12.09.2022

Das Beste aus zwei Welten

Neuartiges Schweißverfahren kombiniert Lichtbogen- und Laserauftrag.

Hybridtechnik in Reinkultur hat das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT für das DVS-Forschungs­projekt „KoaxHybrid“ entwickelt und gebaut. In Aachen entstanden eine neue Optik mit Glas­substraten und ein Lichtbogenbrenner. Damit wurden das Metall­schutzgas (MSG)-Schweißen und das Laserauftragschweißen mit Ringstrahl zu einem völlig neuen Verfahren vereint. Wie sich mit dem COLLAR-Hybrid-Verfahren die Schweiß­geschwindigkeit vergrößern und die Auftragrate beim metallischen 3D-Druck erhöhen lassen, erfahren Interessierte vom 19. bis zum 21. September in Koblenz auf einem Fach­kongress des DVS – Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren.

 

Abb.: Das neue Verfahren COLLAR Hybrid Additive Manufacturing setzt auf eine...
Abb.: Das neue Verfahren COLLAR Hybrid Additive Manufacturing setzt auf eine Kombination von Lichtbogen- und Laser­auftrag. (Bild: V. Lannert / Fh.-ILT)

Das neue Verfahren verbindet das Beste aus zwei Welten, eine Kombination von zwei additiven Verfahren mit drahtförmigem Zusatz­werkstoff. Die Rede ist vom Licht­bogen­auftrag­schweißen (Wire Arc Additive Manufacturing WAAM) und vom Laser­auftrag­schweißen (Wire Laser Material Deposition WLMD). Beide Verfahren besitzen systembedingt Vor- und Nachteile: Der Laserprozess ist im Vergleich zu WAAM ein kostspieliges Verfahren mit niedrigen Auftragraten, zeichnet sich aber durch einen geringen Wärmeeintrag und präzisen Schicht­aufbau exakt an der gewünschten Stelle aus. Daher ist er besonders in der Luft- und Raumfahrt gefragt. Soll die Auftragrate größer sein, bietet sich das WAAM an, wobei die erreichbaren Oberflächen welliger und der Schichtaufbau deutlich grober ist.

Beim Fügen ist die Kopplung in lateraler Anordnung unter der Bezeichnung LB-MSG-Hybridschweißen etabliert (Laser-Lichtbogen-Hybridschweißen). Jedoch ist dieses Verfahren richtungsabhängig oder für das Fügen von dreidimensionalen Nähten nur bedingt geeignet.

Mit der Kombination der Verfahren lassen sich die Auftragraten um bis zu 150 Prozent steigern, sodass das neue richtungs­unabhängige 3D-Druckverfahren auch für große Bauteile infrage kommt. „Weil die Oberflächenwelligkeit abnimmt, sinkt der Nach­bearbeitungs­aufwand im Vergleich zum Lichtbogen­verfahren WAAM deutlich“, erklärt Max Fabian Steiner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer ILT.

Das Lichtbogenauftragsschweißen ist ein etablierter und robuster Prozess, die notwendige Systemtechnik ist günstig zu erwerben und die meisten metallischen Werkstoffe lassen sich damit verarbeiten. Steiner: „Der Lichtbogen lässt sich aber nicht so exakt fokussieren wie ein Laserstrahl. Damit lassen sich nicht so feine und genaue Spuren herstellen wie mit dem Laser.“ Mit seiner Institutskollegin Jana Kelbassa entwickelte und baute Steiner als Gegenmaßnahme eine wassergekühlte Spezial-Optik mit Glassubstraten und einen wasser­gekühlten Lichtbogen­brenner zum Schweißen und für die additive Fertigung mit großen Leistungen. In der neuen Optik werden beide Energiequellen überlagert und die Stärken der beiden Einzel­verfahren gewinnbringend kombiniert.

Im Hybridprozess wird der Lichtbogen zwischen Drahtende und Substrat von der Laserstrahlung, kegelförmig, wie von einem Kragen (englisch: Collar) umschlossen. Die Idee hinter dieser Kombination ist, dass der Lichtbogen aus diesem Kragen nicht ausbrechen kann und zwangsgeführt wird. Dieser „Zwangsführung“ verdankt das neue Verfahren auch den Namen COLLAR Hybrid, wobei das Akronym COLLAR auf die gemeinsame koaxiale Strahlführung (Coaxial Laser Arc) der beiden Verfahren hinweist.

Während das Fraunhofer ILT die neue Systemtechnik zur Weiter­entwicklung des metallischen 3D-Drucks mit Ringstrahl-Laser und Lichtbogen verwendet, nutzt es das Institut für Schweiß- und Fügetechnik ISF der RWTH Aachen University im DVS-Forschungs­projekt KoaxHybrid zur Entwicklung des richtungs­unabhängigen Hybridschweißens mit Ringfokus und koaxialer Drahtzuführung.

Doch nicht nur die höhere Schweiß­geschwindigkeit, die sich laut ersten Versuchen im Vergleich zum Lichtbogen­schweißen um rund 100 Prozent erhöhte, zeichnet das neue Hybrid­verfahren aus. „Wenn es darum geht, nicht nur lineare Nähte zu schweißen, wird es schwierig“, sagt Steiner. „An jeder Ecke oder Kurve müsste der konventionelle Aufbau gedreht werden, was zu großem Programmier­aufwand bei der Bahnplanung führt.“ Als Alternative bietet sich das COLLAR-Verfahren an, mit dessen Optik richtungs­unabhängig in alle Richtungen geschweißt werden kann. Zudem verspricht es einen weiteren positiven Effekt: „Wir erwarten, dass bei dicken Blechen durch den geführten Lichtbogen neue, weniger aufwendige Schweißnaht­vorbereitungen an den Fügepartnern ausreichen.“

Wenn sehr feine und grobe Strukturen gefragt sind, können die Anteile der Prozesse variiert werden. Mittels eines reinen oder mehrheitlichen Laserprozesses bei abgeschaltetem Lichtbogen können die anspruchsvollen Stellen und feinen Strukturen und mittels eines mehrheitlichen Lichtbogen­prozesses die gröberen Strukturen, wie breite Rippen oder Bereiche mit großen Auftragraten, deutlich schneller, kostengünstiger und mit weniger Energieaufwand aufgeschweißt werden.

Ähnliche Aufbaustrategien bieten sich auch bei Werkstoffen wie Aluminium oder Kupfer an, die sonst in der Regel deutlich teurere Strahlquellen mit blauem oder grünem Laserlicht erfordern. „Ich breche zum Beispiel mit dem Lichtbogen die Aluminiumoxid­schicht mit der Schmelz­temperatur von 2200 Grad Celsius auf“, berichtet Steiner von einem erfolgreichen Versuch. „Die darunter liegende Aluminium­schicht besitzt aber nur noch eine Schmelztemperatur von 660 Grad Celsius, die ich dann mit insgesamt geringerer Leistung schweißen oder bearbeiten kann.“

Mehr über das Hybridschweißen und den additiven Druck erfahren Interessenten vom 19. bis zum 21. September 2022 in Koblenz auf einem Fachkongress des DVS – Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e. V. sowie am 26. und 27. Oktober 2022 auf der DVS-Tagung #additivefertigung: Metall in bestForm in Essen.

Das IGF-Vorhaben „Richtungs­unabhängiges Laser-MSG-Hybridschweißen mit Ringfokus und koaxialer Drahtzuführung für das Verbindungs­schweißen und die additive Fertigung – KoaxHybrid“ der Forschungs­vereinigung Schweißen und verwandte Verfahren e.V. des DVS wurde von der AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) des Bundes­ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert.

Fh.-ILT / DE

 

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