11.01.2013

Das Ticken der Compton-Uhr

Wie man mit der Compton-Frequenz eines Atoms die Zeit messen kann.

Arthur Compton beobachtete 1923, dass sich Röntgenstrahlen beim Zusammenstoß mit Elektronen wie Teilchen verhalten. Die Röntgenwellenlänge nimmt dabei höchstens um die doppelte Compton-Wellenlänge des Elektrons zu, dessen Materiewelle mit der entsprechenden Compton-Frequenz schwingt. Die Compton-Frequenz eines ruhenden Teilchens mit der Masse m beträgt ω0 = mc2/. Für ein Cäsium-133-Atom liegt diese Frequenz bei etwa 3×1025 Hz. Da das Atom stabil ist, ist seine Compton-Frequenz sehr scharf definiert. Gelänge es, diese hochfrequenten Schwingungen der atomaren Materiewelle einzeln auszuzählen, so hätte man eine Uhr von unvergleichlicher Präzision. Auf dem Weg zu diesem Ziel haben Holger Müller und seine Kollegen von der University of California in Berkeley einen wichtigen Schritt getan: Sie konnten die erste, wenn auch noch nicht sehr genaue Compton-Uhr in Gang setzen und lesen.

Abb.: Die Wege der Materiewellen im Interferometer. Die vier Laserpulse wirken durch Bragg-Streuung auf die Materiewellen wie zwei Strahlteiler und zwei Spiegel. (Bild: S.-Y. Lan et al., Science)

Dazu wurden Cäsiumatome einzeln durch ein Interferometer geschickt, das die atomaren Wellenpakete in zwei Teilwellen aufteilte. Diese bewegten sich auf unterschiedlichen Wegen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, bis sie vereinigt und zur Interferenz gebracht wurden. Die beiden Teilwellen führten unterschiedlich viele Compton-Schwingungen aus, was sich am Interferenzsignal beobachten ließ. Bei einem früheren, ähnlichen Experiment hatte Müller zusammen mit Achim Peters und Steven Chu anhand solcher Interferenzen die relativistische Rotverschiebung im Gravitationsfeld gemessen. Die Stichhaltigkeit dieses Experiments war allerdings von einigen Forschern bezweifelt worden.

Bei ihrem neuen Experiment ließen Müller und seine Kollegen die Atome einzeln durch zwei gepulste Laserstrahlen fallen, die einander entgegengesetzt gerichtet waren und die beiden Frequenzen ω1 > ω2 hatten. Bei jedem der insgesamt vier Laserpulse, die das Atom trafen, kam es zu Vielphotonen-Bragg-Streuung. Beim ersten Laserpuls blieb das Atom mit 50 % Wahrscheinlichkeit unbeeinflusst, während es mit 50 % Wahrscheinlichkeit eine Anzahl n der ω1-Photonen absorbierte und anschließend n von den ω2-Photonen stimuliert emittierte, wobei es den Impuls n (k1+k2) aufnahm. Das atomare Wellenpaket wurde also von diesem „Strahlteiler“ in zwei Teile zerlegt, die sich unterschiedlich schnell in verschiedene Richtungen davon bewegten.

Abb.: Die Frequenz der Compton-Uhr schwankt im Laufe von gut 6 Stunden nur geringfügig um einen Mittelwert von ca. 10 MHz. (Bild: S.-Y. Lan et al., Science)

Die übrigen drei Laserpulse komplettierten das Interferometer. Sie brachten die beiden Teilwellen wieder zusammen und ließen sie interferieren. Je nach dem Phasenunterschied der Teilwellen interferierten sie konstruktiv oder destruktiv, was sich darin zeigte, dass das aus dem Interferometer kommende Atom in eine von zwei möglichen Richtungen davonflog. Die Phasendifferenz bestand aus zwei Teilen. Der erste rührte daher, dass die Teilwellen aufgrund ihrer unterschiedlichen Wege und Geschwindigkeiten unterschiedlich lange Eigenzeiten im Interferometer zubrachten, sodass sie unterschiedlich viele Compton-Oszillationen ausführten. Der zweite Teil wurde durch die Bragg-Streuung verursacht, bei der sich die Phase ebenfalls änderte.

Unter bestimmten Bedingungen hoben sich diese beiden Beiträge zur Phasendifferenz gegenseitig auf, so dass es stets zu konstruktiver Interferenz kam. Dazu mussten die Differenz der beiden Laserfrequenzen ωm = ω1ω2 und ihr Mittelwert ωL = (ω1+ω2)/2 folgende Bedingung erfüllen: ωm = 2L/ω0. Mit Hilfe eines Frequenzkamms und eines digitalen Frequenzgenerators stimmten die Forscher die beiden Laserfrequenzen auf die Frequenz eines regelbaren 10-MHz-Kristalloszillators ab, und stabilisierten sie auf diese Weise. Der Frequenzkamm sorgte dafür, dass ωL = m galt, wobei N etwa 4×109 betrug. Dadurch fiel die Laserfrequenz ωL aus der Frequenzbedingung für das Auftreten der konstruktiven Interferenz heraus, und es galt nun: ωm = ω0/2nN2. Wurde das Experiment auf Bragg-Streuung 5. Ordnung (n=5) eingestellt, so ergab sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Compton-Frequenz ω0 und der messbaren Differenzfrequenz ωm.

Eine Rückkopplung regelte die Oszillatorfrequenz automatisch so nach, dass die Atome im Interferometer stets konstruktiv interferierten. Dadurch wurden die Oszillatorschwingungen mit den viel schnelleren Compton-Schwingungen synchronisiert. Die Messungen der stabilisierten Oszillatorfrequenz von etwa 10 MHz ergaben, dass ihr Mittelwert um etwa 0,02 Hz schwankte. Solch eine mäßige Genauigkeit hatten auch die ersten Atomuhren gehabt. Für die Compton-Frequenz des Cäsiumatoms erhielten die Forscher ein Resultat, das gut mit dem erwarteten Wert übereinstimmte. Die Forscher sind zuversichtlich, dass sie die Präzision ihrer Compton-Uhr noch wesentlich verbessern können.

Mit Hilfe einer Compton-Uhr wird es möglich, durch eine Frequenzmessung eine atomare Masse – und vielleicht sogar auch die Masse eines nanomechanischen Oszillators – absolut und mit hoher Genauigkeit zu messen. Darüber hinaus könnte eine Compton-Uhr auch Antiteilchen verwenden und auf diese Weise prüfen, ob die CPT-Symmetrie und Einsteins Äquivalenzprinzip auch für die Antimaterie gelten.

Rainer Scharf

PH

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