Deutschland macht mit
Rund zehn Prozent der Baukosten der Europäischen Spallationsneutronenquelle ESS übernimmt Deutschland.
Des einen Freud ist des anderen Leid: Dies gilt nicht nur in der KO-Runde der Fußball-WM, sondern manchmal auch in der Wissenschaft. Keine vier Wochen nach dem mit finanziellen Engpässen begründeten Ausstieg Deutschlands aus dem Radioteleskop „Square Kilometer Array“ hat das Forschungsministerium BMBF am 4. Juli bekannt gegeben, dass sich Deutschland an Bau und Betrieb der Europäischen Spallationsneutronenquelle ESS im schwedischen Lund beteiligen wird. Diese Entscheidung galt als überfällig, nachdem in den vergangenen Monaten bereits u. a. Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien ihre Beteiligung erklärt und die deutschen Neutronenforscher im Herbst 2013 eine starke deutsche Beteiligung gefordert hatten.
Die ESS soll als europäische Forschungsinfrastruktur in der Rechtsform eines European Research Infrastructure Consortium (ERIC) gegründet werden. Von den rund 1,8 Milliarden Euro Baukosten tragen die beiden Sitzstaaten Schweden und Dänemark die Hälfte. Mit 202,5 Millionen Euro übernimmt Deutschland (ebenso wie Großbritannien) etwas mehr als zehn Prozent. Dazu kommt ein jährlicher Beitrag von 15 Millionen Euro an den Betriebskosten. Nach derzeitigem Stand werden sich neben den Sitzstaaten 15 europäische Länder beteiligen.
Auf der grünen Wiese nahe der südschwedischen Stadt Lund soll die Europäische Spallationsneutronenquelle entstehen. (Bild: ESS)
Im Gegensatz zu einem Forschungsreaktor entstehen bei einer Spallationsquelle die Neutronen, wenn Atomkerne eines Targets beim Beschuss mit Protonen eines Beschleunigers „zerplatzen“. Die ESS soll auf diese Weise Neutronenpulse erzeugen, deren Fluss den mittleren Fluss des Reaktors am Institut Laue-Langevin (ILL) in Grenoble um einen Faktor 30 übertrifft. In Kombination mit neuartigen Instrumenten soll es dadurch möglich sein, Materialien für Wasserstoffspeicher in-situ während der Reaktion mit Wasserstoff zu beobachten, das Verständnis der Funktion von Proteinen signifikant zu vergrößern oder neuartige Quantenphänomene in Festkörpern zu untersuchen. Weitere Anwendungsbeispiele der ESS reichen von Ingenieurwissenschaften und Informationstechnologie bis hin zu Chemie und Pharmazie.
Die ESS wird auf der grünen Wiese nahe der südschwedischen Stadt Lund gebaut. Falls der erste Spatenstich wie geplant noch in diesem Sommer stattfindet, könnte die Neutronenquelle 2019 in Betrieb gehen, allerdings zunächst nur mit wenigen Instrumenten. Die insgesamt geplanten 22 Instrumente sollen ab 2025 bereit stehen.
Stefan Jorda