18.04.2016

Die Guten im Tröpfchen

Temperaturunterschiede in wassergefüllten Gesteinsporen bewirken sortenreine Trennung von Biomolekülen als Vorläufer des Lebens.

Die ersten Spuren des Lebens auf der Erde entstanden vermutlich aus dem Zusammen­schluss kleiner Biomoleküle zu komplexeren Strukturen, die sich reproduzieren und genetische Informationen speichern konnten. Christof Mast und Dieter Braun, Professor für Systems Biophysics an der LMU, untersuchen den Prozess, der die vereinzelt in der „Ursuppe“ der früh­zeitlichen Ozeane schwimmenden Biomoleküle in der notwendigen Konzentration zusammen­führte. Daraus entstandene Molekülketten aus RNA-Bausteinen könnten den Ausgangs­punkt einer Evolution gebildet haben, die über die ersten Einzeller bis hin zur Entstehung allen Lebens geführt hat.

Abb.: Gelierte DNA (Bild: M. Morasch et al.)

Bisher war es allerdings unklar, wie die Natur zwischen „sinnvollen” und „wertlosen” RNA-Molekülen unter­scheiden und erstere so auf­konzentrieren konnte, dass sie sich ausreichend schnell verknüpfen konnten. Braun, der auch Mitglied des Exzellenz­clusters Nano­systems Initiative Munich (NIM) und des Center for NanoScience (CeNS) ist, konnte mit seinen Mitarbeitern Christof Mast und Matthias Morasch nun Licht in dieses Geheimnis bringen: Mithilfe von Labor­experimenten zeigten die Wissenschaftler, dass Temperatur­unterschiede in wasser­gefüllten Poren, wie es sie mutmaßlich auch im Vulkangestein der noch jungen Erde gab, ausreichen, um DNA-Bruchstücke anhand der Abfolge ihrer Bausteine sortenrein zu trennen.

Für ihre Experimente nutzten die Forscher die Nachbildung einer natürlichen wasser­gefüllten Gesteins­pore aus Glas, die verschiedene DNA-Bruchstücke enthielt. „Das Erbmolekül DNA ist mit RNA eng verwandt, es verhält sich in unseren Experimenten sehr ähnlich, ist aber im Labor einfacher hand­habbar“, sagt Matthias Morasch. Die LMU-Forscher erhitzten die künstliche Pore einseitig, sodass innerhalb der Pore ein Temperatur­gefälle von etwa 17 Grad entstand. Dieser Wärme­unterschied reichte aus, damit sich die vorher gemischten DNA-Bruchstücke nach ihrer Basenabfolge und ihrer Fähigkeit, sich aneinander zu binden, sortieren und sortenrein ansammeln. Der Effekt basiert auf der sogenannten Thermo­phorese, nach der sich Moleküle entlang eines Temperatur­gefälles bewegen.

„Die Trennung ist so effektiv, dass bestimmte Bruchstück-Typen sogar gelieren, sobald sie sich mit ihres­gleichen zusammen­gefunden haben; dabei reicht ein Unterschied von nur wenigen Basen, um die DNA-Stücke in unterschiedliche Gele zu sortieren“, erklärt Mast. Diese Präzision überraschte auch die Forscher, da beispielsweise DNA-Ansammlungen, die durch Aus­trocknen entstanden, nicht ihrer Sequenz nach sortiert sind. Vermutlich ist das Temperatur­gefälle in der Pore der entscheidende Faktor. „Einseitig geheizte Poren dürften auch im Vulkan­gestein der jungen Erde ein sehr häufiges Szenario gewesen sein“, sagt Braun. „Deshalb könnte die temperatur­getriebene Sortierung ein wichtiger Prozess gewesen sein, um genau die Biomoleküle heraus­zusuchen und zu konzentrieren, die leicht miteinander wechsel­wirken und sich zu längeren Ketten verbinden können – die entscheidende Voraus­setzung für die Entstehung von Leben.“

LMU / DE

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