30.11.2015

Die Dynamik des Partnertauschs

Forscher untersuchen Einfluss der abgestoßene Bindungspartner bei nukleophilen Substitutionsreaktionen.

Neue Einsichten in den Ablauf wichtiger chemischer Reaktionen konnten Physiker der Universität Innsbruck durch eine Kombination von Experimenten und Simulationen gewinnen. Beim Aufbau organischer Verbindungen spielen nukleophile Substitutionsreaktionen eine große Rolle. Dabei greift ein bindungsfreudiges, meist negativ geladenes Atom oder Molekül ein organisches Molekül so an, dass dieses einen bisher an das Molekül gebundenen Partner abstößt, um die neue Verbindung eingehen zu können. Die Physiker konnten nun nachweisen, welchen Einfluss der abgestoßene Partner auf die Reaktionsdynamik hat.

Die nukleophile Substitution spielt eine wichtige Rolle bei der organischen Synthese, etwa bei der Herstellung von Vitaminen oder bei der Bildung von Adrenalin in lebenden Zellen. Der angreifende nukleophile Reaktionspartner besitzt reaktionsbereite Elektronen. Diese ermöglichen ihm, eine Bindung zu einem zentralen Kohlenstoffatom einzugehen. Bei der damit gestarteten Austauschreaktion wird der bisherige Partner abgestoßen, während das Molekül eine neue Bindung mit dem Angreifer eingeht.

Seit mehreren Jahrzehnten versuchen Chemiker und Physiker, diese Vorgänge auf fundamentalem atomaren Niveau zu verstehen und in Laborexperimenten zu untersuchen. Nun gelang es Roland Wester und seiner Arbeitsgruppe am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck, in dieser inzwischen eigentlich als gut verstanden geglaubten Reaktion überraschende neue Aspekte der Reaktionsdynamik zu entdecken.

In Kooperation mit der Theoriegruppe um Gabor Czako von der Universität Szeged in Ungarn konnten die Forscher durch eine Kombination aus Experimenten und Simulationen erstmals klarstellen, welche subtile Rolle der abgestoßene Partner beim dynamischen Ablauf einer solchen Austauschreaktion spielt. Die Wissenschaftler untersuchten dazu den Austausch von negativ geladenen Halogenen an einer grundlegenden organischen Molekülstruktur, der Methylgruppe CH.

Wester und seine Kollegen verwendeten dazu zwei gekreuzte Strahlen, in denen einerseits die neutralen Moleküle und andererseits die angreifenden Halogen-Ionen aufeinander treffen. Die nach der Reaktion beim Zusammentreffen abgestoßenen Ionen analysierten sie schließlich mit Detektoren, welche die Geschwindigkeiten der Reaktionsprodukte ermittelten. Die überraschenden Ergebnisse des Experiments: Im Vergleich mit numerischen Simulationen der chemischen Reaktionsdynamik traten starke Unterschiede zwischen den dynamischen Abläufen der Reaktionen je nach abgestoßenem Partner zutage.

Daraus lässt sich schließen, wie stark das Halogen-Ion kurz vor der Reaktion in der Lage ist, etwa die neutralen Moleküle entweder zu seinen Gunsten auszurichten, oder eher zu inneren Schwingungen anzuregen. Insgesamt hängt also unerwartet deutlich vom bisherigen Partner ab, ob und auf welche Art das angreifende Ion die bestehende Beziehung aufbrechen kann, vermelden die Forscher.

U. Innsbruck / PH

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