Der Blick, der unter die Haut geht
Neues Verfahren erlaubt Fokussieren auf bewegte Objekte in stark streuenden Medien.
Ein Blick unter die Haut wäre für viele medizinische Anwendungen äußerst hilfreich. Leider streut biologisches Gewebe Licht recht stark, weshalb sich optische Verfahren entweder nur nahe der Oberfläche einsetzen lassen oder recht unspezifisch sind. Aber auch die Materialwissenschaften haben mit opaken Medien zu tun, bei denen die üblichen optischen Methoden kurz hinter der Oberfläche stecken bleiben. Zwar gibt es einige Verfahren, auch innerhalb stark streuender Medien für Fokuspunkte zu sorgen, etwa mit Hilfe implantierter „Leitsterne“, die aus nichtlinearen Nanopartikeln oder fluoreszierenden Stoffen bestehen. Dieses Verfahren ist allerdings invasiv und schränkt die Anwendungsmöglichkeiten ein. Es lassen sich auch mit Ultraschall sogenannte virtuelle Leitpunkte erzeugen. Doch diese benötigen einen physischen Kontakt und geringen akustischen Verlust bei hinreichend hohen Frequenzen, um die Schallwellen wirksam einzukoppeln. Deshalb sind auch dieser Methode Grenzen gesetzt.
Abb. 1: Im ersten Schritt wird interferometrisch die Lichtverteilung nach Durchtritt durch das streuende Medium bestimmt (oben). Im zweiten Schritt sorgt dann ein Flächenlichtmodulator für einen phasenkonjugierten Strahl mit guter Fokussierung (unten; Bild: C. Ma et al. / NPG)
Einen anderen Weg schlagen deshalb Wissenschaftler um Lihong Wang vom Optical Imaging Laboratory der Washington University in St. Louis vor. Bei ihrem Time-reversed adapted-perturbation optical focusing, kurz TRAP, genannten Verfahren benötigen sie nur einen Prozess aus zwei Schritten, um Licht durch streuende Medien zu steuern und Fokuspunkte zu setzen. Das Verfahren erlaubt allerdings keinen beliebigen Fokus, sondern benötigt zeitlich veränderliche Objekte innerhalb des Mediums. Diese können unterschiedlicher Natur sein: Sowohl biologische Objekte wie etwa rote Blutkörperchen oder spontane Änderungen der Lichtdurchlässigkeit sowie Translationen oder Rotationen einzelner Teilchen innerhalb des Mediums reichen für den Einsatz aus. Es lassen sich natürlich auch eigens optimierte Partikel wie etwa magnetomotorische Teilchen, spannungsabhängige Farbstoffe oder photonisch schaltbare Proteine nutzen.
Der Trick bei TRAP liegt darin, zunächst im ersten Schritt das streuende Medium zu durchleuchten und dieses Streulicht zu analysieren. Der Lichtstrahl, der durch die Probe hindurchgeht, wird interferometrisch über einen Referenzstrahl ausgewertet. Aus dem Vergleich der Lichtfelder zu verschiedenen Zeitpunkten lässt sich dann die beste Beleuchtung bestimmen, mit der sich im zweiten Schritt mit Hilfe eines Flächenlichtmodulators der Fokus auf das bewegte Objekt legen lässt. Damit eignet sich TRAP vor allem zur Beleuchtung dynamischer Regionen in ansonsten eher statischem Gewebe.
Die Forscher nutzten zur Beleuchtung einen Nd:YAG-Laser, der einen frequenzgedoppelten Strahl bei 532 Nanometern Wellenlänge und einer Pulsdauer von zehn Nanosekunden lieferte. Die Wiederholrate war einstellbar zwischen 50 und 200 Hertz. Zur Demonstration des Verfahrens ließen die Wissenschaftler verdünntes Rinderblut durch ein 300 Mikrometer durchmessendes Röhrchen fließen, das sie zwischen zwei feine Scheiben Hühnchenbrust gelegt hatten. Diese waren je 2,5 Millimeter dick – dünn genug, um noch ausreichend Licht durchzulassen, aber dick genug für eine beträchtliche Streuung.
Dank der TRAP-Fokussierung gelang es den Forschern, die Lichtintensität am Blutkanal deutlich zu erhöhen: Sie maßen einen Verstärkungsfaktor von ungefähr drei. Auch bei einer komplizierteren geometrischen Anordnung, bei dem zwei simulierte Blutgefäße quer zueinander im Raum angeordnet waren, funktionierte die Methode noch. Das Verfahren lässt sich auch in unterschiedlicher Variation einsetzen, was etwa die Positionierung der Kameras betrifft.
Abb. 2: Mit dem Verfahren lassen sich auch verborgene, bewegte Objekte abbilden. Das kleine Bild zeigt das Objekt im Negativ und das mit TRAP gewonnene Bild. (Bild: C. Ma et al. / NPG)
Noch sind allerdings die Geschwindigkeit des Verfahren und damit auch seine möglichen Einsatzfelder durch mehrere Faktoren begrenzt. Rein prinzipiell ist die physikalische Grenze durch die Zeit bestimmt, die das Licht für einen Weg durch die Apparatur braucht. Doch muss man einerseits die externen Lichtfelder schnell genug gewinnen und elektronisch auswerten. Und andererseits sind heutige Flächenlichtmodulatoren noch nicht besonders schnell, weshalb sich die Forscher hier in näherer Zukunft Fortschritte erhoffen.
Wichtige Anwendungen für solche Techniken finden sich insbesondere in der medizinischen Bildgebung und bei verschiedenen Therapieformen. So halten die Wissenschaftler nicht nur klassische Anwendungen wie optisches Tracking oder optische Fallen für mögliche Einsatzfelder von TRAP, sondern auch viele weitere Anwendungen, die mit streuenden Medien zu kämpfen haben, wie etwa photoakustische Tomographien, optogenetische Verfahren und photothermische oder photodynamische Therapien. Insbesondere für die Abbildung und Photoablation von Blutgefäßen in Tumoren scheint sich TRAP anzubieten, da es eine gezielte Fokussierung auf Stellen mit Blutkörperchen erlaubt.
Dirk Eidemüller
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