Charité und PTB erforschen Krankheiten mithilfe neuartiger Quantensensoren
Zentrum für biomagnetischer Hirnforschung mittels Magnetoenzephalografie auf Basis optisch gepumpter Magnetometer in Berlin eröffnet.
Schizophrenie, Parkinson, Epilepsie: Diese und andere neurologische Erkrankungen sind noch nicht vollständig verstanden. Einen Schub neuer Erkenntnisse verspricht das neue OPM-MEG-Zentrum, das die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) gemeinsam mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin am Montag in Anwesenheit der Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra eröffnet hat. Erstmals werden hier die OPM-Sensoren, die die winzigen Magnetfelder des menschlichen Hirns messen, in größerem Stil in der klinischen Forschung eingesetzt. Das Zentrum ist ein Beispiel dafür, wie aktuelle Quantenmetrologie in die medizinische Anwendung gebracht und zudem der Technologietransfer gefördert wird.


Wenn Neuronen im Gehirn feuern, dann fließen winzige Ströme. Die entstehenden Magnetfelder kann man mithilfe spezieller Quantensensoren messen. Diese Magnetoenzephalografie (MEG) liefert wertvolle Informationen über die Funktionen des Gehirns. So lassen sich beispielsweise Hirnrhythmen auslesen, die an den Bewegungsstörungen bei Parkinson beteiligt sind oder bei Psychosen eine wichtige Rolle spielen.
Ein neuer Typ der Quantensensoren sind optisch gepumpte Magnetometer (OPMs). Sie ermöglichen es, die Hirnsignale bei Zimmertemperatur mit einer bisher unerreichten Kombination aus Echtzeit- und räumlich hochauflösender Funktionsmessung zu erfassen. Anders als die bislang üblichen Sensoren, die extrem gekühlt werden mussten, haben OPM-Sensoren direkten Kontakt zum Kopf. Somit eignen sie sich auch für Patient*innen, die sich bewegen, wie etwa Kinder oder Menschen mit Parkinson.
Um die vielversprechenden Möglichkeiten der neuen Technologie auszuschöpfen, haben Charité und PTB nun auf dem Campus Charité Mitte – also in größtmöglicher Nähe zu Patient*innen – ein OPM-MEG-Zentrum eingerichtet. Damit bringen beide Partnerinnen ihre jeweilige Expertise in einer einmaligen Kooperation zusammen: Die PTB mit ihrer langjährigen Erfahrung rund um biomagnetische Messungen mit Quantensensoren und die dazu nötige Abschirmung wird für die gesamte Messtechnik und deren Weiterentwicklung zuständig sein. Diese setzt die Charité für Forschung im Bereich neurologischer Mechanismen und psychiatrischer Erkrankungen sowie für klinische Studien an größeren Patientengruppen ein. Die kombinierte Expertise verleiht dem Zentrum das Potenzial, zu einer führenden Anlage für das Verständnis, die Erkennung und die Behandlung psychiatrischer und neurologischer Störungen zu werden. Gleichzeitig soll die OPM-Messtechnik für eine breitere klinische Anwendung weiterentwickelt werden.
Das Herzstück des Zentrums bildet die neueste Generation eines Ganzkopf-OPM-Systems mit 96 OPM-Sensoren, finanziert dank einer Förderung der DFG. Die Charité übernahm die Baukosten, die PTB stellt und betreibt die vom Bund finanzierte magnetisch geschirmte Kabine. Die schwachen magnetischen Signale des menschlichen Gehirns lassen sich nämlich nur messen, wenn man äußere Magnetfelder, etwa der Erde oder eines in der Nähe vorbeifahrenden ICEs, sorgsam abschirmt. In der neuen Kabine wird mit geringstmöglichem Materialaufwand ein höchstmöglicher Schirmfaktor erreicht.
Forschungsgruppen beider Einrichtungen nutzen das neue Zentrum. Die PTB-Wissenschaftler*innen fokussieren sich auf Forschung in der Quantensensorik, die Umsetzung verlässlicher Quantenmetrologie und eine beschleunigte Technologieentwicklung. Charité-Forschende wollen beispielsweise epileptische Herde im Gehirn insbesondere von Kindern exakter identifizieren, um deren chirurgische Entfernung zu erleichtern. Auch die Entwicklung von modernen Gehirn-Computer-Schnittstellen, die unter anderem die Mobilität von Menschen mit Behinderungen zu verbessern suchen, soll in dem neuen Zentrum vorangebracht werden.
Um den komplexen Technologietransfer im biomedizinischen Bereich der Quantentechnologie zu beschleunigen, sind Forschungskooperationen mit weiteren Partnerinstitutionen aus Wissenschaft und Wirtschaft geplant. Nicht zuletzt werden junge Start-Up-Firmen das Zentrum nutzen können und von Qualitätssicherung und Technologievalidierung profitieren. So trägt das neue OPM-MEG-Zentrum zu den Zielen der Berliner Initiative Berlin Quantum und Berlin UNITE bei, der jüngst gegründeten und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Start-Up-Factory für Berlin-Brandenburg. [PTB / Charité / dre]
Anbieter
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)Bundesallee 100
38116 Braunschweig
Deutschland
Meist gelesen

Markus Krutzik zum Professor für Integrierte Quantensensorik an der HU Berlin berufen
Der Wissenschaftler des Ferdinand-Braun-Instituts treibt die Entwicklung hochintegrierter Quantensensoren für Anwendungen auf der Erde und im All voran.

Skalierbare Quantensoftware für Systeme mit 100.000 Qubits
TUHH und UQ entwickeln gemeinsam Softwaregrundlagen für die Entfaltung des Quantenpotenzials in realen Anwendungen wie Klimamodellierung, Logistik und Pharmazie.

Ryan Sweke auf den Deutschen Forschungslehrstuhl am AIMS in Kapstad berufen
Der international renommierte Quantenphysiker ist in dieser Funktion am African Institute for Mathematical Sciences auch an der Freien Universität Berlin tätig.

Max-Planck-Campus Mainz gestartet
Neues Forschungsbündnis setzt Impulse für interdisziplinäre Forschung: Schwerpunkt Liquids, Soft Matter und Erdsystemforschung.

Dennis Meier nimmt Professur in Duisburg an
Der international anerkannte Experte erforscht Energiesparen mit intelligenten Materialien.










