04.08.2023

Der Gleichklang schwarzer Löcher

Chirps treten bevorzugt in zwei bestimmten Frequenzbereichen auf.

Mit Gravitations­wellendetektoren ist es möglich, das Geräusch hörbar zu machen, das zwei schwarze Löcher beim Verschmelzen erzeugen. Bisher wurden etwa siebzig solcher Geräusche, die Chirps, aufgezeichnet. Ein Forscherteam des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien prog­nostiziert nun, dass in diesem Stimmen­meer die Chirps bevorzugt in zwei bestimmten Frequenz­bereichen auftreten. 

Abb.: Wellen in der Raumzeit um verschmelzende binäre schwarze Löcher in...
Abb.: Wellen in der Raumzeit um verschmelzende binäre schwarze Löcher in einer numerischen Relativitäts­simulation. (Bild: D. Ferguson et al., Georgia Tech / MAYA Col.)

Wenn zwei schwarze Löcher stellarer Masse verschmelzen, senden sie Gravitations­wellen mit ansteigender Frequenz aus, das Chirp-Signal, das auf der Erde hörbar gemacht werden kann. Aus der Beobachtung dieser Frequenz­entwicklung können Forschende auf die Chirp-Masse schließen, die mathematische Kombination der beiden einzelnen Massen der schwarzen Löcher. Bislang nahm man an, dass verschmelzende schwarze Löcher eine beliebige Masse haben können. Neue Computer­modelle legen jedoch nahe, dass einige von ihnen Standard­massen haben, die dann zu universellen Chirps führen. „Die Existenz von universellen Chirp-Massen verrät uns nicht nur, wie schwarze Löcher entstehen", sagt Fabian Schneider vom HITS. „Sie lässt auch Rückschlüsse darauf zu, welche Sterne in Supernovae explodieren.“ Darüber hinaus bietet sie Einblicke in den Supernova-Mechanismus, in mit Unschärfe behaftete Kern- und Sternphysik und ermöglicht es Forschenden, die beschleunigte kosmo­logische Expansion des Universums zu messen.

Stellare schwarze Löcher mit etwa der drei- bis hundert­fachen Masse unserer Sonne sind die Endpunkte von massereichen Sternen, die nicht in Supernovae explodieren, sondern zu schwarzen Löchern kolla­bieren. Deren Vorläufer, die zu Verschmelzungen führen, entstehen ursprünglich in Doppelstern­systemen und erleben mehrere Episoden des Massenaustauschs zwischen den Komponenten. Beide stammen von Sternen, die ihre Hülle verloren haben. „Der Verlust der Hülle hat gravierende Folgen für das Schicksal der Sterne. Es erleichtert zum Beispiel die Explosion in einer Supernova und führt zu universellen Massen von schwarzen Löchern, wie sie unsere Simulationen jetzt vorhersagen", sagt Philipp Podsiad­lowski von der Universität Oxford. 

Der „stellare Friedhof" – eine Sammlung aller bekannten Massen der Überreste von massereichen Sternen wie Neutronen­sternen und schwarzen Löchern – wächst rasch an, weil die Gravi­tationswellen­detektoren zunehmend empfindlicher werden und weil auch an anderen Observatorien weiter nach solchen Objekten gesucht wird. Dabei scheint es eine Lücke in der Verteilung der Chirp-Massen bei verschmelzenden binären schwarzen Löchern zu geben, und es gibt Hinweise, dass besonders viele Verschmelzungen mit acht und vierzehn Sonnen­massen auftreten. Diese Merkmale entsprechen den nun vorher­gesagten universellen Chirps. „Jede Auffälligkeit in der Verteilung der Massen von schwarzen Löchern und Chirps verrät uns viel darüber, wie sich diese Objekte gebildet haben", sagt Eva Laplace.

Seitdem die Verschmelzung von schwarzen Löchern zum ersten Mal beobachtet wurde, hat sich herausgestellt, dass es noch wesentlich massereichere gibt als die in unserer Milchstraße. Dies liegt daran, dass sie von Sternen stammen, deren chemische Zusammen­setzung sich von der in unserer Galaxie unterscheidet. Sterne, die in engen Doppelstern­systemen ihre Hülle verlieren, bilden – unabhängig von ihrer chemischen Zusammen­setzung – schwarze Löcher von weniger als neun und mehr als sechszehn Sonnenmassen, aber fast keine dazwischen. Beim Verschmelzen implizieren die universellen Massen der schwarzen Löcher von etwa neun und sechszehn Sonnenmassen logischer­weise universelle Chirp-Massen, also universelle Töne.

„Bei der Aktualisierung meiner Vorlesung über Gravitations­wellen­astronomie fiel mir auf, dass an den Obser­vatorien für Gravitations­wellen erste Hinweise auf ein Fehlen beziehungs­weise eine Häufung von Chirp-Massen festgestellt wurden. Und zwar genau bei den in unseren Modellen vorher­gesagten universellen Massen", sagt Fabian Schneider. „Da die Zahl der beobachteten Verschmelzungen von schwarzen Löchern bislang recht gering ist, muss sich erst noch herausstellen, ob dieses Signal in den Daten nur statistischer Zufall ist.“ Wie auch immer das Ergebnis künftiger Gravitations­wellen­beobachtungen ausfallen wird: Die Ergebnisse werden Forschenden helfen, besser zu verstehen, woher die singenden schwarzen Löcher in diesem Stimmenmeer kommen.

HITS / JOL

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