01.02.2021

Diamanten unter Spannung

Schwache elektrische Felder als Treiber der Diamant-Bildung.

Diamanten faszinieren – nicht nur als Schmucksteine mit brillanten Farben, sondern auch wegen der extremen Härte des Materials. Wie genau diese besondere Variante des Kohlen­stoffs tief in der Erde unter extrem hohen Drücken und Temperaturen entsteht, gibt immer noch Rätsel auf. Jetzt haben Forscher von der Russischen Akademie der Wissen­schaften Novo­sibirsk in Kooperation mit dem Deutschen Geoforschungs­zentrum Potsdam in Theorie und Experiment einen wichtigen neuen Einfluss­faktor nachgewiesen: Schwache elektrische Felder können ein entscheidender Katalysator bei der Diamant­bildung sein.

Abb.: Mikroskop­aufnahme eines unter Hochdruck und mit kleiner elektrischer...
Abb.: Mikroskop­aufnahme eines unter Hochdruck und mit kleiner elektrischer Spannung herge­stellten Diamanten. (Bild: Y. Bataleva)

Diamant ist, wie Graphit, eine besondere Erscheinungs­form des Kohlen­stoffs. Seine kubische Kristall­struktur und die starken chemischen Bindungen verleihen ihm seine einzigartige Härte. In den 1950er Jahren gelang es erstmals, Diamanten künstlich herzu­stellen. Die meisten natürlichen Diamanten bilden sich im Erdmantel in Tiefen von mindestens 150 Kilometern, wo Temperaturen von mehr als 1500 Grad Celsius und enorm hohe Drücke von einigen Giga­pascal herrschen. Für die genauen Mechanismen der Diamant-Ent­stehung gibt es verschiedene Theorien. Das Ausgangs­material sind karbonatreiche Schmelzen, also etwa Verbindungen aus Magnesium, Kalzium oder Silizium, die Sauerstoff und Kohlenstoff enthalten.

Weil im Erdmantel elektro­chemische Prozesse stattfinden und die dort existierenden Schmelzen und Flüssig­keiten eine hohe elektrische Leit­fähigkeit besitzen können, haben Forscher um Yuri Palyanov vom V. S. Sobolev Institute of Geology and Mineralogy SB der Russischen Akademie der Wissenschaften ein Modell für die Bildung von Diamanten entwickelt, bei dem loka­lisierte elektrische Felder eine zentrale Rolle spielen. Demnach bewirkt bereits das Anlegen einer kleinen Spannung von unter einem Volt, dass zusätzliche Elektronen zur Verfügung stehen, die den chemischen Umwandlungs­prozess in Gang setzen. Sie ermöglichen es, dass aus bestimmten Kohlenstoff-Sauerstoff-Verbindungen der Karbonate in mehreren Schritten überhaupt CO2 und daraus schließlich reiner Kohlenstoff in Diamantform werden kann.

Um seine Theorie zu überprüfen, hat das russische Forschungsteam eine ausge­klügelte Experimentier­anlage errichtet: Eine nur wenige Kubik­millimeter große Platinkapsel ist umgeben von einem Heizsystem sowie einer zwei Kubikmeter großen Presse, in der die immensen Drücke von bis zu 7,5 Gigapascal erzeugt werden. Kleine Elektroden werden in die Kapsel geführt, die mit Karbonat beziehungs­weise Karbonat-Silikat-Pulver gefüllt ist. Erhitzt auf 1300 bis 1600 Grad Celsius entsteht die Ausgangsschmelze. In zahlreichen Versuchs­reihen mit bis zu vierzig Stunden Dauer und variierender Spannung haben die Forscher die Bedingungen für das Entstehen von Diamanten untersucht. 

Wie vorher­gesagt wachsen in der Umgebung der negativen Elektrode im Verlaufe von einigen Stunden winzige Diamanten aus der Schmelze, aber nur dann, wenn eine kleine Spannung anliegt. Ein halbes Volt reicht bereits aus. Mit einem Durchmesser bis zu 200 Mikro­metern, also einem Fünftel Millimeter, sind sie gerade noch mit dem bloßen Auge sichtbar. Bei geringerem Druck bildet sich erwartungs­gemäß Graphit. Wird die Polung der Spannung umgedreht, so wachsen die Diamanten an der anderen Elektrode. Ohne Spannung bilden sich weder Graphit noch Diamant. In der Umgebung der Diamanten formieren sich aus der Schmelze weitere Mineralien, wie sie auch im tiefen Erdmantel gefunden werden. „Die experimentellen Anlagen in Novosibirsk sind absolut beeindruckend“, sagt Michael Wiedenbeck, am GFZ Leiter des SIMS-Labors, das zu Potsdams Modularer Infra­struktur MESI gehört. Er kooperiert seit mehr als zehn Jahren mit den russischen Forschern. Zusammen mit Labor­ingenieur Frédéric Couffignal hat er die Diamanten vermessen. Denn um festzu­stellen, ob Yuri Palyanovs Theorie zur Diamantbildung auch vollständig richtig ist, musste die Isotopen-Zusammensetzung der Diamanten ganz genau charakterisiert werden.

Hierfür setzten die Forscher die Sekundär­ionen-Massen­spektrometrie (SIMS) ein. Das spezialisierte Potsdamer Gerät wird von Geowissen­schaftlern auf der ganzen Welt geschätzt, weil es sehr kleine Proben mit sehr hoher Präzision vermessen kann: „Mit dieser Technologie können wir auf Proben, die nur Bruchteile von Millimetern groß sind, die chemische Zusammen­setzung winziger Bereiche sehr genau bestimmen“, sagt Wiedenbeck. So wird durch einen sehr präzise fokussierten Ionenstrahl gezielt nur ein Milliardstel Gramm der künstlich gewachsenen Diamanten abgetragen. Die entstehenden geladenen atomaren Partikel werden dann auf dem Weg durch einen sechs Meter langen Apparat ihrem Gewicht nach separiert und analysiert. So lässt sich bestimmen, aus welchen chemischen Elementen beziehungs­weise Isotopen sie bestehen. „Auf diese Weise haben wir gezeigt, dass das Verhältnis der Kohlenstoff-Isotope C-13 zu C-12 exakt den vorher­gesagten Werten entspricht. Damit haben wir quasi das letzte Puzzleteil geliefert, um die Theorie zu bestätigen“, so Wiedenbeck. Für die Massen­produktion großer künstlicher Diamanten sei das Verfahren allerdings so nicht geeignet.

„Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass elektrische Felder als ein wichtiger zusätzlicher Faktor betrachtet werden sollten, der die Kristalli­sation von Diamanten beeinflusst. Diese Beobachtung könnte sich als recht bedeutsam für das Verständnis der Verschiebung der Kohlenstoff-Isotopenverhältnisse im globalen Kohlenstoff­kreislauf erweisen", sagt Palyanov.

GFZ Potsdam / JOL

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