Das Geheimnis jugendlicher Schönheit
Auch bei Kugelsternhaufen hängt die Geschwindigkeit des Alterns vom Lebensstil ab.
Kugelsternhaufen sind sphärische Ansammlungen von Sternen, die durch ihre eigene Schwerkraft aneinander gebunden sind. Mit einem Alter von üblicherweise 12 bis 13 Milliarden Jahren sind sie Überbleibsel aus der Anfangszeit des Universums. Zu unserer Milchstraße gehören ungefähr 150 Kugelsternhaufen, und sie enthalten viele der ältesten Sterne unserer Heimatgalaxie. Jetzt haben Astronomen mithilfe des MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop und des Hubble Space Telescopes festgestellt, dass einige dieser Sternhaufen in ihrem Herzen nach wie vor jung geblieben sind.
Abb.: Diese Kollage zeigt Kugelsternhaufen, die mit dem Hubble Space Telescope und dem MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium der ESO in Chile beobachtet wurden, (v. l. n. r.) Omega Centauri, NGC 288, M55, NGC 6388, M 4, M 13, M 10, M 5, 47 Tucanae, NGC 6752, M 80, M 30. (Bild: F. Ferraro, U. Bologna / NASA / ESA)
„Auch wenn diese Sternhaufen schon vor Milliarden von Jahren entstanden sind, haben wir uns gefragt, ob einige von ihnen vielleicht schneller oder langsamer altern als andere”, erläutert Teamchef Francesco Ferraro von der Università di Bologna. „Durch die Untersuchung der Verteilung einer bestimmten Sorte blauer Sterne, die es in Kugelsternhaufen gibt, haben wir herausfinden können, dass einige Sternhaufen sich tatsächlich viel schneller entwickelt haben. Daraus haben wir eine Methode entwickelt, um die Alterungsrate zu bestimmen.“
Sternhaufen entstehen innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne, deshalb sind alle in einem bestimmten Sternhaufen enthaltenen Sterne in etwa gleich alt. Da helle, massereiche Sterne ihren Brennstoff sehr schnell verbrauchen und Kugelsternhaufen sehr alt sind, sollten sie eigentlich nur noch massearme Sterne enthalten.
Das ist aber nicht immer der Fall: Unter bestimmten Bedingungen können Sterne zusätzliches „Lebenselixier“ erhalten, also zusätzlichen Brennstoff, der sie wachsen und heller werden lässt. So etwas kann zum Beispiel passieren, wenn ein Stern einem Begleiter Materie abzieht, wenn die beiden Komponenten eines Doppelsternsystems miteinander verschmelzen oder wenn zwei Sterne kollidieren. Die auf diese Weise neu erstarkten Sterne nennt man Blaue Nachzügler (Blue Stragglers). Schwerere Sterne sinken im Laufe der Zeit durch einen Prozess, der dem Sedimentieren von Schwebeteilchen in Wasser ähnelt, in das Zentrum eines Kugelsternhaufens ab. Aufgrund ihrer hohen Massen werden die Blauen Nachzügler besonders stark beeinflusst. Durch ihre Helligkeit sind sie außerdem leicht zu beobachten.
Abb.: Hubble stellt bei NGC 6388 eine hochaufgelöste Aufnahme des dicht bevölkerten Haufenzentrums zur Verfügung (links), während die Aufnahme des MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskops am La Silla-Observatorium der ESO in Chile ein größeres Gesichtsfeld aufweist und auch die Außenbereiche der Haufen zeigt. (Bild: NASA / ESA / ESO / F. Ferraro, U. Bologna)Caption
Um den Alterungsprozess von Kugelsternhaufen besser verstehen zu können, beobachteten die Astronomen die Positionen von Blauen Nachzüglern in 21 Kugelsternhaufen. Das Weltraumteleskop Hubble stellte dabei hochaufgelöste Aufnahmen der dicht bevölkerten Zentren von 20 der Kugelsternhaufen zur Verfügung, während die bodengebundenen Observatorien Bilder mit einem größeren Gesichtsfeld lieferten, die auch die dünner besiedelten Außenbereiche der Haufen zeigen.
Bei der systematischen Auswertung der Bilder stellten die Wissenschaftler fest, dass einige der Kugelsternhaufen vergleichsweise jung aussehen und ihre Blauen Nachzügler über den gesamten Haufen verteilt sind, während der Großteil der Haufen viel älter wirkt und ihre Blauen Nachzügler sich in der Haufenmitte ansammeln. Eine dritte Gruppe befindet sich mitten im Alterungsprozess. Bei ihnen sieht man die Sterne nahe des Zentrums als erstes nach innen wandern. Erst später kommen die Sterne weiter außen hinzu.
Da all diese Kugelsternhaufen etwa gleich alt sind, zeigt das,, wie sehr sich die Entwicklungsgeschwindigkeit von Haufen zu Haufen unterscheiden. Das Absinken der schwersten Sterne in Richtung des Haufenzentrums führt letztlich dazu, dass das Zentrum extrem dicht wird. Dieses Phänomen nennt man Kernkollaps. Die Prozesse, die zum Kernkollaps führen, sind gut verstanden und hängen von der Anzahl, der Dichte und der Geschwindigkeit der Sterne ab. Unklar war bislang aber, wie häufig dies stattfindet. Diese Studie liefert daher die ersten empirischen Hinweise darauf, wie schnell verschiedene Kugelsternhaufen altern.
ESON / OD