08.08.2014

Diamant-Quanten-Computer

Forscher aus Wien und Tokio schlagen neue Quantencomputer-Architektur vor.

Seit Jahrzehnten arbeiten Forscher an Konzepten, quantenmechanische Systeme für logische Berechnungen zu verwenden. „Ein Quanten-Bit kann sich im Zustand null und gleichzeitig im Zustand eins befinden, wodurch sich fantastische Rechenkapazitäten ergeben würden“, erklärt Jörg Schmiedmayer vom Atominstitut der TU Wien. Ein Forschungsteam der TU Wien schlägt nun gemeinsam mit einer Forschungsgruppe vom National Institute for Informatics in Tokio eine neue Quantencomputer-Architektur aus winzigen Diamanten vor.

Abb.: Quanten-Operationen, die auf Stickstoffatomen in Diamant basieren, werden an der TU Wien bereits durchgeführt. (Bild: TU Wien)

Für einen verlässlich arbeitenden Quantencomputer müssten Milliarden einzelne Quantensysteme verwendet werden, der Weg dorthin ist noch weit. Das Team ist allerdings überzeugt, dass die Elemente der nun vorgestellten Architektur besser als bisherige Quantencomputer-Ideen geeignet sind, miniaturisiert und in großer Anzahl auf einem Chip untergebracht zu werden. Experimente dazu sind an der TU Wien bereits geplant.

Realisieren kann man quantenmechanische Überlagerungszustände mit unterschiedlichen Systemen – etwa mit Ionen, die man in elektromagnetischen Fallen festhält oder mit supraleitenden Quanten-Bits. Die nun vorgestellte Architektur ist eine andere: In einem hauchdünnen Diamantplättchen wird an mehreren Stellen jeweils ein einzelnes Stickstoff-Atom eingebaut, dessen Spin verschiedene Zustände annehmen kann. Jedes Stickstoffatom ist in einem optischen Resonator, bestehend aus zwei Spiegeln, eingesperrt. Über Glasfaserleitungen kann man Photonen in Kontakt mit dem Quantensystem aus Spiegeln und Diamant bringen. So lässt sich der Quantenzustand des Systems manipulieren und auslesen, ohne dass Dekohärenzeffekte die Quanteneigenschaften im Diamant zerstören.

Jedes einzelne dieser Systeme aus Spiegeln, Diamant und eingebautem Stickstoff-Atom kann ein Quanten-Bit an Information tragen – also null, eins, oder eine beliebige Überlagerung davon. Doch ein solches Quanten-Bit ist extrem instabil. Um die Information zuverlässig verarbeiten zu können, braucht man spezielle Quantenfehlerkorrektur-Verfahren. „Verwendet man Fehlerkorrekturen, kommt man beim Speichern eines Quanten-Bits nicht mehr mit einem einzelnen Quantenteilchen aus, man braucht eine komplizierte Architektur aus vielen miteinander verbundenen Systemen“, sagt Michael Trupke von der TU Wien.

Das Forschungsteam berechnete, wie man die einzelnen Elemente aus Spiegeln und Diamanten mit Stickstoffatomen zu einem fehlerresistenten zweidimensionalen Quantensystem zusammenfügen könnte, einem sogenannten „topologisch geschützten Quantencomputer“. Nach den Berechnungen wären etwa 4,5 Milliarden dieser Quantensysteme nötig, um zum Beispiel den Algorithmus „Shor-2048“ auf dem Quantencomputer laufen zu lassen, mit dem man Primfaktoren von 2048-Bit-Zahlen berechnen können.

Diese gewaltige Zahl an Quanten-Elementen ist bei allen Quantencomputer-Architekturen notwendig, egal ob man mit Ionenfallen, supraleitenden QBits oder mit Stickstoff-Spins in Diamanten arbeitet. „Bei unserer Architektur weiß man allerdings im Prinzip, wie man sie verkleinern kann. Sie hat ein großes Potenzial zur Miniaturisierung und Massenproduktion“, meint Michael Trupke. „Es gibt heute ganze Industriezweige, die mit Diamanten arbeiten, die Forschung schreitet hier rasch voran. Es gibt noch viele Probleme zu lösen, aber die Verschaltung von Stickstoff-Spins in Festkörpern zeigt zumindest einen Weg auf, der aus heutiger Sicht zum Quantencomputer führen könnte.“

Trupke vergleicht die Situation der Quantencomputer-Forschung mit der frühen Computertechnik: „Als man die ersten Transistoren herstellte, konnte man sich auch noch nicht vorstellen, wie es je gelingen kann, Milliarden von ihnen auf einem Chip unterzubringen, und heute tragen wir solche Chips in der Hosentasche mit uns herum. Unsere Stickstoff-Spins in Diamant könnten eine ähnliche Rolle spielen wie die Transistoren in der klassischen Computertechnik.“

An der TU Wien arbeitet man nun daran, kleine Versionen dieser Architektur experimentell herzustellen. „Ein riesengroßer Vorteil für uns ist, dass es an der TU Wien eine ganze Reihe international angesehener Forschungsgruppen aus dem Materialtechnologie- und Quantenbereich gibt, mit denen wir zusammenarbeiten“, sagt Jörg Schmiedmayer. Am Institut für Angewandte Physik der TU Wien arbeitet Friedrich Aumayr daran, Stickstoffatome auf die gewünschte Weise in Diamanten einzubauen, Peter Mohn liefert mit Hilfe von Computersimulationen wichtige numerische Daten dazu. In Zusammenarbeit mit Ulrich Schmid werden am Zentrum für Mikro- und Nanostrukturen (ZMNS) der TU Wien die Resonatoren hergestellt, im Röntgenzentrum werden Materialuntersuchungen durchgeführt.

Auch wenn die Implementierung eines Algorithmus wie Shor-2048 noch in ferner Zukunft liegen dürfte – die Verschränkung von Bauelementen zu größeren Cluster-Zellen sollte in den nächsten Jahren bereits gelingen. „Letztlich kommt es darauf an, ob wir es schaffen, die Quantentechnologie in ein Zeitalter der Massenproduktion und Miniaturisierung zu führen“, sagt Jörg Schmiedmayer. „Ich sehe keine physikalischen Gesetze, die uns prinzipiell davon abhalten sollten.“

TU Wien / DE

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