14.09.2017

Der Asteroidengürtel – ursprünglich eine Lücke im Sonnensystem?

Planetesimale könnten erst später in diese Region ein­ge­wandert sein.

Zwischen den Planeten Mars und Jupiter zieht eine große Zahl kleinerer Himmels­körper ihre Bahn. Bei diesen Asteroiden handelt es sich, so die allgemein ange­nommene Erklärung, um Über­reste aus der Zeit der Planeten­ent­stehung: Unter dem störenden Einfluss der Anziehungs­kraft des großen Gas­planeten Jupiter konnten sich dort aus den Planete­simalen kein großer Planet bilden. Computer­modelle der Planeten­ent­stehung liefern für dieses Szenario aller­dings eine Gesamt­masse von mindestens einer Erd­masse für den Asteroiden­gürtel. Und das ist mehr als das Zwei­tausend­fache der tat­säch­lich beob­ach­teten Masse in dieser Region.

Abb.: Die erdähnlichen Gesteinsplaneten entstanden in einem Ring aus staub­haltiger Materie im inneren Sonnen­system, die äußeren Planeten in einem äußeren Ring aus Gas. Zwischen diesen Ringen – in der Region des heutigen Asteroiden­gürtels – klaffte ursprüng­lich eine nahezu materie­freie Lücke. (Bild: NASA)

Zahlreiche enge Begegnungen zwischen den Asteroiden müssten also im Verlauf der Jahr­milliarden den größten Teil der Himmels­körper aus dem Gürtel heraus­geworfen haben. Diese Vor­stel­lung aller­dings ist schwer mit einer anderen Beob­achtung in Ein­klang zu bringen: Im inneren Gürtel beob­achten Astro­nomen haupt­säch­lich Asteroiden des Typs S mit heller Ober­fläche, im äußeren Gürtel dagegen haupt­säch­lich Asteroiden des Typs C mit dunkler Ober­fläche. Wenn die Dynamik des Asteroiden­gürtels jedoch für eine derart drastische Ent­völke­rung der Region gesorgt hat, sollte sie ebenso zu einer völligen Durch­mischung der unter­schied­lichen Asteroiden-Typen geführt haben.

Sean Raymond und Andre Izidoro von der Universität Bordeaux in Frank­reich werfen daher die Frage auf, ob nicht das Standard-Szenario für die Ent­stehung des Asteroiden-Gürtels schlicht falsch ist. Vielleicht, so die beiden Forscher, ist der Asteroiden­gürtel nicht mit einer großen Masse ent­standen – sondern im Gegen­teil leer. Beob­ach­tungen junger Sterne, die noch von proto­planetaren Struk­turen umgeben ist, zeigen häufig keine durch­gehende Scheibe aus Gas und Staub um den Stern, sondern mehrere Ringe mit Lücken dazwischen.

Das Forscher-Duo präsentiert jetzt die Ergebnisse von Computersimula­tionen, bei denen die erd­ähn­lichen Gesteins­planeten in einem Ring aus staub­haltiger Materie im inneren Sonnen­system, die äußeren Planeten in einem äußeren Ring aus Gas ent­stehen. Zwischen diesen Ringen – in der Region des heutigen Asteroiden­gürtels – klafft zunächst eine nahezu materie­freie Lücke. Die Rech­nungen von Raymond und Izidoro zeigen, dass in einem solchen Modell die ent­stehenden Planeten übrig geblie­bene Planete­simale in diese Lücke hinein­schleudern. Und zwar hellere Körper aus dem inneren Sonnen­system in die innere Zone, dunklere Körper aus dem äußeren Sonnen­system in die äußere Zone der Lücke.

„Wir haben damit widerlegt, dass der ursprüngliche Asteroidengürtel eine hohe Masse besessen haben muss“, schreiben die beiden Forscher. „Die Ein­brin­gung von Planete­simalen in eine ursprüng­lich leere Zone vermag die Gesamt­masse, die Ver­tei­lung der Umlauf­bahnen und die radiale Ver­tei­lung der Typen im heutigen Asteroiden­gürtel zu erklären.“ Die Region zwischen Mars und Jupiter sei dem­nach zwar tat­säch­lich – wie im klas­sischen Modell – eine Art Lager­stätte übrig­geblie­bener Bau­steine der Planeten­ent­stehung. „Aller­dings sind diese Bau­steine nicht im Asteroiden­gürtel ent­standen, sondern über­all im Sonnen­system.“

Rainer Kayser

RK

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