11.08.2016

Der Schatz in der Tiefsee

Zeitlich gut datierbare Mikrofossilien speichern Supernova-Überreste.

Wenn massereiche Sterne, die mehr als die zehnfache Masse unserer Sonne besitzen, ihren Brennstoff­vorrat verbraucht haben, kollabieren sie unter ihrer Schwerkraft und enden in einer so genannten Kern­kollaps-Supernova. Dabei schleudern sie mit großer Energie Materie in ihre Umgebung. Wenn eine solche Stern­explosion sich in ausreichender Nähe zum Sonnensystem ereignet, sollte sie daher auf der Erde Spuren von bestimmten radioaktiven Elementen hinterlassen.

Abb.: Von einer Kernkollaps-Supernova (Mitte, hier: Cassiopeia A) stammen die Fe-60-Anlagerungen, die in Mikrofossilen in Bohrkernen des Pazifischen Ozeans gefunden wurden (rechts, mit Pfeil markiert). Die Mikrofossile (links, in einer TEM-Aufnahme) wurden am Tandem-Beschleuniger in Garching (oben) auf ihren Supernova-Eisengehalt untersucht. (Bild: NASA / CXC / SAO / TUM)

Unter den Elementarten, die in solchen massereichen Sternen produziert werden, spielt das Radioisotop Eisen-60 eine besondere Rolle, denn dieses kommt auf der Erde natürlicherweise nicht vor. Bei Fe-60, das auf der Erde gefunden wird, handelt es sich daher um Stern­explosions-Material, verursacht durch eine Supernova, die in der Nähe unseres Sonnen­systems stattgefunden hat.

Eine erhöhte Eisen-60-Konzentration haben Forscher bereits in früheren Untersuchungen in Proben einer etwa zwei Millionen Jahre alten Eisen-Mangan-Tiefsee­kruste aus dem Pazifischen Ozean festgestellt. Außerdem entdeckten Wissenschaftler der TU München erst kürzlich Supernova-Eisen in Proben von Mond-Gestein. Beide Funde werden einer Supernova zugeschrieben. Der Zeit­verlauf der Anlagerungen ließ sich bisher allerdings nicht genau analysieren, weil die untersuchte Eisen-Mangan-Tiefseekruste sehr langsam anwächst. Mond-Material wiederum lässt sich zeitlich nicht einordnen, weil dort aufgrund der fehlenden Atmosphäre keine Sedimentation stattfindet.

Nun ist es Physikern um Shawn Bishop, Professor für Nukleare Astro­physik an der TU München, zum ersten Mal gelungen, den zeitlichen Verlauf der Supernova-Anlagerungen anhand von Mikro­fossilen in zwei Bohrproben aus dem Pazifischen Ozean befanden zu verfolgen. Die Forscher konnten zeigen, dass in ihren Proben vor rund 2,7 Millionen Jahren erstmals Supernova-Eisen nachweisbar ist. Die erhöhte Fe-60-Konzentration erreichte vor rund 2,2 Millionen Jahren ihren höchsten Wert und verschwand vor rund 1,5 Millionen Jahren wieder.

„Offenbar ist unser Sonnensystem für die Dauer von gut einer Million Jahre durch ein Gebiet mit Stern­explosions-Resten gezogen und hat während dieser Phase das Eisen-60 eingesammelt", sagt Bishop, der auch Wissenschaftler des Exzellenzclusters Universe ist.

Um die zeitliche Struktur der Fe-60-Einträge so genau bestimmen zu können, benötigten die Forscher geologische Proben von besonderer Güte: Das Gesteins­material muss Schichten besitzen, die sich besonders gut voneinander abheben. Außerdem muss darin besonders viel Eisen-60 gespeichert und bewahrt worden sein, so dass es heute – abgesehen vom radioaktiven Zerfall des Fe-60 – noch nahezu so vorzufinden ist, wie zum Zeitpunkt des Eintrags auf der Erde.

Diese Bedingungen sind in den Meeressedimenten gegeben, die in dieser Untersuchung benutzt wurden. Zum Zeitpunkt der Anlagerung haben im Ozeansediment lebende, eisen­liebende Bakterien das Fe-60 in Ketten von Magnetit-Nano­kristallen eingebaut. Nach dem Zelltod der Bakterien sind diese zu Mikro­fossilen versteinert. Die Sedimente sind mit einer sehr langsamen Sedimentations­rate gewachsen und haben auf diese Weise den zeitlichen Verlauf des Supernova-Signals gespeichert.

„Dennoch ist auch in diesen Magnetit-Kristallen die Fe-60-Konzentration so gering, dass sie nur mit Hilfe der ultrasensitiven Beschleuniger-Massen­spektroskopie überhaupt nachweisbar ist", sagt Peter Ludwig, Wissenschaftler in der Gruppe von Bishop. Am Tandem-Beschleuniger am Maier-Leibniz-Laboratorium in Garching konnten die Physiker die Empfindlichkeit der Methode zusätzlich so weit steigern, bis die Entdeckung möglich wurde.

Neben den Münchner Physikern waren an der Entdeckung beteiligt: die Zentral­anstalt für Meteorologie und Geodynamik, Fachgebiet Geomagnetismus und Gravimetrie, Wien, das Chemie-Department der TUM, Fachgebiet Elektronenmikroskopie, sowie Forscher des Helmholtz-Instituts für Ressourcen­technologie Freiberg, das zum Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf gehört.

Die Forscher vermuten, dass die nun nachgewiesene Stern­explosion dem Sternverband Scorpius-Centaurus OB entstammt, der vor rund 2,3 Millionen Jahren mit etwa 300 Lichtjahren seine geringste Entfernung zu unserem Sonnensystem aufwies. In den vergangenen 10 bis 15 Millionen Jahren haben sich in diesem Sternverband rund 15 bis 20 Supernovae ereignet. Diese Serie von gewaltigen Stern­explosionen hat einen weitgehend materie­freien Hohlraum im inter­stellaren Medium eines galaktischen Arms der Milch­straße erzeugt. Astronomen nennen diesen Hohlraum, in dem sich auch unser Sonnensystem befindet, die Lokale Blase.

TUM / DE

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