Die elektrische Leitfähigkeit des Erdmantels
Nicht Wasser oder geschmolzene Silikate, sondern Karbonat-Schmelzen sollen die gute elektrische Leitfähigkeit verursachen
Nicht Wasser oder geschmolzene Silikate, sondern Karbonat-Schmelzen sollen die gute elektrische Leitfähigkeit verursachen.
Orleans (Frankreich) – Keine Tiefbohrung reicht bis in den oberen Erdmantel, der sich zwischen 40 und 900 Kilometer Tiefe erstreckt. Mit komplexen Modellen, seismischen Wellen, magnetotellurischen Daten und Laborversuchen können Geophysiker dennoch den Aufbau dieser Erdschichten entschlüsseln. So weist der hauptsächlich aus Olivin-Mineralen bestehende obere Erdmantel eine hohe elektrische Leitfähigkeit auf. Vermuteten Forscher bisher die Ursache dafür in Wasseranteilen oder geschmolzenen Silikaten, erklären nun französische und italienische Geowissenschaftler dieses Phänomen mit geringen Konzentrationen von Karbonatschmelzen. Ihre Ergebnisse präsentieren sie in der Zeitschrift "Science".
"Wir zeigen, dass die Leitfähigkeit der ozeanischen Asthenosphäre mit Anteilen an Karbonatschmelzen von 0,1 Volumenprozent erklärt werden kann", schreiben Fabrice Gaillard und seine Kollegen von der Université d'Orléans und dem Instituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia in Palermo. In ihrem Labor stellten sie die Druck- und Temperaturbedingungen nach, die in bis zu 360 Kilometer Tiefe herrschen. Messungen an Lithium-, Kalium- und Magnesiumkarbonaten ergaben, dass die elektrische Leitfähigkeit bei Temperaturen von 400 bis 1000 Grad Celsius auf Werte zwischen 50 und 200 Siemens pro Meter ansteigen. Karbonatschmelzen sind damit 1000 mal leitfähiger als geschmolzene Silikate und leiten Strom sogar 100.000 besser als Olivin-Minerale mit Wasseranteilen.
Abb.: Ol Dinyo Lengai in Nord Tansania ist der einzige aktive Karbonatit-Vulkan der Welt. Aufsteigende Gase aus den Lava-Seen erzeugen gewaltige Ausbrüche, bei denen Magma meterhoch in die Luft geschleudert wird. (Bild: Hannes Bjorn Mattsson)
Auf der Grundlage dieser Messungen konnten Gaillard und Kollegen abschätzen, dass sehr geringe Karbonatanteile von bis zu 0,1 Volumenprozent im oberen Erdmantel ausreichen, um die elektrische Leitfähigkeit der Gesteinsschichten zu erklären. Sie untermauern ihre Karbonat-Theorie mit Proben vom Mittelozeanischen Rücken im Pazifik. Hier entsteht fortwährend neuer Meeresboden aus Gesteinsmassen, die aus den Tiefen des oberen Erdmantels aufsteigen. Die Zusammensetzung dieses Krustengesteins mit seinen Anteilen an Kohlendioxid legt nahe, dass tatsächlich Karbonate und weder Silikatschmelzen noch wasserhaltige Olivine für die elektrische Leitfähigkeit im Erdmantel verantwortlich zeichnen.
Mit diesen Ergebnissen müssen die bisher gängigen Modelle zur Zusammensetzung des oberen Erdmantels wahrscheinlich überarbeitet werden. Das kann nicht nur zu einem besseren Verständnis der Mineralschmelzen im Erdmantel führen, sondern auch wichtige Daten für die Gewinnung von Rohrstoffen in der Zukunft liefern. "Kohlenstoffreiche Schmelzen haben das Potenzial, einen weiteren Austausch von Kohlenstoff zwischen Mantel und Erdöberfläche zu verstehen: Diamanten", schreibt Rob L. Evans, Geologe von der Woods Hole Oceanographic Institution, in einem begleitenden Kommentar. Weitere Untersuchungen von geologisch jungen Krustengesteinen, gesammelt an anderen Stellen der Mittelozeanischen Rücken, können wichtige Hinweise liefern, ob die Leitfähigkeit der Mantelgesteine tatsächlich auf Karbonatschmelzen beruht.
Jan Oliver Löfken
Weitere Infos
Weiterführende Literatur:
- N. H. Sleep, K. Zahnle, J. Geophys. Res. 106, 1373 (2001)
- R. Dasgupta et al., Geology 35, 135 (2007)
- Y. Yang et al., Earth Planet. Sci. Lett. 258, 260 (2007)
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