Die Strukturen unterkühlten Wassers
Gestreute Röntgenpulse offenbaren Fluktuationen zwischen zwei verschiedenen Zuständen.
Wasser ist im gefrorenen, festen Zustand leichter ist als in der flüssigen Phase. Dieser Anomalie mit einer maximalen Dichte bei vier Grad Celsius ist es zu verdanken, dass Eisberge schwimmen und Seen an der Oberfläche zufrieren. Zwei verschiedene Zustände des flüssigen Wassers werden dafür verantwortlich gemacht. Nun gelang es Forschern in Schweden, mit kurzen Röntgenpulsen von Freie-
Abb.: In flüssigem Wasser kommt es zu Fluktuationen zwischen zwei lokalen Strukturen mit niedriger (blau) und höherer Dichte (rot; Bild: U. Stockholm)
Anders Nilsson und seine Arbeitsgruppe von der Uni Stockholm entwickelten dazu gemeinsam mit Kollegen aus Japan und Korea ein ausgeklügeltes Experiment, um die molekularen Strukturen in stark unterkühltem Wasser zu bestimmen. Dabei gelang es ihnen, winzige Tropfen bis auf minus 44 Grad Celsius bei einem Umgebungsdruck von nahezu null Bar flüssig zu halten. In vielen zuvor durchgeführten Experimenten waren die Wasserproben bei diesen Bedingungen bereits gefroren und konnten über die Strukturanalysen der Wasserkristalle nur indirekt Aufschluss über die verschiedenen Phasen von Wasser im flüssigen Zustand liefern.
Bei ihren Experimenten schossen die Wissenschaftler aus einer Düse kleine Tropfen reinsten Wassers mit etwa 14 Mikrometer Durchmesser in eine Vakuumkammer. Dabei mussten sie selbst geringste Verunreinigungen vermeiden. Diese hätten als Kristallisationskeime gewirkt und die Tropfen wären unter den herrschenden Bedingungen schlagartig zu festem Eis gefroren. Über die partielle Verdunstung kühlten diese Tropfen auf ihrem Flug durch die Vakuumkammer ab. Die Temperatur der Tropfen konnte mit begleitenden theoretischen Abschätzungen über die Dauer des Flugs und die Flugstrecke der Tropfen bestimmt werden.
Auf die fliegenden Mikrotröpfchen lenkten die Forscher kurze Röntgenpulse, erzeugt von Freie-
In den Tropfen reinen Wassers wechselten die beiden lokalen Strukturen permanent. Die Fluktuationen nahmen mit zunehmender Abkühlung zu. Bei minus 44 Grad Celsius schließlich wies ein Maximum in den Messdaten darauf hin, dass die beiden Zustände der Flüssigkeit mit unterschiedlicher Dichte zu gleichen Teilen vorlagen. Diese Gleichverteilung zeigte die Grenze der von der Temperatur abhängigen Expansion des flüssigen Wassers mit entsprechend abnehmender Dichte auf. Bei den herrschenden Druckbedingungen führte jede weitere Abkühlung zwangsläufig zum Gefrieren der Tropfen.
Nilsson und Kollegen führten diese Experimente zusätzlich mit schwerem Wasser durch, bei dem die Wasserstoffatome durch das schwerere Isotop Deuterium ersetzt waren. Die Messungen zeigten wie erwartet ein komplett analoges Verhalten und Fluktuationen zwischen den beiden flüssigen Zuständen. Allerdings stellte sich das Gleichgewicht zwischen beiden Flüssigkeiten bereits bei etwa vier Grad höheren Temperaturen ein. Als Grund führen Nilsson und Kollegen Kernquanteneffekte an. Mit diesen Experimenten gelang es ihnen, die Dichteanomalie des Wassers genauer zu untersuchen und sie erweiterten so das Phasendiagramm der einzigartigen Flüssigkeit. Nun schlagen sie vor, mit weiteren Versuchen mit größeren Proben den Übergang von Wasser in eine glasartige Phase zu untersuchen.
Jan Oliver Löfken
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