Der Weg der Diamanten
Die Edelsteine tauchen zyklisch aus dem Erdmantel auf.
Diamanten entstehen weit unter der Erdoberfläche in über 150 Kilometern Tiefe. Dort, im oberen Erdmantel, herrschen genau die richtigen Temperatur- und Druckbedingungen, um den Kohlenstoff zu Diamanten zu backen. Schmilzt nun ein Teil dieses Mantelgesteins und dringt über Spalten und Klüfte nach oben, werden immer wieder Vulkanausbrüche ausgelöst. In dem erkalteten Material, dem Kimberlit, finden sich dann auch aus der Tiefe mitgerissene Diamanten.
Bisherige Modelle können allerdings weder zufriedenstellend erklären, wie Kimberlit-Schmelzen entstehen und abrupt aus dem Erdmantel herausgelöst werden, noch dass und wie die Kimberlit-Eruptionen offensichtlich mit der grundlegenden Umstrukturierung der tektonischen Platten der Erde zusammenhängen.
Einen neuen Ansatz stellt nun ein internationales Team um Thomas Gernon, Professor für Geowissenschaften und Principal Research Fellow an der Universität Southampton (GB), vor. Zum Team gehören auch Sascha Brune vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ), Leiter der GFZ-Sektion 2.5 „Geodynamische Modellierung“, und Anne Glerum, Wissenschaftlerin in der GFZ-Sektion 3.1 „Anorganische und Isotopengeochemie“.
Dem neuen Modell zufolge sind diese Prozesse im Erdmantel mit Vorgängen an der Grenze von tektonischen Platten verknüpft. Bevor eine Kontinentalplatte auseinanderbricht, dünnt sie sich im Laufe vieler Millionen Jahre aus, was als „Rifting“ bezeichnet wird. Dabei senkt sich die Erdoberfläche ab und bildet einen Grabenbruch wie das Rift Valley in Ostafrika. Irgendwann strömt Meerwasser ein, wie es beim Roten Meer der Fall ist. Gleichermaßen verändert sich die Unterseite der Erdplatte, und destabilisiert dabei das Umgebungsgestein der Diamanten. Stücke der Plattenunterseite sinken in den tiefen Erdmantel, während heißeres Gestein von unten in den freiwerdenden Raum einfließt, ähnlich zu dem Meerwasser an der Oberfläche. In der Folge kommt es zu Schmelzvorgängen: Das vorher zähplastische Gestein wird flüssig, bahnt sich seinen Weg nach oben und bringt dabei auch Diamanten an die Erdoberfläche.
Thomas Gernon, Hauptautor der Studie, sagt: „Das Muster der Diamanten-Eruptionen ist zyklisch und folgt dem Rhythmus der Superkontinente, die sich im Laufe der Zeit – über hunderte von Millionen Jahren – wiederholt zusammenfinden und wieder aufbrechen. Bisher wussten wir jedoch nicht, welcher Prozess dazu führt, dass Diamanten plötzlich an die Erdoberfläche gebracht werden, nachdem sie Millionen oder Milliarden Jahre lang in 150 Kilometern Tiefe ruhten.“
Die Forscher fanden auch heraus, dass die Vulkanausbrüche mit Diamant-haltigem Kimberlit im Lauf der Zeit allmählich von den Kontinentalrändern in das Innere der Kontinente wandern, und zwar mit ähnlichen Raten in verschiedenen Kontinenten. Beim Auseinanderbrechen wird ein Teil der Kontinentalwurzel abgerissen und sinkt in den darunter liegenden Erdmantel ab, was eine Kettenreaktion ähnlicher Strömungsmuster im benachbarten Teil der Kontinentalwurzel auslöst. Sascha Brune vom GFZ sagt: „Diese Strömungen entlang der Unterseite von Erdplatten entfernen eine beträchtliche Menge an Gestein, das Dutzende von Kilometern dick ist. Die Kettenreaktion erreicht dabei letztlich auch Regionen der Kontinente, die in großer Entfernung von Riftzonen liegen.“
In ihrer Studie schreiben die Autoren, dass ähnliche Prozesse auch bei steckengebliebenen Bruchvorgängen stattgefunden haben. Insgesamt könnten ihre Erkenntnisse helfen, bislang unentdeckte Kimberlit-Vorkommen und die Diamanten darin aufzuspüren.
GFZ / DE