09.12.2024

Die Aerodynamik von Güterzügen

Spezieller Messcontainer des DLR verfügt über mehrere hundert Hightech-Sensoren, um Druck, Beschleunigung und Vibration zu messen.

Mehrere tausend Kilometer ist ein spezieller Mess-Container des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in den vergangenen Monaten auf Güterzügen durch Europa gereist. Seine Aufgabe: Erstmals und automatisiert umfassende Daten zur Aerodynamik von Güterzügen zu sammeln. Der „FR8-LAB“-Container fuhr von Dänemark bis Spanien wie ein normaler Transportcontainer mit. Güterzüge sind teilweise mehrere hundert Meter lang, oft mit größeren Lücken zwischen den Containern. Um Klima und Umwelt zu schonen und das Straßennetz zu entlasten, soll in Zukunft wieder mehr Fracht mit der Bahn befördert werden. Dazu muss der Warentransport auf der Schiene wieder attraktiver werden. Das bedeutet vor allem: flexibler und schneller – eine Herausforderung für Fahrzeuge, Infrastruktur und Betreiber.

Abb.: Das FR8-LAB ist ein spezieller Mess-Container des DLR.
Abb.: Das FR8-LAB ist ein spezieller Mess-Container des DLR. Er liefert erstmals und automatisiert umfassende Daten zur Aerodynamik von Güterzügen. Ziel der Forschungsarbeiten: Den Güterverkehr auf der Schiene wieder schneller, energieeffizienter und noch sicherer zu machen.
Quelle: DLR; CC BY-NC-ND 3.0

„Je schneller Güterzüge fahren, desto wichtiger wird ihre Aerodynamik“, erklärt James Bell vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Göttingen. „Grob gesagt: Wenn sich die Geschwindigkeit verdoppelt, vervierfacht sich der aerodynamische Widerstand. Er wirkt sich entscheidend auf den Energieverbrauch von Güterzügen aus, aber auch auf Sicherheitsaspekte. Beides können wir mit den Daten aus dem FR8-LAB erstmals genauer untersuchen.“

Das FR8-LAB ist ein am DLR entwickelter und europaweit einmaliger Mess-Container. Von außen unterscheidet er sich nur durch seine Beschriftung von den Transport-Containern. In seinem Inneren ist jedoch Hightech-Sensorik verbaut: Mehrere hundert Sensoren bestimmen Druck, Beschleunigung und Vibration, die bei der Fahrt auf den Container wirken. Infrarot-Kameras und laserbasierte Sensoren nehmen die Umgebung wahr. Außerdem ermitteln sie die Geschwindigkeit und den Abstand des FR8-LAB zu den Containern vor und hinter ihm sowie zu Tunnel-, Lärmschutzwänden oder anderen Zügen. Die DLR-Forscher können die zeitlich und räumlich hochaufgelösten Daten in Echtzeit aus der Ferne abrufen. Eine Batterie und Solarzellen auf dem Dach des FR8-LAB sorgen für die benötige Energie.

„Der große Vorteil unseres FR8-LAB ist, dass es wie normale Container huckepack auf üblichen Container-Tragwagen mitfahren kann. Wir brauchen keine separate Zulassung und können so sehr günstig und unkompliziert Fahrversuche im echten Bahnbetrieb und auch über lange Strecken machen. Das Ergebnis sind spannende, umfassende Datensätze, die in dieser Form bisher nicht gibt“, erläutert Bell. Das DLR-Team vergleicht diese Daten dann mit Simulationen und Versuchen, bei denen Güterzug-Modelle im Windkanal getestet wurden.

Erste Ergebnisse zeigen, dass es sich lohnt, die einzelnen Wagen eines Güterzugs ohne größere Lücken aneinander zu reihen und so aerodynamisch effizienter zu machen. Bislang erfolgt das Zusammenstellen von Güterzügen häufig noch von Hand und ist wenig flexibel. Die Digitalisierung des Schienenverkehrs – in diesem Kontext vor allem die Planung der Wagenreihung und das Zusammenstellen der Züge mittels digitaler, automatischer Kupplung – kann dabei unterstützen. „Kleinere Lücken bis zu einem Meter kann man aus aerodynamischer Sicht vernachlässigen. Größere Lücken fallen jedoch deutlich ins Gewicht. Verbessert man hier das Zusammenstellen der Wagen, sind Energieeinsparungen im zweistelligen Prozentbereich möglich“, bilanziert Bell.

Sollen Güterzüge in Zukunft schneller unterwegs sein, wirkt sich die veränderte Aerodynamik auch auf die Sicherheit von anderen Zügen, den Menschen und der Infrastruktur aus. Ein Beispiel ist der Slip-Stream. Darunter versteht man den Luftsog, den Züge verursachen, wenn sie durch einen Bahnhof fahren. Bei Personenzügen ist dieser Effekt gut untersucht. Bei Güterzügen mit höheren Geschwindigkeiten weiß man noch nicht genau, wie groß dieser Effekt bei unterschiedlichen Wagenreihungen ist. Ein weiteres Beispiel ist der Druckanstieg, wenn ein Güterzug in einen Tunnel fährt. Große Lücken zwischen den einzelnen Wagen können bei höheren Geschwindigkeiten größere Druckschwankungen auslösen und die Infrastruktur – wie Notausgänge, Beleuchtung, Lüftung in Tunneln – stärker als bisher belasten. „Zu all diesen Aspekten können wir mit den FR8-LAB-Daten neue Erkenntnisse gewinnen – für unsere eigene Forschung und für Anfragen aus der Bahnindustrie“, so Bell. In Zukunft könnte das FR8-LAB auch im Lkw-Bereich zum Einsatz kommen, um aerodynamische Fragestellungen unter die Lupe zu nehmen.

DLR / RK

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