Die dunkle Seite der Röntgenmikroskopie
Neuen Methode macht Risse und Einschlüsse in der Nanometerdimension sichtbar.
Die Qualität muss stimmen. Das gilt auch für die Materialwissenschaften. Wenn Metallteile zusammengeschweißt werden, dann muss man wissen, ob die Schweißnaht etwas taugt – oder ob sich im Inneren kleine Risse oder Poren gebildet haben, die zu Schäden führen können. Hochleistungsmaterialen für die Elektroden von Elektroauto-Batterien oder für Brennstoffzellen wiederum müssen perfekte Feinstrukturen aufweisen, damit der Strom ungestört fließt. Um die Auswirkung von Veränderungen in Materialien besser zu verstehen und eventuelle Fehler aufzuspüren, wird Röntgenlicht schon länger verwendet, um Werkstoffe zu untersuchen. Bei herkömmlichen Röntgenbildern werden Strukturen durch die Abschwächung von Röntgenstrahlen sichtbar gemacht. Das reicht jedoch oft nicht aus, um sehr kleine oder wenig dichte Strukturen zu erkennen.
Sami Wirtensohn und Silja Flenner vom Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht ist es jetzt gelungen, solche kleinen Strukturen im Nanometerbreich mit einer neuen Methode sichtbar zu machen. Anders als bei einem gewöhnlichen Röntgenbild nutzen sie nicht das abgeschwächte Licht selbst, sondern das von dem durchleuchteten Gegenstand gestreute Licht, das in verschiedene Richtungen abgelenkt wird.
„Strukturen von Nanometerdimension, wie zum Beispiel winzige Risse, streuen das Licht – und diese Streuung kann man sehen“, erläutert Wirtensohn. So werden Details und Strukturen sichtbar, die normalerweise nicht oder nur schwer zu erkennen sind. Das Besondere: „Mit der Technik werden jetzt sogar Strukturen unterhalb des Auflösungsvermögens des Röntgenmikroskops sichtbar", so Flenner.
Die Herausforderung bei dem neuen Ansatz bestand darin, dass die Forscher das abgeschwächte Licht des Gegenstands gewissermaßen unterdrücken mussten, damit das Streuungsbild überhaupt sichtbar wird. In der Röntgenmikroskopie nutzen sie daher Optiken, die das Röntgenlicht so verändern, dass die Strahlen in einem bekannten Muster verlaufen. Mit dem Einbau einer Blende können diese Röntgenlichtstrahlen dann blockiert werden. Das Streulicht dagegen ändert beim Durchdringen der Probe seine Richtung und kann daher die Blenden passieren. Hieraus ergibt sich das Dunkelfeld Bild, erstmals mit Nanometer Auflösung. „Damit erhalten wir jetzt eine Aufnahme, in der die Nanostrukturen durch die Streuung sehr gut sichtbar werden“, sagt Wirtensohn.
Für die Materialforschung ist das ein Gewinn mit geringem Aufwand. „Erstmals steht nun eine praxistaugliche Methode für Dunkelfeld Bildgebung zur Verfügung, da sie einfach im Röntgenmikroskop umzusetzen ist“, sagt Imke Greving, Leiterin des Teams der Röntgenmikroskopie an der Hereon-Bildgebungsstrahllinie P05 am Deutschen Elektronen Synchrotron.
Derartige Röntgenmikroskope werden an großen Synchrotron-Anlagen betrieben, von denen es weltweit nur einige Dutzend gibt. Diese könnten künftig einfach mit einer Blende nachgerüstet werden, um Dunkelfeld-Mikroskopie zu ermöglichen. Das würde sich lohnen, weil Firmen oder Materialforscher damit sehr viel besser nach winzigen Defekten und Fehlstellen in Materialien suchen könnten.
Hereon / RK