12.06.2018

Die wahre Wucht des Sonnenwinds

Schwere, mehrfach geladene Ionen spielen eine wichtigere Rolle als bisher angenommen.

Die Planeten und Monde unseres Sonnen­systems werden ununter­brochen von rasend schnellen Teilchen bombardiert, fortge­schleudert von der Sonne. Auf der Erde hat das, abgesehen von den faszi­nierenden Polar­lichtern, kaum Auswirkungen, weil uns die dichte Atmo­sphäre und das Magnetfeld der Erde vor diesem Sonnenwind schützen. Doch am Mond oder auf dem Merkur sieht die Sache anders aus: Dort wird die oberste Gesteins­schicht nach und nach durch einschlagende Sonnen-Partikel abgetragen. Neue Ergebnisse der Tech­nischen Univer­sität Wien zeigen nun, dass bisherige Modelle dieses Prozesses unvoll­ständig sind. Das Sonnen­wind-Bombarde­ment hat teilweise viel dras­tischere Auswirkungen als bisher gedacht. Wichtig sind diese Erkennt­nisse unter anderem für die Esa-Mission Bepi­Colombo, Europas erste Merkur-Mission.

Abb.: Diese Illustration zeigt, wie Teilchen von der Sonne mit hoher Geschwindigkeit auf dem Merkur aufschlagen. (Bild: Nasa / TU Wien)

„Der Sonnenwind besteht haupt­sächlich aus Wasser­stoff- und Helium-Ionen, aber auch schwerere Atome bis hin zu Eisen spielen eine Rolle“, erklärt Friedrich Aumayr vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien. Diese Teilchen treffen mit einer Geschwin­digkeit von 400 bis 800 Kilometern pro Sekunde auf dem Oberflächen­gestein auf und können dabei zahlreiche andere Atome heraus­schleudern. Diese Teilchen können hoch aufsteigen, bevor die wieder zur Oberfläche zurück­fallen. Dadurch entsteht rund um den Mond oder den Merkur eine Exosphäre – eine extrem dünne Atmosphäre aus Atomen, die durch Sonnenwind-Bombarde­ment aus dem Oberflächen­gestein heraus­geschlagen wurden.

Diese Exosphäre ist für die Weltraum­forschung höchst interessant, denn aus ihrer Zusammen­setzung kann man auf den chemischen Aufbau der Gesteins­oberfläche schließen. Und es ist deutlich einfacher, die Exosphäre zu ana­lysieren als ein Raum­fahrzeug auf der Oberfläche zu landen. Die Esa wird im Oktober 2018 die Sonde Bepi­Colombo zum Merkur schicken, die aus der Zusammen­setzung der Exosphäre Infor­mation über die geolo­gischen und chemischen Eigen­schaften des Merkurs gewinnen soll.

Dafür ist es aber nötig, die Auswir­kungen des Sonnen­winds auf das Gestein genau zu verstehen, und genau dabei gab es bisher noch entschei­dende Wissens­lücken. Aumayr und Kollegen unter­suchten daher die Auswirkung von Ionen­beschuss auf Wollas­tonit, ein typisches Mond­gestein. „Bisher ging man davon aus, dass in erster Linie die Bewegungs­energie der schnellen Teilchen dafür verant­wortlich ist, dass die Gesteins­oberfläche atomar zerstäubt wird“, sagt Doktorand Paul Szabo. „Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Wir konnten zeigen, dass die hohe elek­trische Ladung der Teilchen eine ent­scheidende Rolle spielt. Sie ist der Grund, dass die Teilchen auf der Oberfläche viel mehr Schaden anrichten können als bisher gedacht.“

Wenn die Teilchen des Sonnen­winds mehrfach geladen sind, dann tragen sie eine große Menge an Energie, die beim Einschlag blitzartig frei­gesetzt wird. „Wenn man das nicht berücksichtigt, schätzt man Auswir­kungen des Sonnen­winds auf verschie­dene Gesteine ganz falsch ein“, sagt Szabo. Daher kann man mit einem falschen Modell aus der Zusammen­setzung der Exosphäre auch keine exakten Schlüsse auf das Oberflächen­gestein ziehen. Den weitaus größten Anteil des Sonnen­winds bilden Protonen, und so dachte man bisher auch, dass sie das Gestein am stärksten beein­flussen. Doch wie sich nun zeigt, spielt in Wirk­lichkeit Helium die Hauptrolle, weil es im Gegen­satz zu den Protonen gleich doppelt positiv geladen sein kann. Auch der Beitrag schwererer Ionen mit noch größerer elek­trischer Ladung darf nicht vernach­lässigt werden.

Für diese Erkennt­nisse war eine Kooperation verschie­dener Forschungs­gruppen nötig: Hoch­präzise Messungen wurden mit einer speziell am Institut für Ange­wandte Physik entwickelten Mikro­waage durchgeführt. Am Vienna Scientific Cluster VSC-3 wurden aufwändige Computer­simulationen durchgeführt, um die Ergebnisse richtig deuten zu können. Die Computer­codes waren ursprüng­lich für die Kernfusions­forschung entwickelt worden – denn auch dort spielen Teilchen, die mit hoher Energie auf Ober­flächen einschlagen, eine wichtige Rolle. Auch das Analytical Instru­mentation Center und das Institut für Chemische Techno­logien und Analytik der TU Wien lieferten wichtige Beiträge.

TU Wien / JOL

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