22.12.2017

Die Strukturen unterkühlten Wassers

Gestreute Röntgenpulse offenbaren Fluktua­tionen zwischen zwei ver­schie­denen Zu­ständen.

Wasser ist im gefrorenen, festen Zustand leichter ist als in der flüs­sigen Phase. Dieser Ano­malie mit einer maxi­malen Dichte bei vier Grad Celsius ist es zu ver­danken, dass Eis­berge schwimmen und Seen an der Ober­fläche zu­frieren. Zwei ver­schie­dene Zustände des flüs­sigen Wassers werden dafür ver­ant­wort­lich gemacht. Nun gelang es Forschern in Schweden, mit kurzen Röntgen­pulsen von Freie-Elek­tronen-Lasern die Grenzen für die Exis­tenz der beiden flüs­sigen Phasen an Tropfen stark unter­kühlten Wassers auf­zu­zeigen. Mit diesen Messun­gen konnten die Forscher das komplexe Phasen­dia­gramm von Wasser weiter ver­voll­stän­digen.

Abb.: In flüssigem Wasser kommt es zu Fluktua­tionen zwischen zwei lokalen Struk­turen mit nied­riger (blau) und höherer Dichte (rot; Bild: U. Stock­holm)

Anders Nilsson und seine Arbeitsgruppe von der Uni Stockholm ent­wickelten dazu gemein­sam mit Kollegen aus Japan und Korea ein aus­ge­klü­geltes Experi­ment, um die mole­ku­laren Struk­turen in stark unter­kühltem Wasser zu bestimmen. Dabei gelang es ihnen, winzige Tropfen bis auf minus 44 Grad Celsius bei einem Um­gebungs­druck von nahezu null Bar flüssig zu halten. In vielen zuvor durch­ge­führten Experi­menten waren die Wasser­proben bei diesen Bedin­gungen bereits gefroren und konnten über die Struk­tur­ana­lysen der Wasser­kristalle nur indirekt Auf­schluss über die ver­schie­denen Phasen von Wasser im flüs­sigen Zustand liefern.

Bei ihren Experimenten schossen die Wissenschaftler aus einer Düse kleine Tropfen reinsten Wassers mit etwa 14 Mikro­meter Durch­messer in eine Vakuum­kammer. Dabei mussten sie selbst geringste Ver­un­reini­gungen ver­meiden. Diese hätten als Kristal­lisa­tions­keime gewirkt und die Tropfen wären unter den herr­schenden Bedin­gungen schlag­artig zu festem Eis gefroren. Über die parti­elle Ver­duns­tung kühlten diese Tropfen auf ihrem Flug durch die Vakuum­kammer ab. Die Tempe­ratur der Tropfen konnte mit beglei­tenden theore­tischen Ab­schät­zungen über die Dauer des Flugs und die Flug­strecke der Tropfen bestimmt werden.

Auf die fliegenden Mikrotröpfchen lenkten die Forscher kurze Röntgen­pulse, erzeugt von Freie-Elek­tronen-Lasern in Japan und in Korea. Die an den Tropfen gestreuten Röntgen­wellen fingen sie mit Detektor­flächen hinter dem Kreu­zungs­punkt zwischen Tropfen und Röntgen­strahl auf. Aus den so gewon­nenen Spektren schlossen sie auf die Existenz der zwei flüs­sigen Zustände des Wassers. Dabei zeigten die Mole­küle die Struktur von Tetra­edern, in denen sich je zwei Wasser­stoff­atome und zwei freie Elek­tronen­paare um ein zentrales Sauer­stoff­atom anord­neten. Die zwei flüs­sigen Zustände unter­schieden sich jedoch in ihrer lokalen Struktur deut­lich in ihrer Dichte von­ein­ander.

In den Tropfen reinen Wassers wechselten die beiden lokalen Struk­turen perma­nent. Die Fluktua­tionen nahmen mit zuneh­mender Abküh­lung zu. Bei minus 44 Grad Celsius schließ­lich wies ein Maxi­mum in den Mess­daten darauf hin, dass die beiden Zustände der Flüs­sig­keit mit unter­schied­licher Dichte zu gleichen Teilen vor­lagen. Diese Gleich­ver­tei­lung zeigte die Grenze der von der Tempe­ratur abhän­gigen Expan­sion des flüs­sigen Wassers mit ent­spre­chend abneh­mender Dichte auf. Bei den herr­schenden Druck­bedin­gungen führte jede weitere Abküh­lung zwangs­läufig zum Gefrieren der Tropfen.

Nilsson und Kollegen führten diese Experimente zusätz­lich mit schwerem Wasser durch, bei dem die Wasser­stoff­atome durch das schwerere Isotop Deute­rium ersetzt waren. Die Messungen zeigten wie erwartet ein komplett ana­loges Ver­halten und Fluktu­a­tionen zwischen den beiden flüs­sigen Zuständen. Aller­dings stellte sich das Gleich­ge­wicht zwischen beiden Flüs­sig­keiten bereits bei etwa vier Grad höheren Tempera­turen ein. Als Grund führen Nilsson und Kollegen Kern­quanten­effekte an. Mit diesen Experi­menten gelang es ihnen, die Dichte­ano­malie des Wassers genauer zu unter­suchen und sie erwei­terten so das Phasen­dia­gramm der einzig­artigen Flüs­sig­keit. Nun schlagen sie vor, mit weiteren Ver­suchen mit größeren Proben den Über­gang von Wasser in eine glas­artige Phase zu unter­suchen.

Jan Oliver Löfken

RK

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