26.05.2020

Dirac-Material mit guten Schwingungen

Terahertz-Frequenzvervielfachung bis zur siebten Harmonischen gelungen.

Wenn Smartphones Daten empfangen und Computerchips Rechnungen ausführen, ist das immer mit elektrischen Wechsel­feldern verbunden, die Elektronen auf klar definierte Reisen schicken. Dabei gilt: Je höher die Frequenzen dieser Felder, umso schneller können die Elektronen ihre Arbeit verrichten und umso größere Daten­übertragungs­raten und Prozessor­geschwindigkeiten sind möglich. Aktuell bildet hier der Terahertz-Bereich eine Art Schallmauer – weshalb Forscher in aller Welt verstehen wollen, wie Terahertz-Felder mit neuartigen Materialien interagieren. „Mit der Terahertz-Anlage Telbe besitzt das HZDR eine herausragende Quelle, mit der sich diese Wechsel­wirkungen detailliert untersuchen und dadurch viel­versprechende Materialien identifizieren lassen“, schätzt Jan-Christoph Deinert vom HZDR-Institut für Strahlenphysik ein. „Ein möglicher Kandidat könnte zum Beispiel Cadmium­arsenid sein.“
 

Abb.: Das drei­dimensionale Dirac-Material Cadmium­arsenid (blau-roter Kegel)...
Abb.: Das drei­dimensionale Dirac-Material Cadmium­arsenid (blau-roter Kegel) kann die Frequenz eines starken Terahertz-Pulses um das Sieben­fache ver­viel­fältigen. (Bild: HZDR)

Gemeinsam mit Forschern aus Dresden, Köln und Shanghai hat der Physiker diese Verbindung untersucht. Cadmium­arsenid gehört zur Gruppe der drei­dimensionalen Dirac-Materialien. In diesen können die Elektronen sehr schnell und effizient sowohl miteinander als auch mit schnell schwingenden elektrischen Wechselfeldern interagieren. „Besonders interessiert hat uns, ob Cadmium­arsenid auch Terahertz-Strahlung bei höheren Frequenzen aussendet“, erläutert Telbe-Beamline-Wissenschaftler Sergey Kovalev. „Dies haben wir bereits sehr erfolgreich im Graphen beobachtet, einem zwei­dimensionalen Dirac-Material.“ Die Forscher vermuteten, dass die drei­dimensionale elektronische Struktur von Cadmium­arsenid hilft, eine hohe Effizienz bei dieser Umwandlung zu erreichen.

Um dies zu prüfen, fertigten die Fachleute mit einem Spezial­verfahren hauchdünne und hochreine Plättchen aus Cadmium­arsenid. Diese Material­proben beschossen sie mit starken Terahertz-Pulsen aus der Telbe-Anlage. Detektoren hinter der Rückseite des Plättchens erfassten, wie das Cadmium­arsenid auf die Strahlungs­pulse reagierte. Das Resultat: „Wir konnten zeigen, dass Cadmiumarsenid als sehr effizienter Frequenz-Vervielfacher fungiert und diese Effizienz vor allem auch bei den sehr starken Terahertz-Pulsen, die bei Telbe erzeugt werden können, nicht verliert“, berichtet der ehemalige HZDR-Forscher Zhe Wang, der mittlerweile an der Universität Köln arbeitet. Mit dem Experiment gelang eine Premiere: Erstmals zeigte sich das Phänomen der Terahertz-Frequenz­vervielfachung bis zur siebten Harmonischen bei dieser noch jungen Materialklasse.

Neben dem experimentellen Nachweis lieferte das Team außerdem zusammen mit Forschern des Max-Planck-Instituts für Physik komplexer Systeme eine detaillierte theoretische Beschreibung des Geschehens: Die Terahertz-Pulse, die auf das Cadmiumarsenid treffen, bringen ein starkes elektrisches Feld mit sich. „Dieses Feld beschleunigt die freien Elektronen im Material“, beschreibt Deinert. „Als würde man eine Platte sehr schnell hin und her kippen und dadurch eine riesige Zahl kleiner Stahlkugeln ins Rollen bringen, die auf der Platte liegen.“

Die Elektronen im Cadmium­arsenid antworten auf die Beschleunigung, indem sie elektro­magnetische Strahlung abgeben. Das Entscheidende: Dabei folgen sie nicht exakt dem Taktstock des Terahertz-Feldes, sondern schwingen auf komplizierteren Bahnen – eine Folge der ungewöhnlichen elektronischen Struktur des Materials. Deswegen senden die Elektronen neue Terahertz-Pulse mit ungeraden ganzzahlig Vielfachen der ursprünglichen Frequenz ab – ein nicht­linearer Effekt ähnlich wie bei einem Piano: Spielt man auf der Klaviatur den Kammerton a, lässt das Instrument nicht nur den Grundton erklingen, sondern ein reiches Spektrum an Obertönen, den Harmonischen.

Perspektivisch verspricht das Phänomen zahlreiche Anwendungen, etwa in der drahtlosen Kommunikation. Hier geht der Trend zu immer höheren Funk­frequenzen: Auf denen lassen sich deutlich mehr Daten übermitteln als auf den heute verwendeten Kanälen. Derzeit implementiert die Branche den 5G-Standard. Bauteile aus Dirac-Materialien könnten eines Tages noch höhere Frequenzen nutzen – und damit noch mehr Bandbreite als 5G ermöglichen. Auch für den Computer der Zukunft scheint die neue Material­klasse interessant: Bauelemente auf Dirac-Basis könnten im Prinzip höhere Taktraten ermöglichen als die heutigen silizium­basierten Technologien.

Doch erst einmal gilt es, die Grundlagen weiter zu erkunden. „Unser Forschungs­ergebnis war nur der erste Schritt“, betont Zhe Wang. „Bevor wir an konkrete Anwendungen denken können, müssen wir die Effizienz der neuen Materialien noch steigern.“ Dazu wollen die Fachleute herausfinden, inwieweit sich die Frequenz­vervielfachung durch Anlegen eines elektrischen Stroms gezielt steuern lässt. Und sie wollen ihre Proben mit Fremd­atomen dotieren – in der Hoffnung, die nichtlineare Frequenz­konversion dadurch zu optimieren.

HZDR / DE
 

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