22.02.2021

Dicker als gedacht

Schwarzes Loch Cygnus X-1 ist wesentlich massereicher als lange Zeit angenommen.

Ein internationales Team von Astro­physikern unter Beteiligung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat neue Erkenntnisse über Cygnus X-1 gewonnen. Das schwarze Loch und sein Begleit­stern in der Milch­straße sind weiter von der Erde entfernt und wesentlich masse­reicher als bisher angenommen. Das Projekt liefert zugleich neue Antworten auf die Frage, wie schwarze Löcher überhaupt entstehen. 
 

Abb.: Größenvergleich des Systems Cygnus X-1 mit unserer Sonne (Bild: Int....
Abb.: Größenvergleich des Systems Cygnus X-1 mit unserer Sonne (Bild: Int. Centre for Radio Astron. Res.)

Den ersten Hinweis gab es bereits 1964: Zwei Geigerzähler an Bord einer suborbitalen Rakete, die von New Mexico aus abgefeuert wurde, registrierten eine starke Röntgen­quelle in unserer Milchstraße. Acht Jahre später entdeckte der Astronom Tom Bolton, dass diese Röntgen­quelle um den Stern HDE 226868, einen blauen Riesen, kreist. Bolton schloss daraus, dass es sich bei Cygnus X-1 – so der Name der unsichtbaren Quelle – um ein schwarzes Loch handeln müsse. Diese Annahme wurde durch spätere Beobachtungen bestätigt. „Cygnus X-1 ist das erste schwarze Loch, das in unserer Milchstraße entdeckt wurde“, erklärt Jörn Wilms, Astro­physiker der Universitäts­sternwarte der FAU. 

Die tatsächliche Entfernung des Systems von der Erde konnte bislang nur grob geschätzt werden, ebenso wie die Massen des schwarzen Lochs und seines Begleit­sterns. Wilms hat deshalb ein ambitioniertes Projekt initiiert, zu dem sich ein inter­nationales Team von Astronomen zusammen­geschlossen hat. Die Forscher nutzten das Very Long Baseline Array, ein Cluster aus zehn in den USA verteilten Radio­teleskopen, um eine präzise Paralaxen­messung vorzunehmen. „Die Messung basiert auf dem Prinzip, dass man die Entfernung eines Objektes bestimmen kann, indem man es von zwei verschiedenen Orten aus betrachtet“, sagt Jörn Wilms. „Die unterschiedlichen Beobachtungs­positionen ergeben sich unserem Fall durch die Bewegung der Erde um die Sonne.“

Über einen Zeitraum von sechs Tagen haben die Wissenschaftler um Projekt­leiter James Miller-Jones vom International Centre for Radio Astronomy Research (ICRAR) das Cygnus-System beobachtet und dabei über 2000 Messwerte aufgezeichnet. Das Ergebnis: Cygnus X-1 ist deutlich weiter von der Erde entfernt als bislang angenommen – etwa 7200 anstatt der zuvor geschätzten 6100 Licht­jahre. „Aus dieser Kalibrierung ergibt sich auch, dass Cygnus deutlich größer sein muss“, erklärt Jörn Wilms. „Wir haben errechnet, dass das schwarze Loch mehr als zwanzig Mal so massereich wie die Sonne ist“, sagt Jörn Wilms. „Das ist übertrifft frühere Schätzungen um fünfzig Prozent.“

Diese Erkenntnis wirft zugleich ein neues Licht auf die Entstehung schwarzer Löcher überhaupt: Bislang ging die Forschung davon aus, dass helle Sterne bis zur Supernova-Explosion sehr viel Masse an ihre Umgebung verlieren. Wilms: „Durch Sternwinde wird Materie von der Oberfläche quasi weggeblasen. Damit ein schwarzes Loch jedoch so massiv werden kann wie Cygnus X-1, muss dieser Masse­verlust deutlich geringer sein, als wir dachten.“

Anhand der aktuellen Messdaten gehen die Forscher davon aus, dass das schwarze Loch im Cygnus X-1-System sein Leben als Stern begann, der ungefähr sechzig Mal so groß wie die Sonne war und vor Zehn­tausenden von Jahren kollabiert ist. Trotz seiner gigantischen Größe umkreist es in nur fünfeinhalb Tagen seinen Begleit­stern HDE 226868, wobei die Umlaufbahn nur ein Fünftel der Entfernung zwischen Erde und Sonne beträgt. Dabei dreht sich Cygnus X-1 unglaublich schnell – sehr nahe an der Licht­geschwindigkeit und damit schneller als jedes andere bisher gefundene schwarze Loch. Die extrem starke Röntgenstrahlung entsteht dadurch, dass der Begleitstern einen Teil seiner Masse an das schwarze Loch verliert und dabei eine Scheibe aus Gas bildet, die sich durch Reibung auf mehrere Millionen Grad erhitzt.

„Schwarze Löcher zählen nach wie vor zu den bestgehüteten Geheimnissen des Universums“, sagt Jörn Wilms. „Mit unserem Projekt haben wir einen weiteren Teil dieses Geheimnisses lüften können.“ Im kommenden Jahr soll der Bau des Square Kilometer Array (SKA) in Australien und Südafrika beginnen, das die Empfindlichkeit des aktuell größten Radio­teleskops der Welt nochmals übertrifft und das Universum noch detaillierter abbilden kann. 

FAU / DE
 

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