22.11.2013

Der Schwarm ist im Orbit

Die drei Swarm-Satelliten der ESA vermessen in den nächsten Jahren die zeitlichen und räumlichen Schwankungen des Erdmagnetfelds.

Mit einem Jahr Verspätung gegenüber dem urspünglichen Starttermin, dann aber auf die Sekunde genau, hob am 22. November um 13 Uhr 02 Minuten und 15 Sekunden Mitteleuropäischer Zeit eine russische Rockot-Rakete vom Kosmodrom Plesetsk ab. Als Nutzlast an Bord: die drei baugleichen Satelliten der ESA-Mission Swarm, die in den nächsten Jahren das Erdmagnetfeld mit bislang unerreichter Präzision vermessen sollen. Die umgebaute Langstreckenrakete SS-19 verschwand sofort im dichten Nebel, gut anderthalb Stunden später, um 14:37:48 MEZ trennten sich alle drei Satelliten problemlos von der Trägerrakete.

Das Magnetfeld der Erde schützt uns vor der energiereichen kosmischen Strahlung und ist gleichzeitig eine der wichtigsten Größen, um das Erdinnere sowie den erdnahen Weltraum zu verstehen. Wie aber funktioniert der Dynamo im Erdinnern im Detail? Warum wandern die Pole? Steht uns gar eine Umpolung des Feldes bevor? Diese und weitere Fragen soll die Swarm-Mission beantworten helfen. Dazu nehmen die drei jeweils 500 kg schweren Satelliten in den nächsten drei Monaten zunächst eine komplizierte Formation ein: Zwei Satelliten fliegen in 460 Kilometern Höhe mit 150 Kilometern Abstand nebeneinander her, der dritte steigt auf 530 Kilometer Höhe in eine höhere Umlaufbahn. Diese Konstellation erlaubt es, räumliche und zeitliche Variationen des Felds genauer zu messen und voneinander zu trennen: Sehen die Satelliten gleichzeitig eine Änderung, variiert das Feld zeitlich, andernfalls sehen die Satelliten eine räumliche Variation.

Abb.: Im Formationsflug vermessen die drei Swarm-Satelliten das Erdmagnetfeld. (Quelle: ESA)

Diese Trennung in zeitliche und räumliche Variationen ist essenziell, um die verschiedenen Beiträge des Erdmagnetfelds unterscheiden zu können. Der Löwenanteil des Erdmagnetfelds – rund 95 Prozent – entsteht im flüssigen Erdkern durch den Geodynamo. Darüber hinaus tragen aber auch magnetische Gesteine der Erdkruste ebenso bei wie Ströme in der Iono- und Magnetosphäre, die für das „Weltraumwetter“ verantwortlich sind. Daher lässt sich das Feld an der Erdoberfläche zwar in erster Näherung als das eines leicht gegen die Rotationsachse geneigten Stabmagneten (Dipol) im Erdmittelpunkt beschreiben, im Detail ist es aber wesentlich komplexer. So hat beispielsweise der Vorgängersatellit CHAMP gezeigt, dass die Feldstärke vor der Atlantikküste von Südamerika rasch abnimmt – etwas über zehn Prozent in dreißig Jahren. Ausgehend von den Messungen des Swarm-Trios erlauben es Simulationen, die Beiträge der einzelnen Quellen zu bestimmen und damit sowohl einen tiefen Blick ins Erdinnere zu werfen als auch die hohe Atmosphäre und ihre Wechselwirkung mit dem Sonnenwind besser zu verstehen. „Ziel ist es auch, diese Messungen für eine Vorhersage des Weltraumwetters zu nutzen,“ sagt Hermann Lühr, einer der drei Principle Investigators der Mission und Leiter des Swarm-Projektbüros am Geoforschungszentrum Potsdam. 

Hochgenaue Magnetometer messen sowohl Betrag als auch Richtung des Magnetfelds. So beruht das Magnetometer für die absolute Feldstärke auf der Gyration von Elektronen um ein Magnetfeld, die mithilfe von optisch gepumptem metastabilen Heliumgas in einer Kammer gemessen wird. Da dies eine atomistische Größe ist, die also nicht von der Temperatur oder anderen Parametern abhängt, lässt sich das Magnetfeld über die Gyrationsfrequenz sehr präzise bestimmen. Die Magnetometer erreichen eine Auflösung von 0,3 Nanotesla, was einer relativen Genauigkeit von eins zu einer Million entspricht. Damit die Satelliten selbst die Messungen nicht stören, befinden sich die Magnetometer auf einem Instrumentenarm, der die Hälfte der etwas über neun Meter langen Satelliten einnimmt. Weitere Instrumente dienen dazu, das elektrische Feld sowie die Eigenschaften der Restatmosphäre zu bestimmen, die zum Teil ionisiert ist.

Auf deutscher Seite ist das Geoforschungszentrum GFZ in Potsdam maßgeblich an der wissenschaftlichen Auswertung beteiligt. „Im Vorfeld dienten die aus der CHAMP- und GRACE-Mission gewonnenen Erfahrungen bei der technischen Unterstützung in Planung und Fertigung der Satelliten“, sagt Hermann Lühr: „CHAMP war das Vorbild für die Swarm-Satellitenflotte.“ Die 220 Millionen Euro teure Swarm-Mission ist die vierte im Rahmen des ESA-Programms Earth Explorer nach den Missionen Cryosat, GOCE und SMOS. Die geplante Betriebszeit beträgt vier Jahre.

Stefan Jorda / GFZ / ESA

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