Die Grenzen des Windenergie-Wachstums
Analyse sagt noch deutliche Zubaumöglichkeiten für die deutsche Bucht voraus.
Die Offshore-Windenergie in der Nordsee spielt eine wichtige Rolle bei der europäischen Energiewende. Werden sich diese Windparks, da in den nächsten dreißig Jahren immer mehr davon geplant werden, allmählich der Grenze der tatsächlich vorhandenen Windenergie nähern? Agora Energiewende und Agora Verkehrswende haben jüngst ihren Bericht über die Offshore-Windenergie veröffentlicht.
Beteiligt daran waren zwei Gruppen von Wissenschaftlern, die zunächst recht unterschiedliche Perspektiven zur Einschätzung der Windressourcen hatten. Die Gruppe um Axel Kleidon, Erdsystemwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Biogeochemie (MPI-BGC) in Jena, hat sich bereits früher für die Untersuchung der Grenzen der Windenergie ausgesprochen. Da viele Windturbinen der Atmosphäre kinetische Energie entziehen, verlangsamen sich die Windgeschwindigkeiten, was die Effizienz von Windturbinen und Windparks in großem Maßstab verringert. Diese Reduzierung kann ein relativ niedriges Windenergiepotenzial pro Flächeneinheit von Windparks verursachen.
Jake Badger, ein Windenergie-Experte aus der Abteilung für Windenergie der Technischen Universität Dänemark (DTU Windenergie), leitete die andere Gruppe und brachte seine Erfahrungen mit standortbezogenen Bewertungen von Windenergie-Potenzialen ein. Er argumentierte, dass große Offshore-Windparks immer noch sehr effektiv sein können, um an den richtigen Stellen viel erneuerbare Energie zu erzeugen. Wie sich herausstellt, sind sich nun beide einig, dass ihre beiden Perspektiven zutreffend sind. Die Offshore-Windenergie in der Nordsee kann einen großen Beitrag zu den erneuerbaren Energien leisten, doch müssen schwächere Winde in den Szenarien für die künftige Offshore-Windenergie berücksichtigt werden.
Um zu einer Übereinstimmung zu gelangen, untersuchten die Gruppen von Badger und Kleidon gemeinsam, wie viel Strom durch die Installation von Windkraftanlagen in der Deutsche Bucht potenziell erzeugt werden könnte. Der Wind über der Nordsee weht in der Regel mit höheren Geschwindigkeiten als über dem Land, so dass die Windkraftanlagen mehr Strom auf See erzeugen können. Die deutschen Energieszenarien für das Jahr 2050 sehen einen erheblichen Ausbau der Offshore-Windenergie vor, wobei in den nächsten dreißig Jahren etwa die achtfache Leistung in der Deutschen Bucht installiert werden soll. Die Wissenschaftler zogen eine Reihe von Szenarien in Betracht, um auch den extremeren Ausbau der Offshore-Windenergie abzudecken, damit sie konsistente Trends bei den Windgeschwindigkeiten und den Turbinenwirkungsgraden finden konnten. Diese Szenarien wurden mit zwei recht unterschiedlichen Methoden bewertet. Badger verwendete ein Wettervorhersagemodell, das die Auswirkungen von Windparks mit einbezog und auf einem Supercomputer lief, um die Erträge und die Verlangsamung des Windes zu simulieren. Kleidon griff auf ein Budgetierungsmodell für die kinetische Energie in einer Tabellenkalkulation zurück.
Beide fanden die gleichen Trends: Je mehr Windparks innerhalb der Deutschen Bucht installiert werden, desto schwächer werden die Winde, was den durchschnittlichen Wirkungsgrad der Anlagen senkt. Kleidon erklärt: „Der größte Teil der Windenergie, die die Turbinen in kleinen oder mittleren Windparks nutzen, kommt aus den Aufwindregionen und nicht aus den Winden in höheren Luftschichten. Je größer also die Windparks in der Abwindrichtung sind, desto mehr wird die Windenergie erschöpft, was zu einem Rückgang der Windgeschwindigkeit führt.“ Badger fügt hinzu: „Trotz dieser schwächeren Winde hat die Offshore-Windenergie ihre physikalische Ressourcengrenze noch nicht erreicht und kann in sehr großen Windparks bei geeignetem Abstand der Windturbinen sehr viel erneuerbare Energie effizient erzeugen.“ In ihren Berechnungen schätzten beide Gruppen, dass für die getesteten Szenarien die Offshore-Windenergie in der Deutschen Bucht potenziell bis zur Hälfte des derzeitigen deutschen Strombedarfs beitragen kann. Für die derzeit diskutierten und wahrscheinlich wirtschaftlich tragfähigeren Szenarien schätzten die Teams einen Beitrag von etwa einem Drittel des aktuellen deutschen Strombedarfs.
Badger und Kleidon kommen zu dem Schluss, dass mit dem Ausbau der Windenergie auch diese Wechselwirkungen mit der Atmosphäre berücksichtigt werden müssen. Dies wiederum erfordert einen breiteren Planungsprozess, bei dem nicht nur die atmosphärischen Auswirkungen benachbarter Windparks, sondern auch die Ausbaupläne der Nachbarländer berücksichtigt werden müssen. Windenergie ist reichlich vorhanden, aber sie erfordert eine sorgfältige Planung und einen breiteren Blick auf die Atmosphäre, um das Beste aus ihr herauszuholen.
MPI-BGC / DE