Das Splittern nach dem Schuss
Hochgeschwindigkeits-Videos zeigen, wie Projektile rohe Eier und Christbaumkugeln zersplittern lassen. Dahinter steckt rasante Physik.
Bei gleichem Druckunterschied lassen sich Flüssigkeiten deutlich schlechter komprimieren als Gase. So muss man einen äußeren Druck von über zehn Millionen Pa (100 Atmosphären) ausüben, um bei Wasser eine Volumenänderung von 1 % zu erreichen. Diese niedrige Kompressibilität führt bei Flüssigkeiten zu interessanten Phänomenen, die teilweise sehr schnell ablaufen.
Schießt man mit einer Luftpistole ein Geschoss mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 m/s auf ein rohes Ei, so ist das Endergebnis wie erwartet: Es zerspritzt, der Inhalt verteilt sich bis in recht große Entfernungen.
Das Projektil einer Luftpistole trifft ein rohes Ei (6000 Bilder/s, Integrationszeit 1/6000 s, Video: Vollmer/Möllmann).
Es fällt auf, dass die vom Projektil aus gesehene, rückwärtige Eischale schon vor Austritt des Projektils zerplatzt. Die einfachste Erklärung besagt, dass wegen der Inkompressibilität der Flüssigkeit das vom Projektil verdrängte Volumen im Ei zu einer Druckerhöhung führt, der die Schale nicht gewachsen ist. In einer genaueren Analyse müssen natürlich auch Trägheitseffekte der bewegten Flüssigkeit und die durch das Projektil verursachte Schockwelle im Ei berücksichtigt werden. Da Eier sich stark voneinander in Form und Schalendickenverteilung unterscheiden können, stellt jedes derartige Experiment ein Unikat dar. Besser ist es, die Physik mit reproduzierbareren ähnlichen Systemen zu untersuchen.
Hierfür bieten sich Christbaumkugeln aus Plastik an. Vor dem Auftreffen auf die Hohlkugel betrug die Geschossgeschwindigkeit 84 m/s, nach dem Austritt etwa 78 m/s. Beim Aufprall wurde demnach etwa 1/7 der kinetischen Energie auf die Kugel übertragen. Die luftgefüllte Hohlkugel bietet kaum Widerstand für das Projektil, das durch den Aufprall im Wesentlichen Löcher in die Schale bricht, so dass meistens kleine Fragmente mit Flächen von einigen Quadratmillimetern bis maximal etwa ein Quadratzentimeter wegfliegen.
Das Projektil einer Luftpistole trifft eine hohle Christbaumkugel (Öffnung unten): Erste Plastikfragmente der Kugel fliegen erst nach dem Austritt des Projektils weg (8000 Bilder/s, Integrationszeit 1/8000 s, Video: Vollmer/Möllmann).
In einem dritten Experiment wurde nun eine mit Wasser gefüllte Kugel zerschossen, deren Öffnung mit einem Gummistopfen verschlossen war. Vor dem Auftreffen auf die Kugel hatte das Projektil eine Geschwindigkeit von 80 bis 84 m/s, nach dem Austritt sank sie auf etwa 47 m/s. Der wesentliche Unterschied zur leeren Kugel ist die „Explosion“ der Christbaumkugel noch während sich das Projektil im Innern befindet.
Ein Projektil trifft eine mit Wasser gefüllte, verschlossene Christbaumkugel. Die Kugel explodiert bereits bevor das Projektil austritt (8000 Bilder/s, Integrationszeit 1/8000 s, Video: Vollmer/Möllmann).
Da die luftgefüllte Kugel nicht zerplatzte, können mechanische Deformationswellen in der Hülle nicht für die Explosion verantwortlich sein. Insofern bleibt nur das Wasser als Ursache übrig. Üblich erklärt man das Verhalten durch die sehr geringe Kompressibilität des Wassers.
Das Projektil hat ein Volumen von etwa 0,06 cm3, was ungefähr 1/1450 des Wasservolumens in der Kugel entspricht. Da anfangs nur sehr wenig Wasser herausspritzt, muss in erster Näherung nach dem Kugeleintritt sowohl das Wasser als auch das Projektil in dasselbe verfügbare Innenvolumen der Kugel hineinpassen. Das geht nur, wenn das Wasser entsprechend um das Volumen des Geschosses komprimiert würde. Hierzu wäre aber ein Druckunterschied vom 14-fachen Atmosphärendruck nötig, der aufgrund ihrer mechanischen Eigenschaften von der dünnen Plastikhülle nicht aufgebracht werden kann. Folglich muss sie platzen.
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Michael Vollmer, Klaus-Peter Möllmann, FH Brandenburg