06.04.2022

Der innere Ring der Milchstraße

Neue Struktur aus metallreichen Sternen entdeckt.

Mit Hilfe einer Kombination aus Beobachtungs­daten von Sternen und einem realistischen Modell der Milchstraße haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für extra­terrestrische Physik eine neue Struktur in unserer Heimatgalaxie gefunden. Direkt außerhalb des galaktischen Balkens befindet sich ein innerer Ring aus metallreichen Sternen, die jünger sind als die Sterne im Balken. Anhand dieses Alters­unterschieds zwischen dem Balken und den Ringsternen lässt sich abschätzen, dass sich der Balken vor mindestens sieben Milliarden Jahren gebildet haben muss. Die Existenz des Rings macht es wahr­scheinlich, dass Sternbildung aus ein­strömendem Gas eine wesentliche Rolle in dieser frühen Phase der Milchstraße spielte.

Abb.: Metallizitäts­karte der inneren Milchstraße, die auf den in dieser...
Abb.: Metallizitäts­karte der inneren Milchstraße, die auf den in dieser Studie berechneten Bahn­daten basiert. Der rote Stern markiert die Position der Sonne, während die weiß-gestrichelten Linien verschiedene Sicht­linien markieren. (Bild: MPE)

Die Struktur unserer eigenen Galaxie zu verstehen wird dadurch kompliziert, dass wir uns in der Nähe eines ihrer Spiralarme in der Scheibenebene befinden. In viele Richtungen sind die Sterne durch dichte Gas- und Staubwolken verdunkelt. Dies gilt ins­besondere für das Zentrum der Milchstraße, so dass die innere Struktur der Milchstraße besonders schwer zu analysieren ist. Dennoch ist es den Wissen­schaftlern in den letzten zehn Jahren gelungen, Daten aus verschiedenen Beobachtungs­kampagnen mit ausgefeilten Computer­simulationen zu kombinieren, um ein realistisches Modell der inneren Milchstraße zu erstellen: einen langsam rotierenden Balken mit einem Bulge, der eine erdnuss­artige Form hat.

Kürzlich durchgeführte Himmelsdurch­musterungen haben eine Fülle neuer Daten für das Innere der Milchstraße geliefert. APOGEE ist eine groß angelegte spektro­skopische Durch­musterung von Sternen im nahen Infrarot­bereich. Im Gegensatz zu optischem Licht kann infrarotes Licht den Staub leichter durchdringen, so dass APOGEE Sterne in den staubigen Regionen der Milchstraße, wie der Scheibe und dem Bulge, aufspüren kann. Durch Analyse der Spektren können nicht nur Element­häufigkeiten der Sterne bestimmt werden, sondern auch ihre Sichtlinien­geschwindig­keiten und ihr ungefähres Alter. Darüber hinaus werden im Rahmen der ehrgeizigen Gaia-Mission mehr als eine Milliarde Sterne kartiert, um deren Positionen und Eigen­bewegungen zu messen. Zusammen liefern beide Durch­musterungen alle notwendigen Beobachtungs­daten, um Umlaufbahnen für Sterne in der inneren Milchstraße zu bestimmen. Das einzige, was noch benötigt wird, ist ein realistisches Gravitations­potential der Milchstraße, um die Sternbahnen zu integrieren. Dieses erhält man aus einem dynamischen Modell für die innere Milchstraße.

„Wir haben mehr als 30.000 Sterne aus der APOGEE-Durch­musterung mit zusätzlichen Daten von Gaia in einem Milchstraßen-Balken­potential integriert, um die vollständigen Umlauf­bahnen dieser Sterne zu erhalten“, sagt Doktorandin Shola M. Wylie. „Mit diesen Bahnen können wir dann effektiv sogar hinter den galaktischen Bulge sowie in andere Regionen sehen, die von den Durch­musterungen selbst nicht erfasst werden.“ Die Wissen­schaftler nutzten dann diese Bahnen, um Karten der Dichte, der Metallizität und des Alters der Sterne in der inneren Milchstraße zu erstellen

„Um den zentralen Balken herum finden wir eine ausgedehnte innere Ringstruktur, die metall­reicher ist als der Balken und in der die Sterne jünger sind, um die sieben Milliarden Jahre alt“, fährt sie fort. Während sternbildende innere Ringe in anderen Scheiben­galaxien nachgewiesen sind, war es nicht bekannt, dass unsere Heimatgalaxie einen Ring von alten Sternen aufweist. Um Sterne in den Ring- und Balken­strukturen zu unterscheiden, nutzten die Wissenschaftler die Exzentrizität der Umlauf­bahnen, also ein Maß dafür wie stark die Umlaufbahn von einem Kreis abweicht. Sie stellten nicht nur fest, dass die Sterne im Ring jünger und metall­reicher sind als die Sterne im Balken, sondern auch, dass diese Sterne stärker auf die Scheibenebene konzentriert sind.

„Sterne in diesem Ring müssen sich weiter aus einströmendem Gas gebildet haben, auch nachdem der Balken schon gebildet war“ erklärt Ortwin Gerhard von der MPE-Dynamik­gruppe. Daher kann das Alter der Sterne im inneren Ring außerdem dazu genutzt werden, die Entstehungs­geschichte der Milchstraße zurück­zudatieren: Die Wissenschaftler schätzen ab, dass sich der Galaktische Balken vor mindestens sieben Milliarden Jahren gebildet hat. Noch unklar ist, ob es eine Verbindung zwischen dem neu entdeckten inneren Ring und den Spiralarmen der Milchstraße gibt und ob derzeit Gas aus den Spiralarmen in einen stern­bildenden inneren Gasring transportiert wird, wie er in anderen Spiral­galaxien beobachtet wird. Um den Übergang vom Ring zur umgebenden Scheibe besser zu verstehen, sind weitere Arbeiten notwendig, die erweiterte Modelle und zusätzliche Daten erfordern.

MPE / JOL

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