07.02.2018

Columbus: Labor in der Schwebe

Vor 10 Jahren startete das europäische Forschungsmodul Columbus zur Internationalen Raumstation.

„Wenn ich die Wahl gehabt hätte, wäre ich gerne oben geblieben für eine Langzeitmission, – sagen Sie das bloß meiner Frau nicht“, bekannte der Physiker und ESA-Astronaut Hans Schlegel nur wenige Monate nach der Columbus-Mission im Physik-Journal-Interview. Er und seine Kollegen waren am 7. Februar 2008 an Bord des Space-Shuttle Atlantis von Cape Canaveral aus ins All gestartet, um das europäische Forschungsmodul Columbus zur Internationalen Raumstation (ISS) zu bringen, die in rund 400 Kilometer Höhe die Erde umkreist und seit November 2000 permanent besetzt ist.

Columbus hat eine lange Vorgeschichte: Erste Ideen für ein Weltraumlabor im Rahmen einer europäischen Weltraumstation entstanden 1984. Das Konzept wurde auf den Namen Columbus getauft – mit Hinblick auf einen möglichen ersten Starttermin 1992, 500 Jahre nach der Entdeckung Amerikas. Ebenfalls im Jahr 1984 präsentierte US-Präsident Ronald Reagan die Idee einer internationalen Raumstation. Deren Bau und ständiger Betrieb wurde schließlich am 29. Januar 1998 durch einen internationalen Vertrag zwischen den USA, Russland, Canada, Japan und den damaligen zehn Mitgliedstaaten der ESA beschlossen.

Der Start des Columbus-Moduls, dessen Bau insgesamt 880 Millionen Euro gekostet hat, verzögerte sich durch die Columbia-Katastrophe im Februar 2003 um fünf Jahre. An Bord des Space Shuttle Columbia hatte Schlegel im Jahr 1993 bereits im Rahmen der deutschen D-2-Mission die Gelegenheit gehabt, Experimente in der Schwerelosigkeit durchzuführen. Als ESA-Missionsspezialist war er im Februar 2008 maßgeblich daran beteiligt, das Columbus-Modul, das 6,9 Meter lang ist und hat einen Durchmesser von 4,5 Metern hat, in Betrieb zu nehmen. Dafür nahm Schlegel zusammen mit dem NASA-Astronauten Rex Walheim am zweiten der insgesamt drei Außeneinsätze teil.

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In der Schwerelosigkeit können Forscher seitdem einzigartige Erkenntnisse aus den unterschiedlichsten Bereichen gewinnen, etwa zum Verhalten von Flüssigkeiten („Fluid Science Lab“) oder Zellen, Mikroorganismen, Pflanzen etc. („Biolab“) in Schwerelosigkeit. Im „European Physiology Module“ werden vor allem die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf die ISS-Crew untersucht, beispielsweise in Bezug auf Knochen- und Muskelschwund, den Flüssigkeitshaushalt oder das Immunsystem. Zur Erforschung von Magnetfeldern und Grundlagen zur Entwicklung von Schutzschilden dient das Magnetic Field Experiment „MagVector/MFX“.

Besonders günstig ist die Schwerelosigkeit für die Erforschung komplexer Plasmen und so genannter Plasmakristalle. Komplexe Plasmen kommen beispielsweise in den Saturnringen oder Kometenschweifen vor und bestehen aus einem Niedertemperaturplasma und Staubpartikeln von einigen Mikrometern Größe. Diese werden in dem Gas elektrostatisch aufgeladen und treten miteinander in Wechselwirkung. Abhängig vom plasmaerzeugenden elektrischen Feld und vom Gasdruck verändert ein komplexes Plasma seine Struktur und verhält sich wie eine Flüssigkeit, ein Gas oder wird bei dreidimensionaler regelmäßiger Anordnung der Partikel zu einem Plasmakristall.

Plasmakristalle sind auf der Erde wegen der Schwerkraft auf nur wenige Gitterebenen begrenzt. Nur unter Schwerelosigkeit lassen sich große, homogene 3D-Strukturen ungestört bilden und erforschen. Dazu dient die Apparatur „PK-4“, die der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst 2014 im Rahmen seiner „Blue Dot“-Mission im Columbus-Modul installiert hat.

In den vergangenen zehn Jahren haben die ESA-Astronauten insgesamt 161 ESA-Experimente im Columbus-Labor durchgeführt, dazu kommen Experimente von 67 internationalen Partnern und kommerziellen Nutzern. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das die Entwicklung und Fertigung des ISS-Moduls im Auftrag der ESA betreut hat, leitet vom Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen den Betrieb und ist auf Forschungsebene mit eigenen Experimenten aktiv. Bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der deutschen und europäischen Weltraumexperimente werden die Wissenschaftler durch das Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) in Köln unterstützt.

Alexander Gerst kehrt im Juni 2018 im Rahmen seiner „Horizons“-Mission zum Columbus-Modul zurück. Dann hat das Columbus-Modul mehr als die zehn Jahre, die es mindestens an der ISS angedockt bleiben sollte, hinter sich. Wie lange darüber hinaus Europas Forschungslabor im All weiter bestehen wird, hängt nicht zuletzt vom Schicksal der ISS ab. Unter Präsident Barack Obama hatte der US-Kongress beschlossen, dass die ISS bis mindestens 2024 weiter in Betrieb bleiben soll. Inwieweit sich Donald Trumps Pläne für bemannte Missionen zum Mond auf die Finanzierung der ISS auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Alexander Pawlak

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