16.03.2017

Diamantfolie mit Rekordmaßen

Monokristalline Kohlenstoffschicht erreicht ein Gewicht von 155 Karat.

Natur­diamanten und im Labor gezüchteten Kristallen zeigen beim Vergleich der Kristall­strukturen vollständig identisch. Nur an charak­teristischen atomaren Defekten, die beide besitzen, lässt sich natür­licher Ursprung oder synthe­tische Erzeugung noch fest­stellen. Diamanten werden an der Univer­sität Augsburg seit 1991 erforscht und synthetisiert. Primäres Ziel dieser Forschungen ist es, die verschiedenen physi­kalischen und chemischen Prozesse beim Kristall­wachstum zu verstehen. Die Natur bringt gewaltige Drücke und Tempe­raturen auf, um Graphit in Diamant umzuwandeln. In den Augsburger Laboren hingegen wird mit chemischer Gasphasenabscheidung bei einem Unterdruck von einigen Zehntel Atmo­sphären gearbeitet. Unter spezifischen Prozessb­edingungen lagern sich Kohlen­wasserstoff­moleküle aus der Gasphase auf der Oberfläche ab und lassen so Schicht für Schicht Diamanten wachsen.

Abb.: Einkristalline Diamantscheibe mit 155 Karat im Vergleich zum Cullinan-Diamanten: Die Grauschattierungen resultieren überwiegend aus der noch nicht entfernten Keimbildungsschicht. (Bild: U Augsburg /IfP / EP IV)

„Als wir unsere erste Anlage aufgebaut hatten und die Hersteller­firma zur Inbetrieb­nahme kam, lieferte bereits der erste Prozess eine flächen­deckende Schicht aus ganz passablen Diamant­kristalliten“, berichtet Matthias Schreck, der die Diamant-Arbeits­gruppe am Augsburger Lehrstuhl für Experimental­physik IV seit ihren Anfängen leitet. „Leider", so Schreck weiter, „passten damals die einzelnen Körner an ihren Grenzen noch nicht zusammen, und so war es nicht möglich, einen flächen­deckenden Einkristall zu erhalten. Dem Ziel, dieses Problem zu lösen, haben wir uns in den darauf folgenden zwei­einhalb Jahrzehnten dann komplett verschrieben.“

Nachdem das Edelmetall Iridium als geeig­netste Wachstums­unterlage identi­fiziert war und man ein effi­zientes Verfahrens zur Erzeugung orientierter Kristalle gefunden hatte, wurden Schritt für Schritt alle weiteren Heraus­forderungen angegangen, um dem Ziel einkristalliner Scheiben näher­zukommen. „Es war faszinierend, nach etlichen Tagen des Wachstums unter einer mehrere Tausend Grad heißen Plasma­entladung den Reaktor zu öffnen und die ersten großflächigen Proben in Händen zu halten“, schildert Stefan Gsell. Nach dem Entfernen der Wachstums­unterlage ließ sich dann die Qualität der Scheiben auch hinsicht­lich ihrer Transparenz und Perfektion beurteilen: „Als wir zum ersten Mal eine trans­parente Probe ohne Risse hergestellt hatten und die Waage einen Wert von über 20 Gramm, also über 100 Karat, für die Probe anzeigte, war die Faszi­nation natürlich noch größer“, fügt sein Kollege Martin Fischer hinzu.

Nun beschreiben die Augsburger Forscher erstmals im Detail eine solche Probe mit einem maximalen Durch­messer von 92 Millimetern und einem Gewicht von 155 Karat. Sie erklären auch die ungewöhn­lichen Phänomene, die bei der Bildung von Diamant­keimen ausschließlich auf Iridium auftreten. „Diese Phänomene wurden bereits in Dutzenden von Veröffentlichungen von Wissen­schaftlern weltweit überein­stimmend beschrieben, doch erst jetzt ist es gelungen, ein konsis­tentes Modell für ihre Erklärung zu entwickeln“, sagt Schreck. 

Die drei Wissen­schaftler sind auch vom wirtschaft­lichen Nutzen ihrer Entwicklung überzeugt. Sie haben im November 2015 gemeinsam die Augsburg Diamond Tech­nology GmbH gegründet. Das junge Startup-Unter­nehmen soll die techno­logische Entwicklung vorantreiben, um kommer­zielle Anwendung für die Diamant­schichten verschiedensten Technologie­feldern zu finden. Diese reichen von Schneid­werkzeugen für die Herstellung spiegelnder Ober­flächen von Werkstücken über optische Bauteile bis hin zu Detektoren an großen Teilchen­forschungs­einrichtungen. Am Cern etwa wurden erst kürzlich zwei Augs­burger Kristalle für Messungen in den Beschleuniger­ring eingebaut.

Auch zum Gelingen der Energie­wende könnten die Augsburger Scheiben einen wichtigen Beitrag liefern. „Seit Beginn meiner Arbeiten an der Universität Augsburg höre ich permanent in der Diamant­gemeinde, dass Diamant das ulti­mative Material für Hochleistungs­elektronik sei, wie sie für den Aufbau moderner Strom­netze benötigt wird“, bemerkt Schreck und fügt hinzu, dass auch er selbst häufig dieses Argument verwendet. Allerdings hat bisher noch niemand wirklich konkurrenz­fähige Bau­elemente demonstriert.

Erst vor wenigen Wochen präsen­tierten auch Werkstoff­forscher der Universität Erlangen-Nürnberg FAU großflächige kristalline Diamant­folien für den praktischen, anwendungs­orientierten Einsatz. In einem Versuchs­reaktor ist es ihnen gelungen, die mit einem Durchmesser von 28 Zentimetern weltgrößte kristalline Diamant­folie herzustellen. Die Herstellung der kristal­linen Diamant­folien erfolgte in einem Versuchsr­eaktor, in dem in einem mehr­tägigen Prozess auf einer 30 Zentimeter Durchmesser großen kreis­runden Träger­platte aus Silizium eine 40 Mikro­metern dicke Diamant­schicht gezüchtet wurde.

U Augsburg / FAU / JOL

Veranstaltung

Spektral vernetzt zur Quantum Photonics in Erfurt

Spektral vernetzt zur Quantum Photonics in Erfurt

Die neue Kongressmesse für Quanten- und Photonik-Technologien bringt vom 13. bis 14. Mai 2025 internationale Spitzenforschung, Industrieakteure und Entscheidungsträger in der Messe Erfurt zusammen

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen