27.08.2020 • Materialwissenschaften

Der unkonventionellen Supraleitung auf der Spur

Bisher unerforschte Region des Phasendiagramms eines geschichteten Metalls aus Cer, Rhodium und Indium untersucht.

Einem internationalen ist es gelungen, verschiedene extreme Versuchs­bedingungen in bisher einzig­artiger Weise mitein­ander zu kombinieren und dabei spannende Erkenntnisse über die rätsel­haften Leit­eigen­schaften des kristallinen Metalls CeRhIn5 – eines geschichteten Metalls aus Cer, Rhodium und Indium – zu Tage zu fördern. Die Wissen­schaftler konnten eine bisher unerforschte Region des Phasen­diagramms dieses Metalls, das als aussichts­reiches Modell­system für das Verständnis von unkonven­tio­nellen Supra­leitern gilt, erkunden.

Abb.: Nachkolorierte Elektronenmikroskop-Aufnahme einer über Goldbahnen (gelb)...
Abb.: Nachkolorierte Elektronenmikroskop-Aufnahme einer über Goldbahnen (gelb) kontaktierten Mikrostruktur (violett) nach dem Wiederöffnen der Diamantdruckstempelzelle. Rubin-Kügelchen (rot) werden mittels Laserfluoreszenzspektroskopie zur Druckmessung im Probenraum genutzt. Herumliegende Partikel sind Überreste des Druckmediums und der Druckvorrichtung. (Bild: T. Helm, HZDR)

„Zunächst tragen wir eine dünne Goldschicht auf einen mikro­skopisch kleinen Einkristall auf“, beschreibt Toni Helm vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, einer der beteiligten Forscher, die Vorgehens­weise. „Dann fräsen wir mit einem Ionenstrahl feine Mikro­strukturen heraus. An ihren Enden bringen wir hauch­dünne Platin­streifen an, um den Widerstand entlang verschiedener Richtungen zu messen, und zwar bei extrem hohen Drücken. Diese erzeugen wir durch das Zusammen­pressen zweier Diamant­druck­stempel. Zusätzlich lassen wir sehr starke Magnet­felder auf die Probe einwirken, bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt.“ Doch die vielen Schwierig­keiten durch die Kombination mehrerer Extreme lassen sich bei dieser Schilderung nur erahnen. Dass die Forscher diesen Aufwand betreiben, ist dabei kein Selbstzweck: Sie sind Antworten auf funda­mentale Fragen der Fest­körper­physik auf der Spur.

Bei der untersuchten Probe handelt es sich um ein Metall mit über­raschenden, bis heute nicht vollständig verstandenen Eigen­schaften. Wissen­schaftler sprechen von einem unkonven­tio­nellen Supraleiter, bei dem Strom mittels extrem schwerer Ladungs­träger unter bestimmten Bedingungen verlustfrei fließen kann. Der Ursprung des Phänomens wird in den magnetischen Eigen­schaften des Metalls vermutet. Zentrale Fragen der Forscher, die an solchen korrelierten Elektronen­systemen arbeiten, sind beispiels­weise: Wie organisieren sich schwere Elektronen kollektiv? Wie kann dabei Magnetismus und Supra­leitung entstehen? Und in welchem Verhältnis stehen diese physika­lischen Phänomene zueinander?

Die Wissenschaftler interes­sieren sich besonders für das Phasen­diagramm des Metalls, deren Koordinaten Druck, Magnet­feld­stärke und Temperatur sind. Erreicht die Probe Temperaturen von knapp vier Grad über dem absoluten Nullpunkt, stoßen die Forscher auf eine magnetische Ordnung im Metall. Von hier aus eröffnen sich ihnen verschiedene Wege: Kühlen sie weiter ab und setzen die Probe hohen Drücken aus, erzwingen sie den Übergang in den supra­leitenden Zustand. Erhöhen sie stattdessen zunächst nur die Stärke des angelegten Magnetfelds auf das 600.000-fache der Feldstärke des Erdmagnet­felds, unter­drücken sie zwar ebenfalls die magnetische Ordnung, dringen jedoch in einen „elektronisch nematischen“ Zustand vor.

Dieser Begriff ist der Physik der Flüssig­kristalle entlehnt und beschreibt dort eine bestimmte räumliche Orientierung von Molekülen, die über größere Bereiche eine Fernordnung aufweisen. Die Wissen­schaftler nehmen an, dass der elektronisch nematische Zustand eng mit dem Phänomen der unkonven­tio­nellen Supra­leitung verknüpft ist.

Die Experimente zeichnen sich durch weitere Besonder­heiten aus. So entstehen beim Arbeiten mit hohen gepulsten Magnet­feldern in metallischen Teilen der Versuchs­anordnung Wirbel­ströme, die zu unerwünschter Wärme­entwicklung führen. Die Wissen­schaftler haben deshalb die zentralen Komponenten aus einem Spezial­kunststoff gefertigt, der diesen Effekt unter­drückt und dabei auch nahe des absoluten Nullpunkts zuverlässig funktioniert. Durch die Mikro­struktu­rierung mittels fokus­siertem Ionen­strahl erzeugen sie eine Proben­geometrie, die eine hohe Güte des Messsignals garantiert.

„Die Mikrostrukturierung wird bei unseren Experi­menten künftig stark an Bedeutung gewinnen. Deshalb haben wir uns diese Technologie gleich ins Labor geholt“, sagt Helm. „So dringen wir mit unseren Zugriffs­möglich­keiten allmählich in die Dimen­sionen vor, in denen quanten­mechanische Effekte eine große Rolle spielen.“ Der Forscher ist darüber hinaus sicher, dass das zusammen­getragene Know-how einen Beitrag für die Forschung an Hoch­temperatur-Supra­leitern oder neuartigen Quanten­technologien leistet.

HZDR / RK

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