15.11.2006

Drei Fragen an: Sigfried Bethke

Grundlagenforschung ist für Deutschland unverzichtbar, sagt Siegfried Bethke, Direktor am Max-Planck-Institut für Physik.

Genf/München (dpa) - Grundlagenforschung ist für eine Technologie-Nation wie Deutschland unverzichtbar, sagt Siegfried Bethke, Direktor am Münchner Max-Planck-Institut für Physik. Das Verhältnis der Deutschen zu den Naturwissenschaften hält der Physikprofessor für verbesserungswürdig. Bethke ist Vizevorsitzender des Kooperationsrats für den ATLAS-Detektor am weltgrößten Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC), der im Herbst 2007 beim europäischen Forschungszentrum CERN bei Genf in Betrieb gehen soll.

Frage: Der LHC ist nicht nur das bislang größte Experiment, sondern mit Gesamtkosten von rund vier Milliarden Euro auch eines der teuersten. Warum lohnt nach Ihrer Ansicht diese Investition in die Grundlagenforschung?
Bethke: Zunächst einmal ist Grundlagenforschung ja ein ganz wichtiger Aspekt der menschlichen Natur - zu fragen, warum die Welt so ist wie sie ist, wie sie entstand und wie sie weitergeht. Ein Beispiel: Im Urknall muss genauso viel Materie wie Antimaterie entstanden sein, die sich dann eigentlich gegenseitig wieder vollständig vernichtet haben sollten. Wir wissen bis heute nicht, warum so viel Materie übrig geblieben ist, aus der heute das gesamte sichtbare Universum besteht. Eigentlich dürfte es uns gar nicht geben. Das ist doch Grund genug, mal nachzuforschen.

Frage: Nun wollen Bürger - und Steuerzahler - aber oft wissen, was sie konkret davon haben. Was antworten Sie?
Bethke: Wir müssen für unsere Forschung technologisches Neuland betreten - und dabei fallen enorm viele Nebenprodukte ab. Das bekannteste Beispiel ist sicher das World Wide Web, das am CERN als Hilfsmittel für die Physiker entstanden ist und dann die Welt verändert hat. In der medizinischen Diagnostik sind heute Detektoren Standard, die für die Teilchenphysik entwickelt wurden. Und die Bestrahlung mit Hilfe von Beschleunigern ist in der Krebstherapie überhaupt nichts Ungewöhnliches mehr. Auch wirtschaftlich ist diese Forschung von enormer Bedeutung: Für viele Industrieunternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, eröffnen sich ganz neue Geschäftsfelder - wir erheben keine Patente, alle Entwicklungen stellen wir der Allgemeinheit zur Verfügung. Und wir bilden massiv aus. Nicht zu unterschätzen ist die politische Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit.

Frage: Dennoch ist es immer noch salonfähig, damit zu kokettieren, dass man von Naturwissenschaften keine Ahnung hat.
Bethke: Es verletzt mich immer etwas, wenn ich das höre. Gerade in Deutschland, das nur durch seine Technik bestehen kann und nicht etwa durch irgendwelche Rohstoffe, halte ich das für nicht angemessen. Das muss sich bessern, und ich glaube, wir können auch etwas dafür tun. So wird beispielsweise in der Schule immer noch die Physik des 19. Jahrhunderts gelehrt. Wir Wissenschaftler haben allerdings jahrelang zu wenig für die Öffentlichkeit angeboten. Dabei ist es nicht so, dass das Interesse der Menschen nicht da wäre - man muss die Themen nur passend aufbereiten. Die Medien können da eine Menge tun. In den USA etwa schaffen es auch schon mal Ergebnisse aus der Grundlagenforschung auf die Titelseiten.

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