Photonische Kristalle aus Erbgutsträngen
DNA-Origami bietet neuen Ansatz, um Halbleiter für sichtbares Licht herzustellen.
Dass Schmetterlingsflügel in intensiven Farben schillern, verdanken sie keineswegs Farbpigmenten. Es sind photonische Kristalle, die für das Farbspiel verantwortlich sind. Ihre periodische Nanostruktur lässt das Licht bestimmter Wellenlängen passieren, während sie andere Wellenlängen reflektiert. Dadurch erscheinen die an sich transparenten Flügelschuppen so strahlend bunt. Für Forschungsteams ist die Herstellung eines künstlichen photonischen Kristalls für Wellenlängen des sichtbaren Lichts schon seit ihrer theoretischen Vorhersage vor mehr als 35 Jahren eine große Herausforderung. Der Grund: „Photonische Kristalle bieten ein vielseitiges Anwendungsspektrum. Mit ihrer Hilfe ließen sich effizientere Solarzellen, innovative Lichtleiter oder Materialen für die Quantenkommunikation entwickeln. Aber sie lassen sich bisher nur sehr aufwändig herstellen“, erklärt Gregor Posnjak. In der Forschungsgruppe von Tim Liedl an der LMU in München nutzt er DNA-Nanotechnologie für einen neuen Ansatz zur Herstellung photonischer Kristalle.
Das Team verwendet im Gegensatz zu Lithographieverfahren DNA-Origami, um Bausteine zu entwerfen und zu verbinden. Diese fügen sich dann zu einem bestimmten Gitter zusammen. „Es ist seit Langem bekannt, dass das Diamantgitter theoretisch eine optimale Geometrie für photonische Kristalle aufweist. Im Diamant ist jedes Kohlenstoffatom mit vier weiteren Kohlenstoffatomen verbunden. Unsere Herausforderung bestand darin, die Struktur eines Diamantkristalls um das 500-Fache zu vergrößern, sodass die Abstände zwischen den Bausteinen mit der Wellenlänge des Lichts vergleichbar sind“, erklärt Tim Liedl. „Wir haben die Periodizität des Gitters auf 170 Nanometer erhöht, indem wir die einzelnen Atome durch größere Bausteine ersetzt haben – in unserem Fall durch DNA-Origami“, sagt Posnjak.
Die Liedl-Gruppe zählt zu den weltweit führenden Forschungsteams für DNA-Origami und deren Selbstorganisation. Dafür nutzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen langen, ringförmigen DNA-Strang und einen Satz aus 200 kurzen DNA-Klammern. „Letztere steuern die Faltung des längeren DNA-Strangs in nahezu jede beliebige Form – vergleichbar mit Origami-Meistern, die Papierstücke zu komplizierten Objekten zu falten. Wir können über die Klammern also kontrollieren, wie sich die DNA-Origami-Objekte zum gewünschten Diamantgitter verbinden“, sagt Posnjak. Die DNA-Origami-Bausteine bilden etwa zehn Mikrometer große Kristalle, die auf einem Substrat abgeschieden und von einer kooperierenden Forschungsgruppe am Walter-Schottky-Institut der Technischen Universität München (TUM) übernommen werden.
Das Team von Ian Sharp ist in der Lage, einzelne Atomlagen Titandioxid auf allen Oberflächen der DNA-Origami-Kristalle abzuscheiden. „Das DNA-Origami-Diamantgitter dient als Gerüst für Titandioxid, das aufgrund seines hohen Brechungsindex die photonischen Eigenschaften des Gitters bestimmt. Nach der Beschichtung lässt unser photonischer Kristall UV-Licht mit einer Wellenlänge von etwa 300 Nanometern nicht durch, sondern reflektiert es“, erklärt Posnjak. Die Wellenlänge des reflektierten Lichts lässt sich über die Dicke der Titandioxidschicht steuern.
Für photonische Kristalle, die im Infrarotbereich genutzt werden, eignen sich zwar klassische Lithographieverfahren, welche aber aufwändig und teuer sind. Im Wellenlängenbereich des sichtbaren und UV-Lichts waren Lithographieverfahren bislang nicht erfolgreich. „Deswegen bietet der vergleichsweise einfache Herstellungsprozess über die Selbstorganisation von DNA-Origami in wässriger Lösung eine gute Möglichkeit, Strukturen der gewünschten Größe kostengünstig und in größeren Mengen zu produzieren“, sagt Tim Liedl. Er ist überzeugt, dass die einzigartige Struktur mit ihren großen Poren, die chemisch adressierbar sind, weitere Forschungsimpulse auslösen werden – zum Beispiel im Bereich der Energiegewinnung und -speicherung.
LMU / JOL