29.07.2019

Die Arktis im Radarblick

Bislang vollständigste Übersicht über Entwicklung des arktischen Meeresspiegels veröffentlicht.

In den vergangenen 22 Jahren ist der Meeresspiegel in der Arktis um durchschnittlich 2,2 Millimeter jährlich gestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt ein dänisch-deutsches Forscherteam, das mit Hilfe eigens entwickelter Algorithmen 1,5 Milliarden Radarmessungen verschiedener Satelliten ausgewertet hat. 
 

Abb.: Die Karte zeigt, dass sich der durchschnittliche Anstieg des...
Abb.: Die Karte zeigt, dass sich der durchschnittliche Anstieg des Meeresspiegels in der Arktis regional unterschiedlich auswirkt. (Bild: DTU / DGFI-TUM)

„Die Arktis ist ein Hotspot des Klimawandels“, erklärt Florian Seitz vom Deutschen Geodätischen Forschungsinstitut der Technischen Universität München (TUM). „Durch die steigenden Temperaturen gehen die Gletscher Grönlands zurück, gleichzeitig schmilzt das Meereis. Milliarden Liter Schmelzwasser gelangen so jedes Jahr in den Ozean.“ Die enormen Süßwassermengen, die in der Arktis freigesetzt werden, lassen nicht nur den Meeresspiegel ansteigen, sondern haben auch das Potenzial, das weltweite System von Meeresströmungen und damit unser Klima zu verändern.

Doch wie schnell steigt der Meeresspiegel? Und welche Auswirkungen hat dies im Detail? Um diese Fragen beantworten zu können, brauchen Klimatologen und Ozeanographen konkrete Messwerte über einen möglichst langen Zeitraum.

Gemeinsam haben Forscher der Technischen Universität Dänemark (DTU) und der TUM nun die Meeresspiegeländerung in der Arktis über mehr als zwei Jahrzehnte flächendeckend dokumentiert. „Diese Studie basiert auf Radarmessungen aus dem Weltraum mittels sogenannter Altimeter-Satelliten und umfasst den Zeitraum von 1991 bis 2018. So haben wir den bisher vollständigsten und genauesten Überblick über die Veränderungen des Meeresspiegels im Arktischen Ozean erhalten. Diese Informationen sind wichtig, um den zukünftigen Meeresspiegel im Zusammenhang mit dem Klimawandel abschätzen zu können", sagt Stine Kildegaard Rose, Wissenschaftlerin an der DTU.

„Die Herausforderung lag darin, in den Messdaten die Signale des Wassers zu finden: Radarsatelliten messen nur den Abstand zur Oberfläche: Weite Flächen der Arktis sind jedoch mit Eis bedeckt, welches das Meerwasser verdeckt“, erklärt Marcello Passaro. Der TUM-Forscher hat Algorithmen entwickelt, mit denen sich die Echos des Ozeans dort identifizieren und auswerten lassen, wo er durch Risse im Eis an die Oberfläche dringt. Radarsignale, die hier reflektiert wurden, geben Aufschluss auf die Höhe des Meeresspiegels. Mit Hilfe der Algorithmen gelang es Passaro 1,5 Milliarden Radarmessungen der Satelliten ERS-2 und Envisat aufzubereiten und zu homogenisieren. Das Team der DTU reprozessierte zusätzlich die Messwerte der aktuellen Radarmission CryoSat.

Gemeinsam erstellten die Wissenschaftler für jeden Monat zwischen 1996 und 2018 eine Landkarte mit Gitterpunkten, welche die Höhe des Meeresspiegels anzeigt. Aus der Summe der Monatskarten lässt sich jetzt der langfristige Trend ablesen: Der Meeresspiegel in der Arktis stieg um durchschnittlich 2,2 Millimeter im Jahr.

Dabei gibt es erhebliche regionale Unterschiede: Innerhalb des Beaufort-Wirbels, nördlich von Grönland, Kanada und Alaska, stieg der Meeresspiegel doppelt so schnell als im Durchschnitt – um mehr als zehn Zentimeter in 22 Jahren. Der Grund: Hier sammelt sich das salzarme Schmelzwasser, gleichzeitig erzeugt ein steter Ostwind eine Strömung, die eine Durchmischung mit anderen Meeresströmungen verhindert. Entlang der Küste Grönlands hingegen sinkt der Meeresspiegel, an der Westküste sogar um mehr als fünf Millimeter pro Jahr, weil durch das Abschmelzen der Gletscher die Gravitationskraft abnimmt. „Mit Hilfe der homogenisierten und aufbereiteten Messungen können künftig Klimaforscher und Ozeanographen ihre Modelle überprüfen und verbessern“, resümiert Passaro.

TUM / DE
 

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