Dem Fingerabdruck des Eisens auf der Spur
Experimentell bestimmte Photoionisationsspektren erlauben Rückschlüsse aus Beobachtungen schwarzer Löcher.
Experimentell bestimmte Photoionisationsspektren erlauben Rückschlüsse aus Beobachtungen schwarzer Löcher.
Zur Überprüfung theoretischer Methoden der Berechnung von Spektren hoch ionisierten Eisens wurden Experimente an der Synchrotron-Röntenquelle BESSY II durchgeführt. Die Forscher des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik und des Helmholtz-Zentrums Berlin interessierten sich dabei für Bedingungen wie sie am Ereignishorizont Schwarzer Löcher vorkommen.
Um die Natur von Schwarzen Löchern zu verstehen, schaut man ihnen am besten beim Fressen zu. Interessant ist vor allem, wenn die Materie hinter dem Ereignishorizont verschwindet. Bei diesem turbulenten Prozess entsteht Röntgenstrahlung. Nach Anregung verschiedener chemischer Elemente in der Materiewolke strahlen diese Röntgenlicht mit charakteristischen Linien aus. Deren Analyse gibt Aufschluss über Dichte, Geschwindigkeit und Zusammensetzung der Plasmen nahe am Ereignishorizont.
Hierbei spielt Eisen eine wichtige Rolle. Obwohl es im Universum nicht so häufig vorkommt wie leichtere Elemente – vor allem Wasserstoff und Helium – kann es wesentlich besser Röntgenlicht verschlucken und wieder aussenden. Die dabei emittierten Photonen haben außerdem eine höhere Energie beziehungsweise eine kürzere Wellenlänge als die der leichten Atome. Daher hinterlassen sie im Regenbogen des zerlegten Lichts deutliche Fingerabdrücke. Die sogenannte K-Alpha-Linie des Eisens ist die letzte erkennbare spektrale Signatur der Materie, ihr "letzter Schrei", bevor sie auf Nimmerwiedersehen hinter dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs verschwindet.
Das emittierte Röntgenlicht wird außerdem beim Durchgang durch das in größeren Abständen das Schwarze Loch umgebende Medium absorbiert. Und hier hinterlässt das Eisen wiederum klare Fingerabdrücke in den Spektren. Die Strahlung entreißt durch so genannte Photoionisation den Eisenatomen typischerweise mehr als die Hälfte der 26 Elektronen, die sie normalerweise enthalten. Genau diesen Prozess haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Zusammenarbeit mit Kollegen der Berliner Synchrotron-Röntgenquelle BESSY II im Labor reproduziert. Herzstück des Experiments war die am Max-Planck-Institut gebaute Elektronenstrahl-Ionenfalle EBIT (electron beam ion trap). Darin wurden Eisenatome mit einem intensiven Elektronenstrahl so weit aufgeheizt, wie es im Innern der Sonne oder eben in der Umgebung eines Schwarzen Lochs der Fall ist. Unter derartigen Bedingungen kommt Eisen etwa als Fe14+-Ion vor. Zur Bestimmung der Spektren treffen dann Röntgenstrahlen aus dem Synchrotron auf diese Wolke.
Abb.: Mit der Elektronenstrahl-Ionenfalle EBIT stellen Forscher im Labor Prozesse nach, wie sie in der Materie um Schwarze Löcher ablaufen. (Bild: MPI für Kernphysik)
Die in diesem Versuch gemessenen Spektrallinien ließen sich direkt und problemlos mit denen jüngster Beobachtungen von Röntgenobservatorien wie Chandra und XMM-Newton vergleichen. Dabei stellte sich heraus, dass die meisten der verwendeten theoretischen Rechenverfahren die Linienpositionen nicht genau genug wiedergeben. In diesem Zusammenhang rätselten die Wissenschaftler über die Interpretation einer der am längsten untersuchten aktiven galaktische Kerne, NGC 3783. Der Fehlerbalken in der mittels verschiedener theoretischer Modelle berechneten Ruhefrequenz führte zu so großen Unsicherheiten in der erschlossenen Geschwindigkeit des emittierenden Plasmas, dass verlässliche Aussagen über die Plasmaströme nicht mehr möglich waren. Die Labormessungen haben nun unter mehreren Modellrechnungen ein theoretisches Verfahren identifiziert, das die genauesten Vorhersagen macht.
MPI-HD / KK