11.06.2009

Crash im Sonnensystem

Die Erde könnte in den nächsten 5 Milliarden Jahren mit Merkur, Venus oder Mars kollidieren, wie neue Berechnungen zeigen – doch sehr wahrscheinlich ist das nicht.



Die Erde könnte in den nächsten 5 Milliarden Jahren mit Merkur, Venus oder Mars kollidieren, wie neue Berechnungen zeigen – doch sehr wahrscheinlich ist das nicht.

Die Planeten und Monde des Sonnensystems bewegen sich anscheinend mit der Präzision eines perfekten Uhrwerks. Konstellationen und Sonnenfinsternisse lassen sich über Jahrtausende hinweg berechnen. Übersteht das Sonnensystem aber auch die nächsten 5 Milliarden Jahre, bis sich die Sonne zu einem roten Riesen aufbläht? Die äußeren Planeten Jupiter, Saturn und Uranus werden möglicherweise auch noch in 1018 Jahren ihre gewohnten Bahnen ziehen, ehe diese von einer schwachen Resonanz merklich gestört werden. Doch die Bewegungen der inneren Planeten – Merkur, Venus, Erde und Mars – sind längst nicht so stabil, so dass es in den nächsten Jahrmilliarden die eine oder andere Kollision zwischen ihnen geben könnte. Das sagen die bisher aufwendigsten Simulationen des Sonnensystems vorher, die Jacque Laskar und Mickael Gastineau vom Observatoire de Paris durchgeführt haben.

Bei diesen Simulationen, die u. a. auf dem neuen Supercomputer JADE des Nationalen Computerzentrums CINES liefen, wurden erstmals die Bewegungen aller Planeten und des Erdmondes sowie die Bahnkorrekturen im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie berücksichtigt. Um einen Überblick über das weitere Schicksal des Sonnensystems zu bekommen, reicht indes die Berechnung der Planetenbahnen für einen Satz von Anfangsbedingungen – z. B. Positionen und Geschwindigkeiten – nicht aus. Da sich die Planeten gegenseitig anziehen, werden ihre Bahnen so stark gestört, dass sie chaotisch werden. Das wiederum führt dazu, dass sich jede Ungenauigkeit in den Anfangsbedingungen der Planetenbewegungen alle 5 Millionen Jahre verdoppelt. Eine zuverlässige Vorhersage über 5 Milliarden Jahre scheint demnach aussichtslos.

Laskar und Gastineau haben dieses Problem dadurch gelöst, dass sie die Planetenbahnen für 2501 verschiedene Anfangsbedingungen berechnet haben. Dadurch erhielten sie einen Überblick, wie sich das Sonnensystem entwickeln könnte. Sie veränderten, bei sonst festgehaltenen Parametern, die große Halbachse der nahezu elliptischen Merkurbahn in Schritten von 0,38 mm (!) um den auf einige Meter genau bekannten Wert herum. Dann ließen sie die 2501 Versionen des aktuellen Sonnensystems (die alle mit dem heutigen Kenntnisstand vereinbar sind) sich entwickeln und verfolgten ihr weiteres Schicksal. Während die Riesenplaneten unbeirrt ihre Bahnen zogen, erwiesen sich die Bewegungen der inneren Planeten als sehr störungsanfällig. Bei 20 der 2501 Lösungen der planetaren Bewegungsgleichungen geriet Merkur in eine Perihel-Resonanz mit Jupiter, bei der die Bahnellipsen der beiden Planeten synchron rotierten. Die relativistische Drehung des Merkur-Perihels schwächte diese Resonanz übrigens ab und machte dadurch das Sonnensystem ein wenig stabiler.



Abb.: Erde und Venus auf Kollisionskurs.
(Bild: Design: J Vidal-Madjar, Planetsrukturen von NASA,

Copyright: IMCCE-CNRS
)


Geriet Merkur in Resonanz mit Jupiter, so wurde seine Bahn immer exzentrischer, bis sie schließlich über die Venusbahn hinausreichte. Damit drohte eine Kollision von Merkur und Venus, die bei einer der Simulationen auch beobachtet wurde, während es in drei anderen Fällen zu Beinahe-Zusammenstößen kam. Außerdem konnte Merkurs auch in die Sonne abstürzen. In einem Fall brachte die immer exzentrischer werdende Merkurbahn die drei anderen inneren Planeten völlig durcheinander, sodass Erde und Mars beinahe zusammenstießen: Sie kamen sich nach etwa 3,3 Mrd. Jahren auf 794 km nahe. Solch eine Annäherung hätte verheerende Folgen für das irdische Leben und könnte den Mars durch Gezeiteneffekte zerreißen, sodass es nachfolgend zu zahlreichen Einschlägen auf der Erde käme.

Diese Beinahe-Kollision zwischen Erde und Mars haben sich die Forscher genauer angeschaut. Sie haben die Simulation des Sonnensystems 2000 Jahre vor diesem verhängnisvollen Ereignis mit 201 leicht variierten Anfangsbedingungen neu gestartet und das turbulente Geschehen verfolgt. In fünf Fällen wurde Mars innerhalb von 100 Mio. Jahren aus dem Sonnensystem katapultiert. Die übrigen 196 Fälle endeten alle in Kollisionen, zwischen Sonne und Merkur (33), Sonne und Mars (48), Merkur und Venus (43), Merkur und Erde (1), Merkur und Mars (1), Venus und Erde (18), Venus und Mars (23) sowie Erde und Mars (29). Die Erde war immerhin an 48 der 196 Kollisionen beteiligt.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass das Sonnensystem für die nächsten 5 Mrd. Jahre eigentlich recht stabil ist. Nur mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 1 % wird die Merkurbahn exzentrischer und gefährdet damit den Frieden zwischen den inneren Planeten. Und sogar nur in einem von 2501 Fällen geriete die Erde auf eine Bahn, die mit 24 % Wahrscheinlichkeit zu einer Kollision mit einem der drei anderen inneren Planeten führt. Das sind eigentlich ganz beruhigende Aussichten.

RAINER SCHARF

Weitere Infos: Weitere Literatur:

KP

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