Der Mond zeigt seinen Mantel
Chinesischer Mondrover Yutu-2 findet Mantelmaterial in großem Kraterbecken.
Ähnlich wie andere Himmelskörper besitzt auch der Mond einen Kern, einen Mantel und eine Kruste. Da er im Gegensatz zur Erde schnell ausgekühlt ist, weist er jedoch keine Plattentektonik auf, die die Zusammensetzung seiner Gesteinsschichten hätte verändern können. Ein gutes Verständnis der Mondgeologie liefert deshalb auch für die anderen Himmelskörper in unserem Sonnensystem wertvolle Einsichten. In seiner frühen Phase muss auch unser Trabant einst ein glühend heißer Himmelskörper gewesen sein, der von einem flüssigen Magmaozean bedeckt war. Während dieser Zeit bestand die Oberfläche des Mondes großteils oder ganz aus geschmolzenem Gestein, bevor sich dann beim Abkühlen verschiedene Mineralarten bildeten. Beim langsamen Erstarren der Magmaozeane setzten sich die schwereren, eisenhaltigen Gesteine zuerst ab, während leichtere Minerale wie etwa aluminiumhaltige Plagioklase aufschwammen und sich schließlich an der Oberfläche ablagerten.
Diese Prozesse führten zu einer Stratifizierung der Mondschichten, die bislang aber nur teilweise verstanden ist. Zwar haben sowohl die Astronauten der amerikanischen Apollo-Missionen als auch die ferngesteuerten Rover des sowjetischen Luna-Programms Gesteinsproben von der Mondkruste zurück auf die Erde gebracht. Aber in beiden Fällen war es nicht gelungen, Material aus den tiefer gelegenen Schichten des Mantels zu bergen. Sowohl das Apollo- als auch das Luna-Programm haben sich auf der Vorderseite des Mondes abgespielt. Der chinesische Mondlander Chang'e-4 mit seinem Rover Yutu-2 („Jadehase 2“) befindet sich nun seit Anfang dieses Jahres auf der Rückseite des Mondes in einer geologisch besonders interessanten Formation: Das Südpol-Aitken-Becken ist nicht nur das größte Kraterbecken auf unserem Trabanten, sondern das größte bekannte im ganzen Sonnensystem.
Das Südpol-Aitken-Becken weist einen Durchmesser von etwa 2500 Kilometern auf und ist rund zwölf Kilometer tief. Wie Modellierungen zeigen, kann ein Einschlag, der einen derart weitreichendes Kraterbecken erzeugt, bis zu mehreren hundert Kilometer tief ins Gestein eindringen und dabei Material aus dem Mantel an die Oberfläche befördern. Mittlerweile ist das Südpol-Aitken-Becken von anderen, späteren Einschlägen überformt. Dazu gehören die Krater Von Kármán und Leibnitz mit rund 200 Kilometern Durchmesser sowie der nordwestlich der Landestelle gelegene, jüngere Finsen-Krater mit 72 Kilometern Durchmesser. Dieses Gelände hat die chinesische Weltraumagentur als Landestelle ausgewählt, weil der ebene Boden des Von Kármán-Kraters eine sichere Landung gewährleistet, während das rundherum in der Gegend verstreute Auswurfmaterial vom Finsen-Krater die Gelegenheit bot, mögliche Mantelmineralien mit Hilfe des Rovers unter die Lupe zu nehmen.
Der 140 Kilogramm schwere Rover Yutu-2 hat bislang rund 200 Meter in diesem anspruchsvollen Gelände zurückgelegt, wobei er größere Felsbrocken mit Hilfe eines automatischen Ausweichmechanismus umfährt. Bei seinen spektroskopischen Gesteinsuntersuchungen mit dem Visible und Near-Infrared Imaging Spectrometer (VNIS) hat er nun zwei Mineralarten identifiziert, die vermutlich aus dem Mantel stammen: Olivin und kalziumarme Pyroxene. Wenn diese Befunde richtig sind, dann dürfte der obere Mondmantel zum großen Teil aus diesen beiden Gesteinsarten bestehen.
Nach Ansicht der Wissenschaftler ist das wahrscheinlichste Szenario hinter diesem Fund, dass der Südpol-Aitken-Einschlag zunächst Material aus dem oberen Teil des Mondmantels in die Nähe der Oberfläche befördert hat, bevor dieses dann vom Finsen-Einschlag in der Region verteilt wurde. Allerdings lassen sich mit diesen Analysen anderartige Zusammensetzungen nicht völlig ausschließen. Da die spektrale Analyse derartiger Mineralien komplex ist, lässt sich der relative Anteil anderer Gesteinsarten in diesen Proben nur schwer abschätzen. Wie Patrick Pinet vom Institut de Recherche en Astrophysique et Planétologie in Toulouse in einem unabhängigen Kommentar darlegt, könnten sich die Mengenverhältnisse der verschiedenen Minerale im Mondmantel noch etwas anders darstellen, als es diese ersten Beobachtungen nahelegen.
Für künftige Mondmissionen sind das jedenfalls interessante Neuigkeiten. Seltenes Mantelmaterial bietet sich für eine Probenrückführung an, um die Eigenschaften dieses alten Gesteins mit den umfangreichen Möglichkeiten irdischer Labore untersuchen zu können. Die Nachfolgemission Chang'e-5 soll Chinas erste Mondmission mit Probenrückführung sein. Diese zielt allerdings mit dem Oceanus Procellarum auf die Mondvorderseite. Das Südpol-Aitken-Becken dürfte jedoch bei künftigen Missionen weit vorne auf der Wunschliste vieler Forscher stehen.
Dirk Eidemüller
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- Originalveröffentlichung
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National Astronomical Observatories of China, Chinese Academy of Science
JOL