Der unkonventionellen Supraleitung auf der Spur
Bisher unerforschte Region des Phasendiagramms eines geschichteten Metalls aus Cer, Rhodium und Indium untersucht.
Einem internationalen ist es gelungen, verschiedene extreme Versuchsbedingungen in bisher einzigartiger Weise miteinander zu kombinieren und dabei spannende Erkenntnisse über die rätselhaften Leiteigenschaften des kristallinen Metalls CeRhIn5 – eines geschichteten Metalls aus Cer, Rhodium und Indium – zu Tage zu fördern. Die Wissenschaftler konnten eine bisher unerforschte Region des Phasendiagramms dieses Metalls, das als aussichtsreiches Modellsystem für das Verständnis von unkonventionellen Supraleitern gilt, erkunden.
„Zunächst tragen wir eine dünne Goldschicht auf einen mikroskopisch kleinen Einkristall auf“, beschreibt Toni Helm vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, einer der beteiligten Forscher, die Vorgehensweise. „Dann fräsen wir mit einem Ionenstrahl feine Mikrostrukturen heraus. An ihren Enden bringen wir hauchdünne Platinstreifen an, um den Widerstand entlang verschiedener Richtungen zu messen, und zwar bei extrem hohen Drücken. Diese erzeugen wir durch das Zusammenpressen zweier Diamantdruckstempel. Zusätzlich lassen wir sehr starke Magnetfelder auf die Probe einwirken, bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt.“ Doch die vielen Schwierigkeiten durch die Kombination mehrerer Extreme lassen sich bei dieser Schilderung nur erahnen. Dass die Forscher diesen Aufwand betreiben, ist dabei kein Selbstzweck: Sie sind Antworten auf fundamentale Fragen der Festkörperphysik auf der Spur.
Bei der untersuchten Probe handelt es sich um ein Metall mit überraschenden, bis heute nicht vollständig verstandenen Eigenschaften. Wissenschaftler sprechen von einem unkonventionellen Supraleiter, bei dem Strom mittels extrem schwerer Ladungsträger unter bestimmten Bedingungen verlustfrei fließen kann. Der Ursprung des Phänomens wird in den magnetischen Eigenschaften des Metalls vermutet. Zentrale Fragen der Forscher, die an solchen korrelierten Elektronensystemen arbeiten, sind beispielsweise: Wie organisieren sich schwere Elektronen kollektiv? Wie kann dabei Magnetismus und Supraleitung entstehen? Und in welchem Verhältnis stehen diese physikalischen Phänomene zueinander?
Die Wissenschaftler interessieren sich besonders für das Phasendiagramm des Metalls, deren Koordinaten Druck, Magnetfeldstärke und Temperatur sind. Erreicht die Probe Temperaturen von knapp vier Grad über dem absoluten Nullpunkt, stoßen die Forscher auf eine magnetische Ordnung im Metall. Von hier aus eröffnen sich ihnen verschiedene Wege: Kühlen sie weiter ab und setzen die Probe hohen Drücken aus, erzwingen sie den Übergang in den supraleitenden Zustand. Erhöhen sie stattdessen zunächst nur die Stärke des angelegten Magnetfelds auf das 600.000-fache der Feldstärke des Erdmagnetfelds, unterdrücken sie zwar ebenfalls die magnetische Ordnung, dringen jedoch in einen „elektronisch nematischen“ Zustand vor.
Dieser Begriff ist der Physik der Flüssigkristalle entlehnt und beschreibt dort eine bestimmte räumliche Orientierung von Molekülen, die über größere Bereiche eine Fernordnung aufweisen. Die Wissenschaftler nehmen an, dass der elektronisch nematische Zustand eng mit dem Phänomen der unkonventionellen Supraleitung verknüpft ist.
Die Experimente zeichnen sich durch weitere Besonderheiten aus. So entstehen beim Arbeiten mit hohen gepulsten Magnetfeldern in metallischen Teilen der Versuchsanordnung Wirbelströme, die zu unerwünschter Wärmeentwicklung führen. Die Wissenschaftler haben deshalb die zentralen Komponenten aus einem Spezialkunststoff gefertigt, der diesen Effekt unterdrückt und dabei auch nahe des absoluten Nullpunkts zuverlässig funktioniert. Durch die Mikrostrukturierung mittels fokussiertem Ionenstrahl erzeugen sie eine Probengeometrie, die eine hohe Güte des Messsignals garantiert.
„Die Mikrostrukturierung wird bei unseren Experimenten künftig stark an Bedeutung gewinnen. Deshalb haben wir uns diese Technologie gleich ins Labor geholt“, sagt Helm. „So dringen wir mit unseren Zugriffsmöglichkeiten allmählich in die Dimensionen vor, in denen quantenmechanische Effekte eine große Rolle spielen.“ Der Forscher ist darüber hinaus sicher, dass das zusammengetragene Know-how einen Beitrag für die Forschung an Hochtemperatur-Supraleitern oder neuartigen Quantentechnologien leistet.
HZDR / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
T. Helm et al.: Non-monotonic pressure dependence of high-field nematicity and magnetism in CeRhIn5, Nat. Commun. 11, 3482 (2020); DOI: 10.1038/s41467-020-17274-6 - Hochfeld-Magnetlabor Dresden, Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf