Wenn massereiche Sterne, die mehr als die zehnfache Masse unserer Sonne besitzen, ihren Brennstoffvorrat verbraucht haben, kollabieren sie unter ihrer Schwerkraft und enden in einer so genannten Kernkollaps-Supernova. Dabei schleudern sie mit großer Energie Materie in ihre Umgebung. Wenn eine solche Sternexplosion sich in ausreichender Nähe zum Sonnensystem ereignet, sollte sie daher auf der Erde Spuren von bestimmten radioaktiven Elementen hinterlassen.
Abb.: Von einer Kernkollaps-Supernova (Mitte, hier: Cassiopeia A) stammen die Fe-60-Anlagerungen, die in Mikrofossilen in Bohrkernen des Pazifischen Ozeans gefunden wurden (rechts, mit Pfeil markiert). Die Mikrofossile (links, in einer TEM-Aufnahme) wurden am Tandem-Beschleuniger in Garching (oben) auf ihren Supernova-Eisengehalt untersucht. (Bild: NASA / CXC / SAO / TUM)
Unter den Elementarten, die in solchen massereichen Sternen produziert werden, spielt das Radioisotop Eisen-60 eine besondere Rolle, denn dieses kommt auf der Erde natürlicherweise nicht vor. Bei Fe-60, das auf der Erde gefunden wird, handelt es sich daher um Sternexplosions-Material, verursacht durch eine Supernova, die in der Nähe unseres Sonnensystems stattgefunden hat.
Eine erhöhte Eisen-60-Konzentration haben Forscher bereits in früheren Untersuchungen in Proben einer etwa zwei Millionen Jahre alten Eisen-Mangan-Tiefseekruste aus dem Pazifischen Ozean festgestellt. Außerdem entdeckten Wissenschaftler der TU München erst kürzlich Supernova-Eisen in Proben von Mond-Gestein. Beide Funde werden einer Supernova zugeschrieben. Der Zeitverlauf der Anlagerungen ließ sich bisher allerdings nicht genau analysieren, weil die untersuchte Eisen-Mangan-Tiefseekruste sehr langsam anwächst. Mond-Material wiederum lässt sich zeitlich nicht einordnen, weil dort aufgrund der fehlenden Atmosphäre keine Sedimentation stattfindet.
Nun ist es Physikern um Shawn Bishop, Professor für Nukleare Astrophysik an der TU München, zum ersten Mal gelungen, den zeitlichen Verlauf der Supernova-Anlagerungen anhand von Mikrofossilen in zwei Bohrproben aus dem Pazifischen Ozean befanden zu verfolgen. Die Forscher konnten zeigen, dass in ihren Proben vor rund 2,7 Millionen Jahren erstmals Supernova-Eisen nachweisbar ist. Die erhöhte Fe-60-Konzentration erreichte vor rund 2,2 Millionen Jahren ihren höchsten Wert und verschwand vor rund 1,5 Millionen Jahren wieder.
„Offenbar ist unser Sonnensystem für die Dauer von gut einer Million Jahre durch ein Gebiet mit Sternexplosions-Resten gezogen und hat während dieser Phase das Eisen-60 eingesammelt", sagt Bishop, der auch Wissenschaftler des Exzellenzclusters Universe ist.
Um die zeitliche Struktur der Fe-60-Einträge so genau bestimmen zu können, benötigten die Forscher geologische Proben von besonderer Güte: Das Gesteinsmaterial muss Schichten besitzen, die sich besonders gut voneinander abheben. Außerdem muss darin besonders viel Eisen-60 gespeichert und bewahrt worden sein, so dass es heute – abgesehen vom radioaktiven Zerfall des Fe-60 – noch nahezu so vorzufinden ist, wie zum Zeitpunkt des Eintrags auf der Erde.
Diese Bedingungen sind in den Meeressedimenten gegeben, die in dieser Untersuchung benutzt wurden. Zum Zeitpunkt der Anlagerung haben im Ozeansediment lebende, eisenliebende Bakterien das Fe-60 in Ketten von Magnetit-Nanokristallen eingebaut. Nach dem Zelltod der Bakterien sind diese zu Mikrofossilen versteinert. Die Sedimente sind mit einer sehr langsamen Sedimentationsrate gewachsen und haben auf diese Weise den zeitlichen Verlauf des Supernova-Signals gespeichert.
„Dennoch ist auch in diesen Magnetit-Kristallen die Fe-60-Konzentration so gering, dass sie nur mit Hilfe der ultrasensitiven Beschleuniger-Massenspektroskopie überhaupt nachweisbar ist", sagt Peter Ludwig, Wissenschaftler in der Gruppe von Bishop. Am Tandem-Beschleuniger am Maier-Leibniz-Laboratorium in Garching konnten die Physiker die Empfindlichkeit der Methode zusätzlich so weit steigern, bis die Entdeckung möglich wurde.
Neben den Münchner Physikern waren an der Entdeckung beteiligt: die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Fachgebiet Geomagnetismus und Gravimetrie, Wien, das Chemie-Department der TUM, Fachgebiet Elektronenmikroskopie, sowie Forscher des Helmholtz-Instituts für Ressourcentechnologie Freiberg, das zum Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf gehört.
Die Forscher vermuten, dass die nun nachgewiesene Sternexplosion dem Sternverband Scorpius-Centaurus OB entstammt, der vor rund 2,3 Millionen Jahren mit etwa 300 Lichtjahren seine geringste Entfernung zu unserem Sonnensystem aufwies. In den vergangenen 10 bis 15 Millionen Jahren haben sich in diesem Sternverband rund 15 bis 20 Supernovae ereignet. Diese Serie von gewaltigen Sternexplosionen hat einen weitgehend materiefreien Hohlraum im interstellaren Medium eines galaktischen Arms der Milchstraße erzeugt. Astronomen nennen diesen Hohlraum, in dem sich auch unser Sonnensystem befindet, die Lokale Blase.
TUM / DE