16.04.2020

Compton-Effekt unter der Lupe

Analyse aller drei beteiligten Stoßpartner liefert genaueres Verständnis des altbekannten Effekts.

Als der amerikanische Physiker Arthur Compton 1922 entdeckte, dass sich Lichtwellen wie Teilchen verhalten und in einem Stoß­experiment Elektronen aus Atomen herausschlagen können, war dies ein Meilenstein für die Quanten­physik. Fünf Jahre später wurde der Wissenschaftler dafür mit dem Nobelpreis geehrt. Für seine Experimente nutzte Compton sehr kurz­welliges Licht mit hoher Energie, demgegenüber er die Bindungs­energie des Elektrons an den Atomkern vernachlässigen konnte. Compton nahm daher für seine Berechnungen kurzerhand an, dass das Elektron frei im Raum ruhen würde.

Abb.: Ein Photon (geschlängelte Linie) trifft ein Elektron eines Helium-Atoms,...
Abb.: Ein Photon (geschlängelte Linie) trifft ein Elektron eines Helium-Atoms, wodurch das Elektron aus dem Atom herausgeschlagen wird (roter Punkt). Das Atom wird dadurch zum geladenen Ion (blauer Punkt). Elektrische und magnetische Felder lenken Elektron und Ion zu Detektoren. (Bild: U. Frankfurt)

In den folgenden neunzig Jahren wurden bis heute zahlreiche Experimente und Berechnungen zum Compton-Effekt gemacht, die immer wieder Asymmetrien zeigten und Rätsel aufwarfen. So wurde beobachtet, dass in bestimmten Experimenten scheinbar Energie verloren ging, wenn man die Bewegungs­energie der Elektronen und Lichtteilchen nach dem Zusammen­stoß mit der Energie der Photonen vor dem Zusammen­prall verglich. Da Energie nicht einfach verschwinden kann, wurde vermutet, dass sich in diesen Fällen der Einfluss des Atomkerns bei dem Photon-Elektron-Zusammenprall entgegen der vereinfachenden Annahme von Compton nicht vernachlässigen lässt.

Ein Team von Physikern um Reinhard Dörner und Max Kircher von der Goethe-Universität Frankfurt hat nun erstmals bei einem Stoß­experiment mit Photonen gleichzeitig die abgelenkten Elektronen und die Bewegung des Atomkerns beobachtet. Dazu bestrahlten sie Heliumatome mit Röntgenlicht der Röntgen­strahlungs­quelle PETRA III am Hamburger Beschleuniger­zentrum DESY. Die herausgelösten Elektronen und die geladenen Ionen detektierten sie in einem COLTRIMS-Reaktions­mikroskop, einer Apparatur, die Dörner mitentwickelt hat und die ultraschnelle Reaktionsprozesse von Atomen und Molekülen sichtbar machen kann.

Die Ergebnisse waren überraschend: Die Wissenschaftler beobachteten nämlich nicht nur, dass die Energie der stoßenden Photonen natürlich erhalten bleibt und zu einem Teil auf in eine Bewegung des Ions überführt wird. Vielmehr wird zuweilen ein Elektron sogar aus dem Atom herausgeschlagen, wenn die Energie des stoßenden Photons eigentlich zu gering ist, um die Bindungskräfte des Elektrons an den Atomkern zu überwinden.

Insgesamt wurde nur in zwei Dritteln der Fälle das Elektron dorthin gestoßen, wo man es bei einem Billard-Stoßexperiment erwarten würde. In allen anderen Fällen wurde das Elektron quasi vom Kern reflektiert und teilweise sogar in die entgegengesetzte Richtung gelenkt.

Reinhard Dörner: „Wir konnten damit zeigen, dass das ganze System aus Photon, heraus­geschlagenem Elektron und Ion nach quanten­mechanischen Gesetzen schwingt. Unsere Experimente liefern damit einen neuen Ansatz­punkt zum experimentellen Testen quanten­mechanischer Theorien des Compton Effekts, der zum Beispiel in der Astrophysik oder der Röntgenphysik eine wichtige Rolle spielt.“

U. Frankfurt / DE
 

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