Die Erde als Schneeball
Rolle der Wolken in der Klimageschichte deutet auf völlige Vereisung der Ozeane im Cryogenium hin.
Waren die Ozeane der Erde im Cryogenium – vor rund 700 Millionen Jahren – vollständig mit Eis bedeckt oder zog sich ein eisfreier Wassergürtel um den Äquator, in dem Schwämme und andere Lebensformen überleben konnten? Ein Forschungsteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Wien konnte nun in globalen Klimamodellen zeigen, dass ein Klimazustand mit einem Wassergürtel eher unwahrscheinlich und damit keine zuverlässige Erklärung für das Überdauern von Leben im Cryogenium ist. Grund dafür ist der unsichere Einfluss von Wolken auf das damalige Klima.
Vom Weltraum aus hätte die Erde während der globalen Eiszeiten im Cryogenium möglicherweise wie ein großer Schneeball ausgesehen. Die Geowissenschaft bezeichnet diese in der Forschung etablierte Annahme einer geschlossenen Meereisdecke deshalb als Schneeballerde-Theorie. Noch ist insbesondere ungeklärt, wie Schwämme – von denen fossile Funde zeugen – in dem sehr kalten Schneeballerde-Klima überlebt haben könnten. Deshalb haben einige Forscher als alternative Theorie einen eisfreien Wassergürtel um den Äquator vorgeschlagen.
Klimaforscher des KIT haben gemeinsam mit Kollegen der Universität Wien die klimatischen Bedingungen während des Cryogeniums mit globalen Klimamodellen und einem idealisierten Energiebilanzmodell untersucht. Sie erwarteten, in den simulierten Szenarien einen Klimazustand mit einem Wassergürtel zu finden, um zu untersuchen, unter welchen Bedingungen dieser stabil bleibt. „Wir waren überrascht, dass sich dieser Zustand in den Modellen als nicht robust zeigt“, sagt Christoph Braun vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung, Department Troposphärenforschung (IMK-TRO) des KIT. Das Leben im Cryogenium sei also wahrscheinlich den harten Evolutionsbedingungen global vereister Ozeane ausgesetzt gewesen.
Aus der Studie ergaben sich neue Erkenntnisse über die Rolle der Wolken: „Wolken und ihre Strahlungsreflexion sind wichtig für die Stabilität eines Wassergürtel-Zustands – dieser starke Einfluss war bisher nicht bekannt“, betont der Doktorand und Erstautor der Studie. Mit dem in der Veröffentlichung vorgeschlagenen Wolken-Reflektivitäts-Mechanismus ließen sich die Ergebnisse früherer Studien neu interpretieren und möglicherweise zu einem in sich stimmigeren Bild verknüpfen.
„Mit den globalen Klimamodellen und einem idealisierten Klimabilanzmodell können wir den Einfluss der Reflektivität von Wolken zeigen und die zugrundeliegenden Prozesse erklären“, sagt Braun. „Wie stark die Reflektivität der Wolken im Cryogenium gewesen ist, lässt sich damit jedoch nicht beurteilen, denn die Unsicherheit bei der Repräsentation von Wolken in globalen Klimamodellen ist groß.“ Entscheidend für das Rückstrahlungsvermögen ist, wie effizient Wassertröpfchen in Eis umgewandelt werden, was unter anderem von Art und Menge der als Eiskeime wirkenden Aerosole abhängt. Diese Vorgänge spielen sich auf einer Millimeterskala ab, während sich die Rechengitter der Modelle bislang in der Größenordnung von mehr als 100 Kilometern bewegen. Die Ergebnisse zeigen, dass Wolken entscheidend sind, um Klimaänderungen vorherzusagen und die Dynamik erdgeschichtlicher Vergletscherungen zu verstehen. „Wolken erschweren uns nicht nur den Blick in die Zukunft, sondern auch in die Vergangenheit“, so Braun.
Die Erkenntnisse der Forscher könnten künftig auch nützlich sein, um zu beurteilen, ob Planeten außerhalb unseres Sonnensystems bewohnbar sind. „Interessant wird dies zum Beispiel, wenn zukünftige Beobachtungen des James-Webb-Weltraumteleskops Blicke auf Wolken in den Atmosphären extrasolarer Planeten ermöglichen“, sagt Braun. Die Forscher des KIT haben die Simulationen auf dem Hochleistungsrechner Mistral des Deutschen Klimarechenzentrums in Hamburg durchgeführt. „Als nächsten Schritt haben wir begonnen, Wolken unter den klimatischen Bedingungen des Cryogeniums auf feineren Rechengittern zu simulieren. So können wir untersuchen, ob und wie die mit den Wolken einhergehende Unsicherheit verringert werden kann“, sagt Braun.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat das im Mai 2022 abgeschlossene Forschungsprojekt innerhalb des DFG-Projekts „Ist die Jormungandhypothese eine mögliche alternative Erklärung für die Neoproterozoischen Eiszeiten?“ drei Jahre lang mit insgesamt 202.000 Euro gefördert. Für die Simulationen wurde das Atmosphärenmodell ICON verwendet, an dessen Entwicklung das KIT in einem Konsortium mit dem Max-Planck-Institut für Meteorologie und dem Deutschen Wetterdienst beteiligt ist.
KIT / DE