30.05.2016

Dauerhafte Selbstoszillation

Kristallplättchen beugen und strecken sich bei Bestrahlung mit blauem Licht.

Mikroroboter und Nanomaschinen sind keine reine Utopie mehr. Eine der größten Heraus­forderungen ist jedoch noch immer, die Bewegung einzelner Moleküle oder Molekül­verbände in eine strukturierte makro­skopische Bewegung zu übertragen, die sich so lange kontinuierlich wiederholt, wie das System mit Energie versorgt wird. Japanische Wissenschaftler stellen jetzt ein solches selbst­oszillatorisches System vor: einen plättchen­förmigen Kristall, der sich abwechselnd beugt und wieder streckt – im stetigen Wechsel, solange er in Wasser mit blauem Licht bestrahlt wird.

Abb.: Die Kristallplättchen oszillieren bei Betrahlung mit blauem Licht zwischen beiden Formen hin und her. (Bild: Wiley-VCH)

Bei den Plättchen, die das Team um Sadamu Takeda und Yoshiyuki Kageyama von der Hokkaido University in Sapporo enwickelt hat, handelt es sich um Misch­kristalle aus Ölsäure und einer Azobenzol-Verbindung in einem speziellen Mischungs­verhältnis. Entscheidend sind die zwei über eine Azobrücke verbundenen Phenyl­ringe der Azobenzol-Verbindung. Sie können entweder trans oder cis angeordnet sein, d.h. auf entgegen­gesetzten Seiten einer gedachten Ebene entlang der Azo-Brücke liegen oder auf derselben Seite. Im flachen Kristall liegen 99,8 Prozent der Moleküle als trans-Isomer vor. Blaues Licht regt die Moleküle an, die Azo-Brücken „lockern“ sich und es kann bei einigen Molekülen zu einer Isomerisierung in die cis-Konfiguration kommen. Dies verändert ihre Form, stört die Kristall­struktur und erzeugt eine Spannung. Ab einem bestimmten Prozentsatz an cis-Isomeren wird die Spannung so groß, dass sich die Morphologie ändert: Das Plättchen beugt sich.

Wird weiter bestrahlt, klappt das Plättchen irgendwann wieder in den flachen Zustand zurück. Weshalb? Auch cis-Isomere werden durch das blaue Licht angeregt und können ihre Struktur ändern – in die trans-Form. Warum dabei die Population der cis-Isomere wieder abnimmt, ist noch nicht abschließend geklärt. Entweder kann das Molekül in der cis-Form die Licht­energie besser absorbieren. Oder die veränderte molekulare Anordnung in der neuen Kristall­phase verändert die Licht­absorption der Moleküle gegenüber dem „normalen“ Kristall. Unterschreitet der Anteil an cis-Isomeren wieder den Grenzwert, kann die ursprüngliche Kristall­struktur wieder eingenommen werden, das Plättchen klappt zurück in die gestreckte Geometrie. Dann startet der Zyklus von Neuem. Während das Ausmaß der Krümmung von den Dimensionen des individuellen Kristalls abhängt, hat die Licht­stärke einen Einfluss auf die Klapp­geschwindigkeit: Je stärker bestrahlt wird, desto schneller erfolgt der Formwechsel.

Diese Umwandlung von Lichtenergie in eine mechanische Bewegung könnte für das Design von Materialien interessant sein, die die Bewegung von Tieren, zellulären Bestand­teilen oder dynamischen technischen Bauteilen nachahmen, etwa in Mikromaschinen.

Wiley-VCH / DE

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