Die große Leere
Super-Void erklärt Cold Spot der kosmischen Hintergrundstrahlung – aber nur fast.
Es ist die bedeutsamste Anomalie in der kosmischen Hintergrundstrahlung: Der Cold Spot, eine 70 Mikrokelvin kühlere Region im Sternbild Eridanus. Die typischen Temperaturschwankungen der Hintergrundstrahlung betragen lediglich 18 Mikrokelvin. Entdeckt bereits mit WMAP, der US-amerikanischen Wilkinson Microwave Anisotropy Probe, das ESA-Satellitenobservatorium Planck hat ihn mit hoher Signifikanz bestätigt. Während die Existenz der Anomalie damit inzwischen unstrittig ist, herrscht über die Ursache keine Einigkeit. Letztlich nicht einmal darüber, ob es überhaupt einer Ursache bedarf: Es könnte sich schlicht um einen statistischen Ausreißer in der Gaußverteilung der Temperaturschwankungen handeln.
Abb.: Das große Bild zeigt die vom Satelliten-Observatorium Planck gemessenen Temperaturschwankungen der kosmischen Hintergrundstrahlung. Die kleinen Bilder zeigen (rechts) vergrößert den Cold Spot und (links) die Galaxiendichte in der Umgebung des Cold Spots. (Bild: Gerg Kránicz / ESA Planck Coll.)
Interessanter wäre natürlich eine physikalische Ursache, die diskutieren Szenarien reichen dabei von spekulativen topologischen Defekten der Raumzeit bis hin zu einer Super-Void, also einer großräumigen Unterdichte in der Galaxienverteilung. Regionen geringer Galaxien-Dichte sind in der Astronomie nicht unbekannt. Die Materieverteilung im Kosmos zeigt Beobachtungen und Simulationen zufolge auf großen Skalen eine aus Filamenten und dazwischenliegenden Voids bestehende Struktur. Allerdings beträgt die typische Größe dieser Voids lediglich hundert Millionen Lichtjahre und ist damit erheblich zu klein, um den Cold Spot zu erklären.
Zwar lieferte eine Zählung von Radio-Galaxien 2007 einen Hinweis auf eine zehn Mal größere Super-Void in der Eridanus-Region, doch die statistische Signifikanz dieses Befunds ist aufgrund der geringen Zahl der Objekte umstritten. Eine Reihe von Untersuchungen mit normalen Galaxien lieferten keine Hinweise auf eine Unterdichte im Bereich des Cold Spot. Diese Analysen haben jedoch das Problem, zu wenige Objekte im Bereich kleiner Rotverschiebungen zu enthalten.
Dieses Manko beheben nun István Szapudi von der University of Hawaii und seine Kollegen. Mithilfe von Daten des Teleskops Pan-STARRS1 auf Maui, der zweitgrößten Insel des Hawaii-Archipels, sowie des Satelliten-Observatoriums „Wide Field Survey Explorer“ WISE erstellen sie eine dreidimensionale Karte der Galaxienverteilung in der Region um den Cold Spot mit einer mittleren Rotverschiebung von 0,14. Und sie wurden fündig: Die Forscher stießen auf eine signifikant geringere Galaxiendichte in einer 1,4 Milliarden Lichtjahre durchmessenden Region, deren Zentrum etwa drei Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt ist.
Die Bezeichnung als Super-Void – Super-Leerraum – ist nicht wörtlich zu nehmen: Auch in solchen Regionen gibt es Materie und Galaxien, wenn auch deutlich weniger. In der Eridanus-Supervoid ist die Galaxiendichte um 15 Prozent geringer als im kosmischen Durchschnitt. Szapudi und sein Team errechnen daraus eine Temperatur-Absenkung der kosmischen Hintergrundstrahlung um zwanzig Mikrokelvin. Das reicht noch nicht aus, um den Cold Spot vollständig zu erklären. Eine zufällige Übereinstimmung der Himmelspositionen des Cold Spots und der Super-Void sei aber sehr unwahrscheinlich, so die Forscher, ein kausaler Zusammenhang zwischen beiden Phänomenen 20.000-mal wahrscheinlicher. Weitere Untersuchungen müssen nun zeigen, ob die Struktur vielleicht noch größer ist und deshalb auch einen entsprechenden größeren Einfluss auf die Hintergrundstrahlung hat.
Rainer Kayser
Weitere Infos
Verwandte Beiträge
OD