15.05.2019

Der Mond zeigt seinen Mantel

Chinesischer Mondrover Yutu-2 findet Mantelmaterial in großem Kraterbecken.

Ähnlich wie andere Himmelskörper besitzt auch der Mond einen Kern, einen Mantel und eine Kruste. Da er im Gegensatz zur Erde schnell ausgekühlt ist, weist er jedoch keine Platten­tektonik auf, die die Zusammensetzung seiner Gesteins­schichten hätte verändern können. Ein gutes Verständnis der Mondgeologie liefert deshalb auch für die anderen Himmels­körper in unserem Sonnensystem wertvolle Einsichten. In seiner frühen Phase muss auch unser Trabant einst ein glühend heißer Himmelskörper gewesen sein, der von einem flüssigen Magmaozean bedeckt war. Während dieser Zeit bestand die Oberfläche des Mondes großteils oder ganz aus geschmolzenem Gestein, bevor sich dann beim Abkühlen verschiedene Mineral­arten bildeten. Beim langsamen Erstarren der Magmaozeane setzten sich die schwereren, eisenhaltigen Gesteine zuerst ab, während leichtere Minerale wie etwa aluminium­haltige Plagioklase aufschwammen und sich schließlich an der Oberfläche ablagerten.

Abb.: Dem Lunar Reconnaissance Orbiter ist es gelungen, den chinesischen Lander...
Abb.: Dem Lunar Reconnaissance Orbiter ist es gelungen, den chinesischen Lander Chang'e-4 und den Rover Yutu-2 auf der Mondoberfläche abzulichten. (Bild: NASA / GSFC / Arizona State U.)

Diese Prozesse führten zu einer Strati­fizierung der Mond­schichten, die bislang aber nur teilweise verstanden ist. Zwar haben sowohl die Astronauten der ameri­kanischen Apollo-Missionen als auch die fern­gesteuerten Rover des sowjetischen Luna-Programms Gesteinsproben von der Mondkruste zurück auf die Erde gebracht. Aber in beiden Fällen war es nicht gelungen, Material aus den tiefer gelegenen Schichten des Mantels zu bergen. Sowohl das Apollo- als auch das Luna-Programm haben sich auf der Vorderseite des Mondes abgespielt. Der chinesische Mondlander Chang'e-4 mit seinem Rover Yutu-2 („Jadehase 2“) befindet sich nun seit Anfang dieses Jahres auf der Rückseite des Mondes in einer geologisch besonders interes­santen Formation: Das Südpol-Aitken-Becken ist nicht nur das größte Kraterbecken auf unserem Trabanten, sondern das größte bekannte im ganzen Sonnensystem. 

Das Südpol-Aitken-Becken weist einen Durchmesser von etwa 2500 Kilometern auf und ist rund zwölf Kilometer tief. Wie Modellierungen zeigen, kann ein Einschlag, der einen derart weit­reichendes Kraterbecken erzeugt, bis zu mehreren hundert Kilometer tief ins Gestein eindringen und dabei Material aus dem Mantel an die Oberfläche befördern. Mittler­weile ist das Südpol-Aitken-Becken von anderen, späteren Einschlägen überformt. Dazu gehören die Krater Von Kármán und Leibnitz mit rund 200 Kilometern Durchmesser sowie der nordwestlich der Landestelle gelegene, jüngere Finsen-Krater mit 72 Kilometern Durchmesser. Dieses Gelände hat die chinesische Weltraum­agentur als Landestelle ausgewählt, weil der ebene Boden des Von Kármán-Kraters eine sichere Landung gewährleistet, während das rundherum in der Gegend verstreute Auswurf­material vom Finsen-Krater die Gelegenheit bot, mögliche Mantel­mineralien mit Hilfe des Rovers unter die Lupe zu nehmen.

Der 140 Kilogramm schwere Rover Yutu-2 hat bislang rund 200 Meter in diesem anspruchs­vollen Gelände zurückgelegt, wobei er größere Felsbrocken mit Hilfe eines automatischen Ausweich­mechanismus umfährt. Bei seinen spektro­skopischen Gesteins­untersuchungen mit dem Visible und Near-Infrared Imaging Spectrometer (VNIS) hat er nun zwei Mineralarten identifiziert, die vermutlich aus dem Mantel stammen: Olivin und kalziumarme Pyroxene. Wenn diese Befunde richtig sind, dann dürfte der obere Mondmantel zum großen Teil aus diesen beiden Gesteins­arten bestehen.

Nach Ansicht der Wissen­schaftler ist das wahrschein­lichste Szenario hinter diesem Fund, dass der Südpol-Aitken-Einschlag zunächst Material aus dem oberen Teil des Mondmantels in die Nähe der Oberfläche befördert hat, bevor dieses dann vom Finsen-Einschlag in der Region verteilt wurde. Allerdings lassen sich mit diesen Analysen anderartige Zusammen­setzungen nicht völlig ausschließen. Da die spektrale Analyse derartiger Mineralien komplex ist, lässt sich der relative Anteil anderer Gesteinsarten in diesen Proben nur schwer abschätzen. Wie Patrick Pinet vom Institut de Recherche en Astrophysique et Planétologie in Toulouse in einem unabhängigen Kommentar darlegt, könnten sich die Mengen­verhältnisse der verschiedenen Minerale im Mondmantel noch etwas anders darstellen, als es diese ersten Beobachtungen nahelegen.

Für künftige Mond­missionen sind das jedenfalls interessante Neuigkeiten. Seltenes Mantelmaterial bietet sich für eine Proben­rückführung an, um die Eigenschaften dieses alten Gesteins mit den umfangreichen Möglichkeiten irdischer Labore untersuchen zu können. Die Nachfolge­mission Chang'e-5 soll Chinas erste Mondmission mit Proben­rückführung sein. Diese zielt allerdings mit dem Oceanus Procellarum auf die Mond­vorderseite. Das Südpol-Aitken-Becken dürfte jedoch bei künftigen Missionen weit vorne auf der Wunschliste vieler Forscher stehen. 

Dirk Eidemüller

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