28.11.2016

Dämpfen mit phononischen Kristallen

Makroskopische Kristallstrukturen können unerwünschte Schwingungen absorbieren.

Gibt es Materialien, die eine hohe mecha­nische Trag­fähigkeit aufweisen, trotzdem aber aufgrund ihrer inneren Struktur Schall und Vibrationen dämpfen können? Materialien, mir denen sich ganz ohne Schaum­gummi, Federn und Stoß­dämpfer ein schwerer Schiffsmotor so lagern lässt, dass nicht mehr der gesamte Schiffs­körper brummt? Theoretische Physiker hatten solche Materialien, die phono­nischen Kristalle, vorausgesagt. Doch nur wenige Wissen­schaftler weltweit hatten diese eigen­tümlichen Kunst-Materialien bereits in der Hand und konnten ihre Eigen­schaften am echten Objekt überprüfen.

Abb.: Modell eines phononischen Kristalls für eine effizientere Dämpfung. (Bild: Empa)

Nach drei Jahren Forschungs­arbeit hat ein Team der Empa und der ETH Zürich solche Materialien bereits zum Patent angemeldet. Im September diesen Jahres haben die Forscher Versuchs­strukturen aus einer Aluminium­legierung erstmals im eigenen 3-D-Drucker angefertigt, um die Methode der Schall- und Vibrations­dämpfung weiter zu verfeinern. Ohne moderne Fertigungs­methoden wie den 3-D-Druck mit Metallen wäre es im Labor kaum möglich, phononische Kristalle für Versuchs­zwecke herzustellen.

Seit 2013 ließen sich die Empa-Forscher Tommaso Delpero und Andrea Bergamini von einer Idee des California Institute of Techno­logy (Caltech) inspirieren und starteten gemeinsam mit den Empa-Akustik-Experten Stefan Schoenwald und Armin Zemp ihr Projekt. In einer ersten Arbeit berechneten sie, dass die ultra­leichten drei­dimensionalen Metall­gitter­strukturen mit Zellen in Millimeter­grösse Ultraschall­frequenzen von etwa 100 kHz sehr gut dämpfen sollten. Die logische nächste Frage lautete: Gibt es auch Strukturen, die Schall im hörbaren Bereich oder nieder­frequente Schwingungen dämpfen? Und lassen sich solche Materialien gezielt auf eine Schwingungs­frequenz anpassen?

Delpero machte erste Versuche mit dem Struktur­modell eines Diamanten. Delpero montierte ein makro­skopisches Modell zwischen zwei Aluminium­bleche und traktierte das unten liegende Blech mit diversen Frequenzen. Das Ergebnis war verblüffend: Manche Wellen reflektierte der Kristall gänzlich. Beim echten Diamanten sind es Röntgen­strahlen, die auf diese Weise gebeugt und gestreut werden. Das mehr­tausendfach größere Diamant­modell hatte mechanische Schwingungen mit mehr­tausendfach größerer Wellenlänge auf exakt die gleiche Weise beeinflusst.

Wie hoch das Potenzial der Erfindung einzu­schätzen ist, erklärt Empa-Forscher Bergamini: „Bislang brauchte man zum Dämpfen von Vibrationen eine Feder­komponente und eine Dämpfer­komponente, das kennen wir aus dem Auto.“ Hohe Frequenzen und Töne liessen sich durch leichte Materialien dämpfen, für tiefe Töne und Vibrationen brauchte man bisher jedoch Materialien mit hoher eigener Masse. „Diese Regel haben wir nun durch­brechen können“, sagt Bergamini. „In Zukunft lassen sich auch tiefe Frequenzen mit leichten Materialien dämpfen – nämlich mit einem speziell dafür berechneten phono­nischen Kristall. Ein weiterer Vorteil: der Kristall ist steif und kann Gewicht tragen.“

An der Empa ist das Projekt inzwischen in die nächste Phase getreten: Ivo Leibacher hat die Computer­modelle seiner Vorgänger für den 3-D-Druck in Metall fit gemacht. Die Struktur musste in manchen Details angepasst werden. An einigen Stellen ist zum Beispiel etwas mehr Material nötig, damit der Probekörper im Pulverbett­verfahren im 3-D-Drucker fehlerfrei hergestellt werden kann. Leibacher hat die Eigen­schaften seines Modells genau voraus­berechnet und die Kenndaten der verwendeten Aluminium­legierung in seine Berechnungen einfliessen lassen. Nach dem Ausdrucken mussten die ersten Strukturen spannungs­frei geglüht werden, damit sie im praktischen Schwingungs­versuch die Korrektheit der Berechnungen und Theorie­modelle unter Beweis stellen konnten.

Empa / JOL

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