10.02.2015

Der Lenz hinter der Regel

Vor 150 Jahren starb der Physiker Emil Lenz, der besonders für Arbeiten zur elektromagnetischen Induktion bekannt ist.

Heinrich Friedrich Emil Lenz (1804 – 1865)

Die wissenschaftliche Karriere von Emil Lenz war eigentlich zu Ende, bevor sie richtig begonnen hatte. Mit 17 Jahren befand er sich zwar im ersten Jahr seines Physikstudiums in seiner Heimatstadt Dorpat, aber mit dem Tod seines Onkels Johann Giese, Chemieprofessor an der dortigen Universität, verlor die Familie auch die finanzielle Unterstützung. Emil sattelte auf Theologie um, weil das Fach bessere Verdienstmöglichkeiten versprach.

Dorpat (heute Tartu in Estland) gehörte 1804, dem Geburtsjahr von Emil Lenz, zum russischen Zarenreich, war aber weitgehend deutschsprachig. Sein Vater war Chefsekretär des Bürgermeisters. Als Emil 1820 seine Schulausbildung mit Schwerpunkt in Mathematik und Physik als Klassenbester abschloss, ermutigte ihn der Onkel zum Studium. In Dorpat war die einzige deutschsprachige Universität des Zarenreiches, und als solche vermittelte sie zwischen der deutschen und der russischen Kultur. Emil Lenz begann sein Studium im Januar 1821 unter der Anleitung seines Onkels und Georg Friedrich Parrots, eines Physikers und Mathematikers.

Parrot, der nach dem Tod des Onkels sein Mentor wurde, ermunterte Emil Lenz nach anderthalb Jahren Theologie-Studium, seine physikalischen Studien fortzusetzen, indem er ihm den Kontakt zu dem russischen Marineoffizier und Forschungsreisenden Otto von Kotzebue vermittelte. Emil sollte diesen als Geophysiker auf seiner dritten Expedition in den Pazifik begleiten, zusammen mit dem Astronomen Ernst Wilhelm Preuß, dem Mineralogen Ernst Hofmann und dem Naturforscher Johann Friedrich von Eschscholtz, der Kotzebue bereits auf seiner zweiten Weltreise begleitet hatte.

Durch die Forschungsreise bekam Emil Lenz von 1823 bis 1826 die weite Welt zu sehen, sie führte ihn von Kronstadt nach Rio de Janeiro, Cap Horn, Kamtschatka, Sibirien, San Francisco, Hawaii, Java, zum Kap der guten Hoffnung, St. Helena und Plymouth an der US-amerikanischen Ostküste. Von dort ging es wieder zurück nach Kronstadt. Lenz führte während dieser Reise Luftdruckmessungen durch und untersuchte den Salzgehalt, die Temperatur und das spezifische Gewicht des Ozeans. 1826 zurückgekehrt nach Dorpat studierte er dort bis Ende des Jahres Chemie bei Gottfried Wilhelm Osann. Nachdem er bereits im Juli 1826 zum Ritter des russischen Sankt-Wladimir-Ordens ernannt worden war, ging er im Januar 1827 nach Sankt. Petersburg, um dort seinen Reisebericht niederzuschreiben, den er im November 1829 der Akademie vorlegte.

Im gleichen Jahr ging er erneut auf eine Expedition: Er reiste in den Kaukasus, um dort am höchsten Berg, dem Elbrus, magnetische, barometrische und Messungen der Gravitation auszuführen. In Nikolaiev in der Ukraine folgten geophysikalische und astronomische Beobachtungen. Im Sommer 1830 heiratete er Anna von Helmersen, mit der er sechs Kinder haben sollte, von denen vier das Erwachsenenalter erreichten. Sein ältester Sohn Robert wurde später Physikprofessor in Sankt Petersburg.

Die Lenzsche Regel
Ab 1831 beschäftigte sich Emil Lenz mit dem Elektromagnetismus – zur gleichen Zeit wie sein englischer Kollege Michael Faraday, der Ende 1831 in der Royal Society über die Entdeckung des Induktionsstroms durch ein zeitlich veränderliches Magnetfeld berichtete. Faraday publizierte darüber allerdings erst im Mai 1832 in den „Philosophical Transactions“. Dass Magnetfelder Strom erzeugen konnten, erregte großes, auch öffentliches Aufsehen. Im Gegensatz zu dem eher intuitiven Vorgehen von Faraday untersuchte Lenz die Zusammenhänge systematisch: er variierte die Zahl der Windungen in den Spulen, veränderte den Durchmesser und experimentierte mit unterschiedlichen Materialien. 1833 formulierte er schließlich die nach ihm benannte „Lenzsche Regel“, die besagt, dass die Richtung des Induktionsstroms der Ursache seiner Entstehung entgegen wirkt.

Im gleichen Jahr beobachtete Lenz auch die Zunahme des elektrischen Widerstands mit steigender Temperatur. Darüber berichtete er im Juni 1833 der Russischen Akademie, die ihn ein Jahr später zum ordentlichen Mitglied wählte. Im Januar 1835 wurde er Physikprofessor an der Michael-Artillerie-Schule in Sankt Petersburg. Ein Jahr später ernannte man ihn schließlich zum Professor für Physik und Geophysik an der Universität von Sankt Petersburg.

Lenz blieb der Erforschung elektrischer Phänomene treu. 1838 untersuchte er den thermoelektrischen Peltier-Effekt. Vier Jahre zuvor hatte Jean Charles Peltier eine Wärmeentwicklung an der Übergangsstelle von zwei verschiedenen, stromdurchflossenen Leitern beobachtet. Lenz konnte zeigen, dass die Wärme in Richtung des Stromflusses freigesetzt oder absorbiert wird. Ein Jahr später entwickelte er mit seinem Landsmann Moritz von Jacobi eine Technik zur galvanischen Abscheidung von Metallen. Sein Ruf als Experimentalphysiker drang dabei bis an den Zarenhof. Im September 1840 erwählte man ihn zum Physik- und Mathematik-Lehrer des Prinzen Konstantin und der Prinzessinnen Olga und Alexandra. 1848 nahm man ihn erneut als Lehrer der Prinzen in der Kaiserlichen Familie in Anspruch.

In den 1840er-Jahren hatte Emil Lenz den Höhepunkt seiner akademischen Laufbahn erreicht. Er erhielt zahlreiche Ehrungen, etwa den Ehrendoktor an der Universität Helsinki und die Ehrenmitgliedschaft im Physikalischen Verein in Frankfurt. 1850 wurde er Staatsrat und übernahm für mehrere Monate die Leitung der Sankt Petersburger Universität. 1853 wählte ihn die Berliner Akademie der Wissenschaften zum korrespondierenden Mitglied. Lenz erhielt auch zahlreiche Orden, von denen das Großkreuz des Sankt Annen Ordens der Bedeutendste ist. Im Oktober 1865 reiste Lenz nach Rom, um dort seine chronischen Augenprobleme behandeln zu lassen. Dort starb er am 10. Februar 1865 infolge eines Schlaganfalls.

Anne Hardy

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