Differenzieren, aber keine Differentialgleichung
Die Konferenz der Fachbereiche Physik verabschiedet Empfehlungen zu Mathematikanforderungen an Studienanfängerinnen und Studienanfänger.
Bereits zu Beginn eines Physikstudiums ist der Einsatz zahlreicher mathematischer Methoden unerlässlich. Seit vielen Jahren ist es daher üblich, den Studierenden im ersten Semester mit eigenen Veranstaltungen zu vermitteln, wie sie die in der Physik benötigten mathematischen Methoden als Handwerkszeug praktisch nutzen können. Den systematischen Aufbau der Mathematik mit dem Ziel eines tiefer gehenden Verständnisses lernen sie dann in den Vorlesungen zur Analysis und Linearen Algebra kennen. Darüber hinaus bieten viele Universitäten freiwillige Vorkurse zur Mathematik an, um individuelle Wissenslücken auszugleichen. Welches Schulwissen aber können die Universitäten voraussetzen? Erstaunlicherweise herrschte darüber noch vor kurzem große Unklarheit. Die Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) hat daher gemeinsam mit der AG-Schule der DPG analysiert, welche mathematischen Inhalte in den aktuellen Lehrplänen der Schule verankert sind und welche Inhalte sehr früh im Physikstudium benötigt werden. „Dabei stellte sich zum Beispiel heraus“, sagt René Matzdorf, KFP-Sprecher und DPG-Vorstandsmitglied für Bildung und wissenschaftlichen Nachwuchs, „dass es kein Bundesland gibt, in dem komplexe Zahlen in der Schule behandelt werden. Wenn ich das in einer Erstsemester-Vorlesung voraussetze, hänge ich die Studenten ab.“ Entgegen möglicher Befürchtungen zeigte sich bei den Lehrplänen quer über alle Bundesländer ein sehr homogenes Bild. So kommen auch weitere zentrale Themen für die Physikvorlesungen, wie Zylinder- bzw. Kugelkoordinaten, Matrizenrechnung oder Differentialgleichungen, in keinem Lehrplan vor, während elementare Funktionen und deren Ableitung oder einfache lineare Gleichungssysteme überall Schulstoff sind.
Angesichts dieses homogenen Bildes sieht die KFP die Hochschulen in der Verantwortung, eine „Passgenauigkeit“ zwischen den Mathematikkenntnissen von Abiturienten und den Anforderungen bei Studienbeginn herzustellen. Es dürfe nicht die Aufgabe von freiwilligen Vorkursen sein, größere Gebiete der Mathematik neu einzuführen, um Lücken zwischen Schulstoff und dem bei Studienbeginn vorausgesetzten Stoff zu überbrücken. Dies sei Aufgabe der Vorlesungen zu Mathematischen Methoden. Vorkurse sollten hingegen dazu dienen, Schulwissen zu wiederholen, und dafür sorgen, dass alle Studierende die in der Schule behandelten mathematischen Methoden ab Studienbeginn sicher beherrschen. Für alle mathematischen Methoden, die früh im Physikstudium benötigt werden, gibt die KFP eine Empfehlung, ob die Methode bei Studienbeginn vorausgesetzt wird und daher Thema der Vorkurse sein kann, oder ob sie im Studium neu einzuführen ist. „Ziel ist es, dass Schülerinnen und Schüler erfolgreich ins Studium starten und Dozenten sich darauf verlassen können, was Schüler gelernt haben“, betont Matzdorf. Die in Berlin anwesenden Vertreter der Fachbereiche haben die Empfehlungen einstimmig verabschiedet. Nun bleibt abzuwarten, ob sie auch den Weg in die Vorlesungen finden.
KFP/SJ