Die Sonnenkorona ins Labor holen

Flüssigmetall-Experiment gewährt Einblick in den Heizmechanismus der Sonnenkorona.

Warum die Sonnenkorona Temperaturen von mehreren Millionen Kelvin erreicht, ist eines der großen Rätsel der Sonnenphysik. Eine Spur zur Erklärung dieses Effekts führt in einen Bereich der Sonnen­atmosphäre, der direkt unterhalb der Korona liegt und in dem sich Schall- und bestimmte Plasmawellen gleich schnell bewegen. In einem Experiment mit dem geschmolzenen Alkalimetall Rubidium und gepulsten hohen Magnet­feldern hat ein Team des HZDR ein Labormodell entwickelt und das theoretisch vorher­gesagte Verhalten dieser Plasma­wellen – der Alfvén­wellen – erstmals experimentell bestätigt.

Abb.: Ein Plasma-Ausstoß während einer Sonnen­eruption. Un­mittel­bar nach...
Abb.: Ein Plasma-Ausstoß während einer Sonnen­eruption. Un­mittel­bar nach dem Aus­bruch bilden sich über dem Aus­bruchs­gebiet Kaskaden von Magnet­schleifen, da die Magnet­felder ver­suchen, sich neu zu orga­ni­sieren. (Bild: SDO, NASA)

Dass für die Heizung der Korona Magnet­felder eine dominierende Rolle spielen, ist in der Sonnenphysik inzwischen weitgehend akzeptiert. Umstritten bleibt jedoch, ob dieser Effekt hauptsächlich durch eine plötzliche Änderung von Magnet­feld­strukturen im Sonnenplasma oder durch die Dämpfung verschiedener Wellenarten zu Stande kommt. Die neue Arbeit des HZDR-Teams nimmt die Alfvénwellen in den Blick, die unterhalb der Korona im heißen und von Magnetfeldern durch­drungenen Plasma der Sonnen­atmosphäre auftreten. Die Frequenz und die Ausbreitungs­geschwin­digkeit der Alfvénwelle wachsen dabei mit der Stärke des Magnetfelds.

„Unterhalb der Korona liegt der magnetische Baldachin, eine Schicht, in der Magnetfelder weitgehend parallel zur Sonnen­ober­fläche ausgerichtet sind. Hier haben Schall- und Alfvénwellen in etwa die gleiche Geschwindigkeit und können sich deshalb leicht ineinander umwandeln. Genau an diesen magischen Punkt wollten wir vordringen – dahin, wo die schockartige Verwandlung der magnetischen Energie des Plasmas in Wärme ihren Anfang nimmt“, umreißt Frank Stefani vom HZDR das Ziel seines Teams.

Schon bald nach ihrer Vorhersage 1942 waren Alfvénwellen in Flüssigmetall-Experimenten nachgewiesen und später in aufwändigen plasma­physi­ka­lischen Anlagen detailliert untersucht worden. Nur die für die Korona­heizung als entscheidend eingestuften Bedingungen des magnetischen Baldachins blieben für die Experi­men­tatoren bisher unzugänglich. Einerseits ist in großen Plasma­experi­menten die Alfvén­geschwindigkeit typischerweise deutlich höher als die Schall­geschwin­digkeit. Andererseits lag sie in allen bisherigen Flüssigmetall-Experimenten deutlich darunter. Der Grund dafür: die mit etwa zwanzig Tesla relativ niedrige Magnet­feld­stärke üblicher supra­leitender Spulen mit konstantem Feld.

Wie aber sieht es mit gepulsten Magnet­feldern aus, wie sie am Hochfeld-Magnetlabor Dresden des HZDR mit Maximal­werten von nahezu hundert Tesla erzeugt werden können? Würden es diese extrem starken Felder den Alfvénwellen gestatten, die Schallmauer zu durchbrechen? Durch einen Blick auf die Eigenschaften von Flüssig­metallen war im Vorfeld bekannt, dass das Alkalimetall Rubidium diesen magischen Punkt tatsächlich schon bei 54 Tesla erreicht.

Doch Rubidium entzündet sich spontan an der Luft und reagiert äußerst heftig mit Wasser. Dem Team kamen deshalb zunächst Bedenken, ob ein solches Experiment überhaupt ratsam sei. Doch die Zweifel wurden schnell zerstreut, erinnert sich Thomas Herrmanns­dörfer vom HZDR: „Unsere Energie­versorgungs­anlage zum Betreiben der Pulsmagnete setzt in Sekunden­bruch­teilen fünfzig Megajoule um. Als ich den Kollegen erklärte, dass mich da ein Tausendstel dieses Betrags an chemischer Energie des flüssigen Rubidiums nicht sonderlich beunruhigt, hellten sich ihre Mienen sichtlich auf.“

Trotzdem war es bis zum erfolg­reichen Experiment noch ein steiniger Weg. Wegen der im gepulsten Magnetfeld entstehenden Drücke von bis zum Fünfzig­fachen des atmo­sphärischen Luftdrucks muss die Rubidium­schmelze von einem stabilen Edelstahl­container umschlossen sein, zu dessen Befüllung eigens ein erfahrener Chemiker aus dem Ruhestand geholt wurde. Durch die Einspeisung von Wechselstrom am unteren Ende des Containers bei gleichzeitiger Einwirkung des Magnetfelds gelang schließlich die Erzeugung von Alfvénwellen in der Schmelze, deren Aufwärts­bewegung mit der erwarteten Geschwindigkeit gemessen wurde.

Das Neue daran: Während bis zur magischen Feldstärke von 54 Tesla alle Messungen durch die Frequenz des Wechselstrom-Signals dominiert waren, tauchte genau an diesem Punkt ein neues Signal mit halbierter Frequenz auf. Diese plötzlich einsetzende Perioden­verdopplung war in perfekter Über­ein­stimmung mit den theoretischen Vorhersagen. Die Alfvénwellen von Stefanis Team hatten die Schallmauer erstmals durchbrochen. Obwohl sich noch nicht alle beobachteten Effekte so problemlos erklären lassen, trägt die Arbeit ein wichtiges Detail zur Lösung des Rätsels der Koronaheizung bei. Für die Zukunft planen die Forscher detaillierte numerische Analysen und weitere Experimente.

HZDR / RK

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