­zeiten und Leistungen von mehreren Megawatt ausgelegt“, sagt Andrea Gutierrez, Leiterin der Fachgruppe Thermische Speicher mit Phasenwechsel am Institut für Technische Thermodynamik.

Ein großer Vorteil von Carnot-Batterien ist, dass sie gleichzeitig Strom und Wärme liefern können. In der Sektorenkopplung lassen sie sich leicht mit anderen Energie­systemen verbinden. Dies ist besonders für die Industrie interessant. Die gespeicherte Wärme ist in vielen Industrie­prozessen direkt nutzbar. In Verbindung mit saisonalen Wärmespeichern können sie Wärme­energie über Monate halten. Die Größe, Kapazität und das Energie­management von Carnot-Batterien können an die jeweiligen Anforderungen angepasst werden. Damit eignen sie sich beispielsweise auch für lokale Strom- und Wärmenetze in der Umgebung der Speicher­anlage, die Wohn­siedlungen oder Büroparks mit Energie versorgen.

DLR / JOL

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