15.07.2020 • AstrophysikPlanetenforschung

Der Mond ist etwas jünger

Neues Computermodell berücksichtigt erstmals umfassend die Vorgänge bei der Kristallisation des Magmaozeans.

Die Geburtsstunde des Mondes schlug etwas später als bisher vermutet: vor 4,425 Milliarden Jahren. Das zeigt die Rekonstruk­tion der Mond­entstehung mit einem numerischen Modell durch Planetengeophysiker um Maxime Maurice vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und der Uni Münster. Die bisherigen Annahmen für die Entstehung des Mondes gingen von 4,51 Milliarden Jahren aus, also 85 Millionen Jahre früher als jetzt berechnet.

Abb.: Magmaozean und erste Gesteinskruste auf dem Mond. (Bild: GSFC, NASA)
Abb.: Magmaozean und erste Gesteinskruste auf dem Mond. (Bild: GSFC, NASA)

„Das Ergebnis unserer Modellierungen legt nahe, dass die junge Erde rund 140 Millionen Jahre nach der Geburt des Sonnen­systems vor 4,567 Milliarden Jahren von einem Proto­planeten getroffen wurde. Das geschah nach unseren Berech­nungen vor 4,425 Milliarden Jahren – mit einer Unsicher­heit von 25 Millionen Jahren“, fasst Maurice die Unter­suchungen zusammen. Die Entwicklung der Erde zu einem Planeten war zu diesem Zeitpunkt gerade abgeschlossen. In deren Verlauf sanken im Inneren der Erde die schweren, metallischen Bestand­teile ins Zentrum und bildeten einen Kern aus Eisen und Nickel, der nun von einem mächtigen Mantel aus silika­tischen Gesteinen umgeben war. Die Mantel­gesteine wurden durch Akkretion und der Wärme aus dem Zerfall radio­aktiver Elemente immer heißer, so dass eine Trennung von Metall und Silikat im Inneren der Erde inner­halb von einigen Zehn­millionen Jahren statt­finden konnte.

In diesem Stadium wurde die Erde von einem etwa mars­großen Proto­planeten getroffen, der unter dem Namen Theia in der Sonnen­system­forschung kursiert. In der Frühzeit des Sonnen­systems dürften zahl­reiche Körper dieser Art existiert haben: Zum Teil wurden sie aus dem Sonnen­system hinaus­geschleudert, oder aber sie wurden durch Kolli­sionen mit anderen Körpern zerstört. Theia traf die Erde und schleuderte so viel Material aus dem Erdmantel, dass sich daraus der Mond formen konnte. Bei diesem heftigen Aufprall bildete sich auf der frühen Erde ein Magma­ozean aus glühend heißem, geschmolzenen Gestein von mehreren tausend Kilometern Tiefe. Von Theia gibt es nach dieser gewaltigen Kollision heute keine Spuren mehr, die man nach­weisen könnte.

Die Kollision der beiden Körper verdampfte mit ihrer gewaltigen Energie eine riesige Menge an Gestein aus dem frühen Erdmantel. Es wurde heraus­geschleudert und sammelte sich in einem Ring aus Staub um die Erde, ehe es sich dort wieder zu Gestein zusammen­ballte. „Daraus entstand in kurzer Zeit, in vermutlich nur wenigen Tausend Jahren, der Mond“, erklärt die an dem Projekt beteiligte Forscherin Doris Breuer vom DLR.

Über diese Entstehungs­geschichte herrscht unter Wissen­schaftlern weit­gehend Einigkeit. Doch ließ sich bis jetzt die Entstehung des Mondes nicht genau datieren, da es keine von den Astro­nauten der sechs Apollo-Missionen und den drei robotischen sowjetischen Luna-Missionen zur Erde gebrachten Mond­gesteine gibt, die das Entstehungs­alter des Erd­trabanten direkt konservieren. Mithilfe einer neuen, indirekten Methode haben die Forscher vom DLR und der Uni Münster jetzt rekonstruiert, wann genau der Mond entstanden ist.

Abb.: Anatomie des frühen Mondes. (Bild: M. Maurice, DLR)
Abb.: Anatomie des frühen Mondes. (Bild: M. Maurice, DLR)

Auch auf dem jungen Mond konnte sich durch Akkretions­energie ein Magma­ozean entwickeln. Der Mond schmolz fast voll­ständig auf und wurde, wie auch die Erde, von einem möglicher­weise über tausend Kilometer tiefen Magma­ozean bedeckt. Dieser Magma­ozean begann zwar schnell zu kristal­lisieren und bildete an der Ober­fläche, eine Mond­kruste aus auf­schwim­menden leichten Kristallen. Aber unter dieser isolie­renden Kruste, die das weitere Abkühlen und Aus­kristal­li­sieren des Magma­ozeans bremste, blieb der Mond noch lange geschmolzen. Bisher konnten Wissen­schaftler nicht fest­stellen, wie lange es dauerte, bis der Magma­ozean voll­ständig kristal­li­siert war – weshalb sie auch nicht aus­machen konnten, wann sich der Mond ursprüng­lich bildete.

Für die Berechnung der Lebens­dauer des Magma­ozeans des Mondes verwendeten die Wissen­schaftler in ihrer aktuellen Studie ein neues Computer­odell, das erst­mals die Vorgänge bei der Kristal­li­sation des Magma­ozeans umfassend berück­sichtigte. „Die Ergebnisse des Modells zeigen, dass der Magma­ozean des Mondes lang­lebig war und es fast 200 Millionen Jahre dauerte, bis er voll­ständig zu Mantel­gestein aus­kristal­li­sierte“, sagt Maurice. Diese Zeit­skala ist viel länger als in früheren Studien berechnet. Ältere Modelle gingen von einer Kristal­li­sations­dauer von nur 35 Millionen Jahre aus.

Um das Alter des Mondes zu bestimmen, mussten die Wissen­schaftler noch einen Schritt weiter gehen. Sie berechneten, wie sich die Zusammen­setzung der magnesium- und eisen­reichen Silikat­mineralien, die sich während der Kristal­li­sation des Magma­ozeans bildeten, mit der Zeit veränderte. Die Forscher stellten eine kontinu­ier­liche Veränderung der Beschaffen­heit des verbleibenden Magma­ozeans im Laufe der fort­schreitenden Kristal­li­sation fest. Diese Erkenntnis ist von Bedeutung, da die Forscher so die Bildung verschiedener Gesteine vom Mond mit einem bestimmten Stadium in der Entwick­lung seines Magma­ozeans in Verbindung bringen konnten. Durch den Vergleich der gemessenen Zusammen­setzung der Mond­gesteine mit der vorher­gesagten Zusammen­setzung des Magma­ozean aus unserem Modell konnten sie so die Entwicklung des Ozeans bis zu seinem Ausgangs­punkt, dem Entstehungs­alter des Mondes, zurück­ver­folgen.

Das so bestimmte Alter des Mondes stimmt bemerkens­wert gut mit einem zuvor aus dem Verhältnis von irdischen Uran- und Blei­isotopen bestimmten Alter für die Bildung des metal­lischen Erdkerns überein, mit dem die Entstehung des Planeten Erde ihren Abschluss fand. „Es ist das erste Mal, dass das Alter des Mondes direkt mit einem Ereignis in Verbindung gebracht werden kann, das ganz am Ende der Erdent­stehung passierte, nämlich der Entstehung des Kerns der Erde“, betont Thorsten Kleine von der Uni Münster.

DLR / RK

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