Das fraktale Energiespektrum von Bloch-Elektronen
Erstmals zwei verschiedene Widerstands-Oszillationen gleichzeitig in künstlichen Kristallen nachgewiesen.
Wie verhalten sich Elektronen in einem Kristall, wenn man diese einem starken Magnetfeld aussetzt? Welche Energien können die Elektronen in so einem System annehmen? Während für Elektronen in einem Kristall ohne Magnetfeld die erlaubten Energiezustände in Energiebändern liegen, findet man für freie Elektronen im starken Magnetfeld diskrete Energiewerte, die Landau-Niveaus. Die Kombination beider Situationen ist theoretisch äußerst schwierig und beschäftigte Physiker im 20. Jahrhundert einige Jahrzehnte lang, bis schließlich Douglas Hofstadter das Problem im Jahre 1976 erstmalig numerisch löste und graphisch darstellte. Das Ergebnis war ein fraktales Energiespektrum, das aufgrund seiner prägnanten Erscheinung fortan als „Hofstadters Schmetterling“ bezeichnet wurde.
Die experimentelle Bestätigung dieser Quantenfraktale würde in natürlichen Kristallen Magnetfelder von vielen tausend Tesla erfordern, die im Labor unerreichbar sind. Erst in künstlich hergestellten Kristallstrukturen mit größeren Gitterkonstanten im Bereich von hundert Nanometern konnten bei extrem tiefen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt Signaturen dieser fraktalen Energiestruktur in niederdimensionalen Halbleitern und in Moiré-Gittern auf Basis des zweidimensionalen Materials Graphen beobachtet werden.
Jetzt gelang es einem Forscherteam der Universität Regensburg in Zusammenarbeit mit Theoretikern der Universität Hamburg zu zeigen, dass dieses fraktale Energiespektrum auch bei höheren Temperaturen charakteristische Spuren hinterlässt und so dem Bild der Elektronendynamik in Übergittern einen weiteren Aspekt hinzuzufügen. Als Basis-Material diente wiederum Graphen, dem durch das Zusammenspiel zweier Gate-Elektroden eine periodische Modulation mit einer Gitterkonstanten von etwa vierzig Nanometern aufgeprägt wurde.
Der Vorteil einer solchen Probenstruktur: Die Stärke des Übergitters lässt sich durch Anlegen verschiedener Gate-Spannungen einstellen, was bei Moiré-Übergittern nicht möglich ist. Nun zeigen sich in den elektronischen Bändern des künstlichen Kristalles zwei verschiedene Widerstandsoszillationen, die hier erstmals gleichzeitig in einer Probe gefunden wurden: Zum einen die temperaturrobusten Brown-Zak-Oszillationen und zum anderen Kommensurabilitätsoszillationen, auch Weiss-Oszillationen genannt, die hier die Stärke der Brown-Zak-Oszillationen beeinflussen.
Der erhöhte Leitfähigkeitsbeitrag, der sich durch ausgedehnte Energiebänder im Hofstadter-Spektrum ergibt, wird bei der Flachbandbedingung der Weiss-Oszillationen wieder unterdrückt, bei der klassisch gesehen der Elektronenorbit im Magnetfeld eine zur Übergitter-Periode kommensurable Bahn definiert. Die Forscher hoffen, in Zukunft noch weitere Einblicke in die Physik der Übergitter zu erhalten. Denkbar wäre es mit der demonstrierten Technik und unter Verwendung spezieller Übergittergeometrien, die Bandstruktur von Graphen nach Belieben gezielt zu formen, wodurch sich prinzipiell neue und maßgeschneiderte elektronische Eigenschaften realisieren ließen.
U. Regensburg / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
R. Huber et al.: Band conductivity oscillations in a gate-tunable graphene superlattice, Nat. Commun. 13, 2856 (2022); DOI: 10.1038/s41467-022-30334-3 - Physik der Mikro- und Nano-Strukturen (D. Weiss), Institut für experimentelle und angewandte Physik, Universität Regensburg