DNA als Klebstoff für neue Materialien
Erbgutstränge steuern Selbstorganisation von Nanoteilchen für Werkstoffe – Farbe, Leitfähigkeit oder chemische Eigenschaften prinzipiell kontrollierbar.
Über DNA-Stränge können einzelne Nanoteilchen zu komplexeren Strukturen verknüpft werden. Schwierig gestaltete sich bisher die Kontrolle über diesen Selbstorganisationsprozess. Amerikanische Chemiker konnten dieses Problem nun mit lokal begrenzten Haftflächen auf winzigen Polymerkügelchen beheben. Ihre Methode hat großes Potenzial, um über eine „Bottom-Up“-Synthese funktionelle Materialien zu erschaffen, deren chemischen und physikalischen Eigenschaften sich gezielt kontrollieren lassen.
Abb.: Tetraeder aus verklebten Nanoteilchen. Nur an den hellen Klebepunkten konnten sich die Partikel über DNA-Stränge miteinander gezielt verknüpfen. (Bild: D. Pine, M Weck, NYU)
„Lenkbare Verknüpfungen eröffnen viele Wege für eine kontrollierte Selbstorganisation, die vorher nicht möglich waren“, sagt Dave Pine von der New York University. Zusammen mit seinen Kollegen verwendete er winzige Kügelchen aus dem Kunststoff Polystyrol, um ein neues Syntheseprinzip für funktionelle Kolloide zu testen. Über einen mehrstufigen Prozess schafften sie es, an wenigen ausgewählten Punkten auf der Oberfläche dieser Kügelchen chemische Haftstellen zu erzeugen. Wichtig dabei war ein spezielles Natriumsalz, Biotin genannt, das sich wahlweise an ein bis vier kleinen Bereichen auf der Kugeloberfläche deponieren ließ.
An diese Biotin-Haftflächen konnten Pine und Kollegen wiederum kurze DNA-Molekülstränge andocken. Wie schon in früheren Experimenten gezeigt, zeichneten sich diese Erbgut-Schnipsel dadurch aus, dass sie sich nur gezielt mit anderen, chemisch genau passenden DNA-Stücken verknüpften. Neu an den Experimenten war nun, dass sich diese DNA-Verknüpfungsstellen nicht mehr oder weniger wahllos auf der Oberfläche der Polystyrolkügelchen verteilten, sondern nur an wenigen, festgelegten Stellen auftraten. Genau diese Eigenschaft ermöglichte es, die Geometrie der Kolloide vorherzubestimmen.
Abb.: Mikroskopaufnahme der symmetrischen Strukturen neuer Kolloide, die sich gezielt über DNA-Stränge miteinander verknüpften. (Bild: D. Pine, NYU)
Verteilt in einem Lösungsmittel verklebten sich wie erwartet die mit DNA-Strängen ausgestatteten Kunststoffkügelchen völlig selbstständig mit weiteren Nanoteilchen. Dabei entstanden geordnete Strukturen wie Dreicke, Tetraeder oder schlichte, kurze Ketten. Diese Formen wählten die Forscher wegen der Analogie zu Molekülen wie Methan (Tetraeder), Kohlendioxid (kurze Kette) und Bortrifluorid (Dreieck). Mikroskopaufnahmen der getrockneten Kolloide bestätigten den fehlerfreien Aufbau.
Über die Geometrie dieser neuen Materialien lassen sich prinzipiell auch ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften steuern. „Besonders die Kolloide mit einer Tetraederstruktur sind von großem Interesse“, sagt Pine. Denn bereits 1990 zeigten Soukoulis und Kollegen, dass eine Diamantstruktur aus dielektrischen Kügelchen zu einer photonischen Bandlücke führen könnte. So könnten mit zusammengesetzten Kolloiden gezielt spezielle optische Eigenschaften geschaffen werden. Auch elektrische Leitfähigkeit, Farbe oder chemische Aktivität lassen sich möglicherweiße vorbestimmen. Photonische Kristalle oder Metamaterialien, die beispielsweise für bessere Linsen oder Tarnkappen genutzt werden können, wären so elegant über Selbstorganisationsprozesse herstellbar.
Jan Oliver Löfken
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