Doktor Einstein
Vor 100 Jahren - am 30. April 1905 - schließt Albert Einstein seine Promotionsschrift ab. Den Gedanken daran hatte er bereits aufgegeben.
Vor 100 Jahren - am 30. April 1905 - schließt Albert Einstein seine Promotionsschrift ab. Den Gedanken daran hatte er bereits aufgegeben.
Hamburg (dpa) - Den Gedanken an eine Doktorarbeit hatte Albert Einstein bereits aufgegeben: «Den Doktor werde ich hingegen nicht machen, da mir das doch wenig hilft und die ganze Komödie mir langweilig geworden ist», schreibt er 1903 an seinen Freund Michele Besso. Eine erste Promotionsschrift hatte Einstein im Jahr zuvor sogar zurückgezogen. Die genauen Gründe für diese Entscheidung sind ebenso wenig überliefert wie der Inhalt der ersten Arbeit. In seinem «annus mirabilis» (Wunderjahr) 1905 legt Einstein dann doch noch eine Dissertation vor, als eine von fünf maßgeblichen Veröffentlichungen.
Als der damals 26-jährige Berner Patentbeamte am 30. April 1905 seine Promotionsschrift über die Bestimmung der Molekülgrößen abschließt, hat er seine Nobelpreisarbeit bereits geschrieben. Einsteins Dissertation ist zwar weder so revolutionär wie seine Idee der Lichtquanten, die ihm Jahre später den Nobelpreis einbringt, noch wie die ebenfalls aus dem Wunderjahr stammende Spezielle Relativitätstheorie. Sie entwickelt sich jedoch zum meistzitierten Werk des Jahrhundertgenies.
Die Universität Zürich lehnt die Doktorarbeit allerdings zunächst ab mit der Bemerkung, sie sei zu kurz. Einstein ergänzt die 21-seitige Schrift um einen einzigen Satz, woraufhin sie stillschweigend angenommen wird. So erzählt er es jedenfalls später.
Die Arbeit bringt Einstein nicht nur den Doktortitel, sondern auch «den ersten großen Erfolg bei seinem Bemühen um weitere Belege für die Atomhypothese», wie der Herausgeber der gesammelten Einstein-Werke, John Stachel, schreibt («Einsteins Annus mirabilis», Rowohlt Taschenbuch Verlag). Die Idee der Atome war damals noch keineswegs allgemein akzeptiert.
«Manche Forscher waren der Meinung, dass es sich vor allem um ein nützliches Hilfskonstrukt handelt, mit dem sich schneller Ergebnisse errechnen ließen», erläutert der Münchner Physik-Historiker Helmut Rechenberg vom Max-Planck-Institut für Physik. «Andere stellten sich ein kontinuierliches Materiefeld vor.» Bekannte Teilchen wie etwa das Elektron gaukelte die Natur nach dieser Sicht möglicherweise nur vor. Ein Teil der Forscher weigerte sich auch, über etwas zu spekulieren, das ohnehin nicht nachweisbar war.
In seinem Wunderjahr ersinnt Einstein drei verschiedene theoretische Nachweise für Moleküle und Atome und stützt damit den Atomismus, der sich langsam durchsetzt - rund 2300 Jahre nach Demokrit, der bereits von Atomen gesprochen hatte. «Die Existenz von Molekülen und Atomen lag 1905 allerdings schon auf der Hand», betont Rechenberg. «Den eigentlichen Umschwung in der Akzeptanz der Molekülhypothese hat bereits 1900 Max Plancks Entdeckung der Quanten gebracht.»
Heute ist die atomare Welt nicht nur sichtbar geworden, Forscher hantieren auch beinahe selbstverständlich mit den kleinen Materiebausteinen. Moleküle lassen sich für Medikamente oder andere Zwecke maßschneidern, und Rastertunnelmikroskope erlauben sogar, einzelne Atome hin- und herzuschieben. Dass sich das «Unteilbare» (griechisch «atomos») spalten lässt, ist seit den Arbeiten von Lise Meitner und Otto Hahn bekannt. Und inzwischen blicken Physiker sogar ins Innere der Atomkernbausteine Proton und Neutron.
Den weltweit schärfsten Blick ins Proton bietet derzeit der Teilchenbeschleuniger HERA am Hamburger Forschungszentrum DESY. Einem Supermikroskop gleich zeigt HERA noch Strukturen, die 2000 Mal kleiner sind als das Proton selbst. Im Proton, das Physiker lange für ein im Wesentlichen leeres Gebilde aus drei elementaren Bausteinen gehalten haben, brodelt demnach das Chaos. Wie aus dem Nichts entstehen ständig neue Elementarteilchen, nur um nach winzigen Sekundenbruchteilen wieder zu vergehen. Mit diesen «Quarks», benannt nach schemenhaften Wesen aus James Joyces Roman «Finnegan's Wake», scheinen nach heutigem Wissen tatsächlich die unteilbaren Elementarbausteine der Materie bekannt zu sein.
Till Mundzeck, dpa
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http://einstein.pro-physik.de