20.08.2014

Doppelter planetarer Dynamo

Zwei verschiedene Geodynamos erzeugen das Magnetfeld des Jupiter.

Superlative sind das Markenzeichen des Planeten Jupiter. So ist das Magnetfeld des größten Mitglieds im Sonnensystem an der Wolkenoberkante rund zehnmal stärker als dasjenige auf der Erde, und es bildet die mit Abstand am weitesten ausgedehnte Magnetosphäre um einen Planeten. Rätselhaft erschien es lange Zeit, dass dieses Feld eine ähnliche Struktur besitzt wie das unseres Planeten, obwohl beide Himmelskörper im Innern völlig unterschiedlich aufgebaut sind. Einem Team unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen ist es nun mit den bisher detailliertesten Computersimulationen gelungen, den Ursprung des Magnetfelds tief im Innern des Gasriesen zu erklären.

Abb.: Die magnetischen Feldlinien verdeutlichen die hohe Komplexität des Magnetfelds im Planeteninnern des Jupiter, die jedoch jenseits der metallischen Schicht (schwarze Linie) schnell abnimmt. An der Oberfläche dominiert ein um zehn Grad gegen die Rotationsachse geneigter Dipolanteil. Die farbigen Konturen stellen das radiale Oberflächenfeld dar. Rot bedeutet auswärts gerichtete, blau einwärts gerichtete Feldlinien; grün heißt schwaches Feld. (Bild: J. Wicht, MPS)

Magnetfelder entstehen immer dann, wenn elektrische Ströme fließen. Die Erde umgibt ein Magnetfeld, weil tief in ihrem Innern eine Eisen-Nickel-Schmelze zirkuliert. Durch diese Bewegung werden ähnlich wie beim Fahrraddynamo elektrische Ströme angeworfen, die das bekannte dipolförmige Erdmagnetfeld erzeugen. Physiker sprechen vom Geodynamo. Doch wie funktioniert der Dynamo im Innern Jupiters?

Jupiter besteht überwiegend aus Wasserstoff und Helium. Aufnahmen des Planeten zeigen farbige Wolkenbänder und gigantische Wirbelstürme wie den Großen Roten Fleck. An der Wolkenobergrenze beträgt die Temperatur minus 100 Grad Celsius, doch mit wachsender Tiefe nehmen Temperatur, Druck und elektrische Leitfähigkeit stark zu. In einer Tiefe von knapp 10.000 Kilometern und einem Druck von einigen Millionen Atmosphären wird der Wasserstoff sogar metallisch leitend – ein exotischer Aggregatzustand, den es auf der Erde nicht gibt. Unklar bleibt, ob sich im Zentrum des Planeten ein Gesteinskern befindet; er könnte etwa zwanzig Prozent des Jupiterradius – entsprechend 14.000 Kilometer – einnehmen.

Bisherige Computersimulationen zur Entstehung des Magnetfelds mussten diesen komplexen Aufbau stark vereinfachen. So hat man etwa den oberen Gasbereich und die untere metallische Region separat behandelt. Keine Rechnung gab deshalb die mit Raumsonden ermittelte Stärke und Form des Magnetfelds korrekt wider.

„Einige Kollegen nahmen an, dass sich bei dem Übergang zum Bereich des metallisch leitenden Wasserstoffs bestimmte physikalische Größen sprunghaft verändern“, sagt der Projektleiter Johannes Wicht vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Doch neue Modelle von Kollegen der Universität Rostock scheinen zu belegen, dass dies wohl nicht der Fall ist. Die Eigenschaften ändern sich über die ganze Gasschicht graduell, sodass die separate Behandlung der äußeren und inneren Region kaum gerechtfertigt ist.

Der bedeutende Fortschritt bestand nun darin, dass die Göttinger Physiker erstmals alle Bereiche des Planeten in einer einheitlichen Simulation behandelten. Hierfür musste der große Hydra-Supercomputer der Max-Planck-Gesellschaft in Garching rund ein halbes Jahr lang rechnen. Das Ergebnis stellte das Jupitermagnetfeld weitgehend so dar, wie es Raumsonden in der Natur ermittelt haben. „Der Hauptteil des Magnetfelds, das dem der Erde sehr ähnlich sieht, entsteht in der Tiefen des Planeten, wo sich die Eigenschaften nicht mehr so stark ändern“, so Wicht.

Nach den neuen Simulationen ist jedoch noch ein zweiter, schwächerer Dynamo aktiv. Er agiert im Übergangsbereich zur metallischen Schicht in Äquatornähe. Ursache ist ein starker ostwärts gerichteter Wind, ein sogenannter Jet, der sich an den Wolkenbewegungen erkennen lässt. Im äußeren, kühlen Bereich der Atmosphäre kann noch kein Magnetfeld erzeugt werden, weil hier die Leitfähigkeit zu gering ist. Doch in größerer Tiefe steigt die Temperatur, und ab etwa 8000 Kilometer unter der Wolkendecke ist die elektrische Leitfähigkeit dank der Plasmabildung hoch genug, dass der Dynamo einsetzen kann.

„Entscheidend ist das Produkt aus der Windgeschwindigkeit und der elektrischen Leitfähigkeit“, erklärt Moritz Heimpel von der Universität von Alberta im kanadischen Edmonton. Sobald es einen bestimmten Wert überschreitet, kann ein Magnetfeld entstehen. „Der Jet schert das Magnetfeld in Ost-West-Richtung und erzeugt in der Äquatorregion eine charakteristische magnetische Bandstruktur“, sagt Thomas Gastine, Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.

„Um die besonderen Eigenschaften beider beteiligten Dynamoprozesse widerzugeben, war es besonders wichtig, die inneren Eigenschaften des Planeten möglichst genau zu modellieren“, ergänzt Lucia Duarte, die die erste Computerrechnung während ihrer Doktorarbeit am Göttinger Max-Planck-Institut ausgeführt hat.

So entstehen zwei Magnetfelder, die sich überlagern: das erdähnliche in der tiefen Schicht des metallisch leitenden Wasserstoffs und die von dem äquatorialen Jet erzeugte schwächere Bandstruktur. „Das erdähnliche Feld entspricht in Stärke und Struktur den bisherigen Messdaten durch Raumsonden, die es jedoch nicht erlauben, die Bandstrukturen aufzulösen“, sagt Thomas Gastine.

Die Simulationen überdecken einen Zeitraum von etwa 6500 Jahren und offenbaren auch Veränderungen. So sollte die Feldstärke schwanken und die Achsneigung sich um etwa 0,02 Grad pro Jahr ändern. Diese und weitere von dem neuen Modell vorhergesagte Eigenschaften werden sich in Kürze mit der Raumsonde Juno überprüfen lassen. Das vor drei Jahren gestartete amerikanische Raumschiff soll im August 2016 in eine Umlaufbahn um den Riesenplaneten einschwenken. „Mit den neuen Messdaten werden wir sehr viel mehr über den inneren Aufbau und das Magnetfeld erfahren, als das bisher möglich war und können hoffentlich auch die Bandstrukturen bestätigen“, sagt Johannes Wicht.

MPS / DE

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