21.05.2024

Photonische Kristalle aus Erbgutsträngen

DNA-Origami bietet neuen Ansatz, um Halbleiter für sichtbares Licht herzustellen.

Dass Schmetterlings­flügel in intensiven Farben schillern, verdanken sie keineswegs Farbpigmenten. Es sind photonische Kristalle, die für das Farbspiel verantwortlich sind. Ihre periodische Nanostruktur lässt das Licht bestimmter Wellenlängen passieren, während sie andere Wellenlängen reflektiert. Dadurch erscheinen die an sich transparenten Flügel­schuppen so strahlend bunt. Für Forschungsteams ist die Herstellung eines künstlichen photonischen Kristalls für Wellenlängen des sichtbaren Lichts schon seit ihrer theoretischen Vorhersage vor mehr als 35 Jahren eine große Heraus­forderung. Der Grund: „Photonische Kristalle bieten ein vielseitiges Anwendungs­spektrum. Mit ihrer Hilfe ließen sich effi­zientere Solarzellen, innovative Lichtleiter oder Materialen für die Quanten­kommunikation entwickeln. Aber sie lassen sich bisher nur sehr aufwändig herstellen“, erklärt Gregor Posnjak. In der Forschungs­gruppe von Tim Liedl an der LMU in München nutzt er DNA-Nano­technologie für einen neuen Ansatz zur Herstellung photonischer Kristalle.

Abb.: Photonische Kristalle mit Diamantstruktur aus DNA unter dem...
Abb.: Photonische Kristalle mit Diamantstruktur aus DNA unter dem Elektronenmikroskop.
Quelle: Liedl Lab

Das Team verwendet im Gegensatz zu Lithographie­verfahren DNA-Origami, um Bausteine zu entwerfen und zu verbinden. Diese fügen sich dann zu einem bestimmten Gitter zusammen. „Es ist seit Langem bekannt, dass das Diamantgitter theoretisch eine optimale Geometrie für photonische Kristalle aufweist. Im Diamant ist jedes Kohlenstoff­atom mit vier weiteren Kohlenstoff­atomen verbunden. Unsere Herausforderung bestand darin, die Struktur eines Diamant­kristalls um das 500-Fache zu vergrößern, sodass die Abstände zwischen den Bausteinen mit der Wellenlänge des Lichts vergleichbar sind“, erklärt Tim Liedl. „Wir haben die Perio­dizität des Gitters auf 170 Nanometer erhöht, indem wir die einzelnen Atome durch größere Bausteine ersetzt haben – in unserem Fall durch DNA-Origami“, sagt Posnjak.

Die Liedl-Gruppe zählt zu den weltweit führenden Forschungsteams für DNA-Origami und deren Selbstorganisation. Dafür nutzen die Wissen­schaftlerinnen und Wissen­schaftler einen langen, ringförmigen DNA-Strang und einen Satz aus 200 kurzen DNA-Klammern. „Letztere steuern die Faltung des längeren DNA-Strangs in nahezu jede beliebige Form – vergleichbar mit Origami-Meistern, die Papierstücke zu kompli­zierten Objekten zu falten. Wir können über die Klammern also kontrollieren, wie sich die DNA-Origami-Objekte zum gewünschten Diamantgitter verbinden“, sagt Posnjak. Die DNA-Origami-Bausteine bilden etwa zehn Mikrometer große Kristalle, die auf einem Substrat abgeschieden und von einer kooperierenden Forschungs­gruppe am Walter-Schottky-Institut der Technischen Universität München (TUM) übernommen werden.

Das Team von Ian Sharp ist in der Lage, einzelne Atomlagen Titandioxid auf allen Oberflächen der DNA-Origami-Kristalle abzu­scheiden. „Das DNA-Origami-Diamantgitter dient als Gerüst für Titandioxid, das aufgrund seines hohen Brechungsindex die photo­nischen Eigenschaften des Gitters bestimmt. Nach der Beschichtung lässt unser photonischer Kristall UV-Licht mit einer Wellenlänge von etwa 300 Nanometern nicht durch, sondern reflektiert es“, erklärt Posnjak. Die Wellenlänge des reflektierten Lichts lässt sich über die Dicke der Titandioxid­schicht steuern.

Für photonische Kristalle, die im Infrarot­bereich genutzt werden, eignen sich zwar klassische Lithographie­verfahren, welche aber aufwändig und teuer sind. Im Wellenlängenbereich des sichtbaren und UV-Lichts waren Lithographie­verfahren bislang nicht erfolgreich. „Deswegen bietet der vergleichsweise einfache Herstellungs­prozess über die Selbstorganisation von DNA-Origami in wässriger Lösung eine gute Möglichkeit, Strukturen der gewünschten Größe kostengünstig und in größeren Mengen zu produzieren“, sagt Tim Liedl. Er ist überzeugt, dass die einzigartige Struktur mit ihren großen Poren, die chemisch adressierbar sind, weitere Forschungs­impulse auslösen werden – zum Beispiel im Bereich der Energie­gewinnung und -speicherung.

LMU / JOL

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