Das hochfrequente Zwitschern von XUV-Pulsen
Ultraschneller Plasmaschalter schneidet Teile hochfrequenter Lichtblitze zeitlich ab.
Ultrakurze intensive Laserpulse sind ein wichtiges Instrument in der modernen Atom- und Molekülphysik. Sie erlauben nicht nur eine detaillierte Untersuchung der Struktur von atomaren und molekularen Systemen, sondern auch die gezielte Beeinflussung der durch die Wechselwirkung mit dem Lichtfeld ausgelösten Reaktionen. Neuartige Strahlungsquellen wie Freie-Elektronen-Laser liefern Lichtblitze im fernen Ultraviolett- bis Röntgenbereich und eröffnen diesem Forschungsgebiet in revolutionärer Weise neue Möglichkeiten. Forscher des MPI für Kernphysik haben jetzt in Zusammenarbeit mit einem internationalen Team eine neue Methode zur direkten Charakterisierung von XUV-Pulsen entwickelt.
Im Fokus des Verfahrens steht der „Chirp“ – englisch für „Zwitschern“ – eines Laserpulses, in dessen zeitlichem Verlauf sich die Frequenz der Lichtschwingung ändert. Das ist von zentraler Bedeutung, da ein Atom oder Molekül aufgrund seiner Quantenstruktur sehr spezifisch auf die Lichtfrequenz reagiert und zudem seine Struktur unter Einfluss des Laserpulses dynamisch ändern kann. Mit einem kontrollierten Chirp ließe sich die Frequenz daran anpassen, um dabei bestimmte Übergänge anzusprechen. Ein Experiment zur direkten Vermessung des Chirps solcher Laserpulse fand am Freie-Elektronen-Laser FLASH am DESY in Hamburg statt. Die verwendeten XUV-Laserpulse haben eine Dauer von etwa hundert Femtosekunden.
Zur gleichzeitigen Messung der Wellenform und der Frequenz des Laserpulses kam eine Pump-Probe-Anordnung mit zwei zeitlich versetzten Laserpulsen zum Einsatz. Diese werden auf ein dichtes Neongas fokussiert und dahinter in einem Spektrometer hinsichtlich ihrer Frequenz analysiert. Der erste Puls – der „Pump“ – ionisiert effizient das Target, so dass sich zeitlich rasch bis zu siebzig Prozent zweifach geladene Ne²⁺-Ionen anreichern. Diese sind ist für die XUV-Strahlung nahezu transparent, während neutrales und einfach geladenes Neon noch recht stark absorbiert.
„Dieses Plasmatarget wirkt somit wie ein ultraschneller Schalter für die Transmissionseigenschaften“, erläutert Thomas Ding vom MPI für Kernphysik. „Vom zweiten Puls – der „Probe“ – werden dann, abhängig vom zeitlichen Versatz, nur die Anteile der Wellenform durchgelassen, welche das ionisierte, transparente Medium vorfinden. Die Wellenform wird also mit einem zeitlichen Messer abgeschnitten.“
Die neue Messmethode „erlaubt einen direkten Zugriff auf die zeitliche und spektrale Signatur der FEL-Pulse“, erklärt Christian Ott vom MPI für Kernphysik. „Für optische Laser ist das bereits etabliert. Die Realisierung im kurzwelligen XUV- bis Röntgenbereich erlaubt eine viel präzisere Ansteuerung einzelner Atome in größeren Molekülen. Das ist auch ein Schlüssel-Baustein für nichtlineare multidimensionale Spektroskopie im Röntgenbereich mit ultrakurzen breitbandigen Attosekunden-XFEL-Pulsen.“
MPIK / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
T. Ding et al.: Measuring the frequency chirp of extreme-ultraviolet free-electron laser pulses by transient absorption spectroscopy, Nat. Commun. 12, 643 (2021); DOI: 10.1038/s41467-020-20846-1 - Angeregte Atome und Moleküle in starken Feldern (C. Ott), Quantendynamik und -kontrolle, Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg